Salzgitter: Der Traditions-Standort für schwere Industrie schärft sein Profil. Künftig geht es verstärkt in Richtung Batterien für die E-Mobilität und um das Zukunftsthema Wasserstoff. Berechtigterweise hatten sich die Verantwortlichen in der Stadt Hoffnungen auf den Zuschlag bei der Entscheidung gemacht, wo die neue Batteriezellen-Forschungsfabrik des Bundesforschungsministeriums entstehen soll. Die Wahl fiel letztlich auf Münster, was einiges an Kritik hervorrief – nicht nur in Salzgitter. Dort sieht man diese „Niederlage“ aber sportlich und kann dem ganzen Prozess auch etwas Positives abgewinnen.
„Wir haben im Laufe des Wettbewerbs interessante Potenziale für Salzgitter herausgearbeitet“, sagt Thomas Wetzel, Geschäftsführer der Wirtschafts- und Innovationsförderung Salzgitter GmbH (WIS). Diese Potenziale gelte es jetzt weiterzuverfolgen. Die Stadt bietet ein gutes Umfeld und Netzwerk für „Batterieaffine Hersteller und Zulieferer“, so Wetzel. „Solche Unternehmen passen gut zu unserer Struktur.“

Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit haben Salzgitter ein immer stärkeres Profil in Sachen E-Mobilität und alles rund um die Batterie verpasst. Der Volkswagen-Standort in der Industriestraße Nord soll beispielsweise auf dem Weg des Konzerns in Richtung E-Mobilität eine zentrale Rolle einnehmen. So verkündete VW kürzlich, dass das Komponentenwerk Rotor und Stator produzieren wird – wichtige Bestandteile des E-Antriebs, der künftig aus Kassel kommt. Ab 2020 will der Konzern zudem mit dem Aufbau seiner ersten eigenen Batteriezellfertigung beginnen. Um den Jahreswechsel 2023/2024 ist der Start der Batteriezellen-Produktion für Volkswagen dort vorgesehen.
Dafür hat VW mit der norwegischen Northvolt AB ein 50/50-Joint-Venture gegründet, um eine Fabrik zur Produktion von Lithium-Ionen-Batterien aufzubauen. Die Jahresleistung soll zu Beginn 16 Gigawattstunden betragen. Dr. Stefan Sommer, Beschaffungsvorstand von Volkswagen und Mitglied im Aufsichtsrat von Northvolt: „Die Batteriezelle ist eine Schlüsselkomponente für die E-Mobilität. Deshalb treiben Volkswagen und Northvolt den Aufbau einer leistungsfähigen Zellfertigung in Europa voran und stärken damit die gemeinsamen Batterieaktivitäten. Mit der Gründung des Joint Ventures und dem geplanten Bau einer Batteriezellfabrik in Salzgitter tragen wir entscheidend dazu bei, die Kerntechnologie Batteriezelle auch in Deutschland zu etablieren.“ Salzgitter stehe zudem exemplarisch für den Transformationsprozess der Konzern-Komponente: Die VW Group Components hat innerhalb der VW AG die End-to-End-Verantwortung für die Batterie, von der Forschung bis zum Recycling, übernommen – und der Standort Salzgitter übernimmt darin entscheidende Abschnitte: Im Center of Excellence (CoE) werde Batteriefachwissen aufgebaut und noch in diesem Jahr eine Pilotanlage zur Batteriezellfertigung eröffnet. 2020 folgt die Pilotanlage für das Batterierecycling. In beiden Pilotanlagen sollen Kompetenz und Industrieprozesse aufgebaut werden.

Der Salzgitter-Konzern treibt das Projekt SALCOS voran. Das Akronym steht für: Salzgitter Low CO2-Steelmaking. Das technische Konzept für eine CO2-arme Stahlherstellung ermögliche eine Reduzierung des Klimagases CO2 um bis zu 95 Prozent bis zum Jahr 2050, heißt es aus dem Unternehmen. Salcos basiere auf bereits großtechnisch erprobten Komponenten und kann – die erforderlichen politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen vorausgesetzt – mit einem ersten Transformationsschritt zeitnah bis 2025 realisiert werden. Projektpartner sind unter anderem die Fraunhofer-Gesellschaft sowie die italienische Tenova.
Wasserstoff ist der weitere neue Schwerpunkt. Auch bei dieser Technologie stehen zwei Unternehmen aus Salzgitter für Innovationskraft. Die Salzgitter AG hat das Ziel ausgegeben, bei der Stahlproduktion künftig die CO2-Emissionen deutlich zu drosseln. Der Zughersteller Alstom hat in Salzgitter einen Zug für den Personennahverkehr gebaut, der mit Brennstoffzellen angetrieben wird und nur Wasser und Wasserdampf als Emissionen ausgibt. Der Coradia iLint wurde von den Alstom-Teams in Salzgitter, Alstoms Kompetenzzentrum für Regionalzüge, und in Tarbes (Frankreich), Alstoms Kompetenzzentrum für Antriebssysteme, entwickelt. Im vergangenen Jahr erhielt der Zug auch die Zulassung des Eisenbahn-Bundesamtes – ein ganz wichtiger Schritt für den weiteren Siegeszug des innovativen Produkts aus Salzgitter.
