Wer nicht weiß, dass es die Firma Duesenfeld gibt, wird sie per Zufall kaum finden: Versteckt hinter einem Sportzentrum gelegen, teilt sich das Unternehmen ein Gewerbegrundstück in Wendeburg mit einer Metallverarbeitenden Firma. Ihre Mission: Batteriesysteme aus Elektrofahrzeugen recyceln – nahezu komplett und ohne zusätzlichen C02-Ausstoß.
„Die hintere Halle und die Container hier vorne gehören zu uns, in dem Bürogebäude haben wir unsere Verwaltung und Sozialräume. Die Halle dazwischen gehört zu Stahlbau 38“, erzählt Julius Schumacher, als wir ihn zum Interview auf dem Betriebsgelände treffen, um einen kleinen Rundgang zu unternehmen. Ein Lkw holt gerade eine Ladung voller Big Bags mit Folienstücken, der Separatorfolie aus Batterien ab, um sie zu einem anderen, auf die Weiterverarbeitung spezialisierten Recycler zu bringen. Unter der Woche kommen immer wieder neue Lieferungen an Batteriesystemen von OEMs wie Autoherstellern und -zulieferern an, die Recyclingstoffe wiederum werden abgeholt und zu anderen Recyclingunternehmen, transportiert. So entsteht ein Wertstoff-Kreislauf und genau das ist auch das Ziel : Alle in den Systemen verwendeten Materialien sollen wieder in den Rohstoffkreislauf zurückgeführt werden. Die Kunststoffe und Metalle ebenso wie Elektrolyte. Die Recyclingquote der jährlich ungefähr 3.000 Tonnen Batterien liegt inzwischen bei 91 Prozent.
Von der Uni in die Praxis
Entstanden ist das Unternehmen vor rund fünf Jahren als Ausgründung aus der TU Braunschweig. Das Verfahren, auf dem Duesenfeld heute basiert, wird damals im Rahmen der Projekte LithoRec und LithoRec II am IPAT Institut für Partikeltechnik entwickelt. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung eines umweltfreundlichen Prozesses, mit dem nahezu sämtliche in Lithium-Ionen-Batterien verwendeten Materialien recycelt werden können.
Für das Spinoff findet sich im nahen Wendeburg im Landkreis Peine das passende Gewerbegrundstück. Der Preis stimmt, es gibt Lagerkapazitäten und eine Halle für die Anlage. Außerdem ist der Autobahnanschluss nur wenige Minuten entfernt. Der Unternehmensname entsteht als Kunstwort, das für internationale Kunden zwar Deutsch, aber auch nach Entwicklung und Ingenieurwesen klingt. Angepasst an die internationale Ausrichtung bleibt es bei der Schreibweise mit ue. 2020 stößt Frank Kleineidam dazu und übernimmt die Geschäftsführung. Als früherer Geschäftsführer der Braunschweiger Elpro Elektro Recycling GmbH bringt er einiges an Erfahrung aus der Recyclingbranche mit.
Gäste sind willkommen
Mit dem patentierten Prozess und der Anlage geht die Firma vergleichsweise offen um. Immer wieder sind Journalist:innen und Blogger:innen auf dem Gelände zu Gast, fotografieren und filmen die Recycling-Arbeit. Auch Schumacher kam über einen solchen Beitrag zum Unternehmen: Nach einer NDR-Sendung 2019 nahm der damalige Master-Student den Kontakt auf – denn eine Firma in seiner Heimatregion, die sich nachhaltigen Recyclingverfahren und Elektromobilität verschrieben hat, klang interessant. Heute ist der 25-Jährige, mit dem Abschluss in der Tasche, Projektmanager.
Wir schauen uns an diesem Tag intensiv um und erfahren, dass insbesondere Batteriesysteme verarbeitet werden, die nicht mehr die komplette Ladekapazität erreichen. Ihr State of Health, der Gesundheitszustand, ist deutlich reduziert. Aber auch Prototypen aus der Entwicklung und zurückgerufene Systeme finden ihren Weg nach Wendeburg. Theoretisch könnten auch Lithium-Ionen-Akkus aus Kleingeräten recycelt werden, aber die sind selten in den Lieferungen zu finden.
Für ihre Nachbarn und die Anwohner:innen sei es nicht immer einfach zu verstehen, was bei Duesenfeld passiert. Recycling klingt schließlich nach einem energieaufwändigen Verfahren und nach potenziell gefährlichen und giftigen Stoffen. „Dabei ist unser mechanisches Verfahren alles in allem unproblematischer als das eines klassischen Recycling-Hofs oder einer Autowerkstatt. Wir werden regelmäßig kontrolliert“, führt Schumacher an. Als Brandschutz stehen zwischen den Lagerungscontainern Mauern aus massiven Betonblöcken, sicherheitshalber gibt es ein Löschbecken. Und da nichts verbrannt wird, gibt es auch keine giftigen Abgase. Einen Grund zur Sorge gibt es für die Nachbarschaft also nicht.

Energieautarkes Unternehmen
Einen Großteil der für den Betrieb der Anlage benötigten Energie zieht das Unternehmen aus den Akkus selbst. „Die modernen Fahrzeugsysteme haben eine Spannung von 400 bis 800 Volt. In der praktischen Anwendung können die Akkus nie komplett entladen werden, es gibt immer Restenergie – und die können wir nutzen. Für die Weiterverarbeitung müssen die Systeme ohnehin auf null Volt tiefentladen werden. Das klassische Batterierecycling ist durch das Erhitzen der Systeme im Vergleich zu unserem mechanischen Verfahren sehr energieaufwändig“, erklärt Schumacher. Langfristig plane Duesenfeld auf ein eigenes Grundstück umzuziehen und dort vollständig energieautark zu wirtschaften.
In der sogenannten elektrischen Entladung entladen Mitarbeiter die Batterien, schließen sie kurz und machen sie damit unbrauchbar. Einige Meter weiter, in der Demontage, sind ihre Kollegen damit beschäftigt, die Batteriezellen von größeren Metall- und Kunststoffteilen zu trennen. Denn auch das gehört zum Recyclingprozess: Alles, was sich manuell voneinander trennen lässt, muss nicht geschreddert werden, sondern kann als reiner Rohstoff in die Weiterverarbeitung gegeben werden.
Gearbeitet wird im Drei-Schicht-Modell an fünf Tagen die Woche. Theoretisch sei es möglich, die Anlage nur einige Stunden am Tag laufen zu lassen und ohne Verluste am folgenden Tag wieder zu starten – aber das Auftragsvolumen sei schlicht weg ausreichend für den Betrieb in Volllast. „Momentan arbeiten hier am Standort 45 Mitarbeitende. Da es herausfordernd ist, Personal zu finden, setzten wir auf eigene Aus- und Weiterbildung. Das Großartige ist, dass alle im Team gut harmonieren. Es gibt diejenigen, die unbedingt weiterkommen wollen und ständig Ideen haben, um Prozesse zu optimieren und diejenigen, die stark darin sind, alles im Fluss zu halten. Das ergänzt sich für uns optimal.“
Die Anlage ist patentiert
Die eigentliche Recyclinganlage ist vergleichsweise klein und nimmt weniger als ein Drittel der Halle ein. Ihr Herzstück ist die Zerkleinerungskammer. Stück für Stück fallen einzelne Batteriemodule von einem Förderband durch eine Öffnung in der Oberseite, bevor ein Schieber das Konstrukt abdichtet und die Kammer mit Stickstoff geflutet wird. „Der Stickstoff verdrängt den Sauerstoff, dadurch kann es in der laufenden Anlage selbst nicht brennen.
Im Elektrolyt der Batterien sind Lösungsmittel enthalten, die sich beim Schreddern sonst entzünden können“, sagt Schumacher und deutet auf eine Reihe von Bildschirmen neben der Anlage. Eine Kamera im Inneren sendet Bilder vom Zerkleinerungsprozess und der folgenden Vakuumkammer, in der die Elektrolytlösung verdampft und an anderer Stelle als reines Produkt wieder aufgefangen wird. „So kommt der gesamte Prozess ohne thermische Energie aus und auch die Entstehung von Fluorwasserstoff, also Flusssäure, ist unterbunden.

Das, was aus der Anlage rauskommt, sind Reste von Folien, Gehäuseteile und das Aktivmaterial der Batterien. Da es zerkleinert und trocken ist, kann es über Magnete, Rüttelsiebe und Gebläse selektiert werden“, erläutert Schumacher weiter. Wertvolle Inhaltsstoffe wie Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan werden als Rohstoffkonzentrat gesammelt und an Chemiebetriebe weiterverkauft. Auch das enthaltende Grafit kann in einem gesonderten Verfahren gewonnen werden – aber noch hat sich der Markt nicht darauf eingestellt, die recycelten Rohstoffe wieder zu verwenden, da diese auf dem Weltmarkt teilweise günstiger sind, als sie aufzubereiten. Dabei ist die CO2-Reduzierung kein unerheblicher Aspekt des Batterie-Zyklus: Nach eigenen Angaben werden durch das Duesenfeld-Verfahren 8,1 Tonnen CO2 pro Tonne recycelter Batterien im Vergleich zur Primärgewinnung der Rohstoffe eingespart. Im Vergleich mit thermischen Recyclingverfahren seien es immer noch mehr als vier Tonnen.
Eine Region im Umbruch
Alles in allem befindet sich der Recyclingprofi auf dem Weg vom Start-up zum etablierten Unternehmen. Perspektivisch soll das Lizenzsystem ausgeweitet werden. Dann könnten auch an anderen Orten, direkt in der Nähe oder bei den Herstellern von Elektroautomobilen, Recycling-Anlagen nach dem Vorbild der Wendeburger entstehen. „Mit Anlagen direkt beim Hersteller beziehungsweise dort, wo die Batteriesysteme ausgebaut werden, würde der Transport von Batterien als Gefahrgut wegfallen. Das würde einiges an Kosten sparen“, ist Schumacher überzeugt.
Dass die Hersteller selbst ähnlich effektive Recyclingverfahren entwickeln, fürchtet Schumacher nicht. „Ja, sie sind interessiert daran, die enthaltenden Rohstoffe gar nicht erst aus der Hand zu geben, sondern im eigenen Unternehmen zu behalten. Gleichzeitig liegt ihr Fokus jedoch auf der Entwicklung von Mobilitätskonzepten.
Recycling wäre ein neues, unbekanntes Feld. Das wissen die Hersteller selbst und kaufen das Recycling als Dienstleistung beziehungsweise die Verfahren vorzugsweise ein.“ Das geplante Trinity-Werk von Volkswagen, das Batteriewerk in Salzgitter und auch Tesla in Grünheide wertet er deshalb als positive Signale für die Region, die sich auf E-Mobilität einstellt.
Digitale Vorlesungen mit Praxis kombinieren
Schon während des Studiums in einem Unternehmen gelandet zu sein, das einen Zukunftsmarkt bedient und spannende Themen bearbeitet, bewertet der 25-Jährige heute als Glücksfall. Auch wenn es ein Ziel der Technischen Universitäten und Fachhochschulen ist: Die Verzahnung von Theorie und Praxis klappt oft nur bis zu einem bestimmten Grad. „Wir waren ohnehin eine kleine Gruppe und der Kontakt mit den Dozenten und Professoren ist sehr direkt und herzlich, mit einigen stehe ich immer noch in Kontakt.“