Unternehmen und Beschäftigte in Deutschland könnten von der Erhöhung der US-Leitzinsen profitieren. „Wenn der Dollar anzieht, ist das für Europa eine tendenziell gute Nachricht“, sagte Sascha Steffen vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Nach fast zehn Jahren beschloss die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) am Mittwochabend erstmals wieder, ihren Leitzins anzuheben.
US-Banken müssen künftig einen leicht höheren Zins von 0,25 bis 0,5 Prozent entrichten, wenn sie Kapital bei der Notenbank leihen. Bisher lag die Spanne bei null bis 0,25 Prozent. Mit dieser Maßnahme verfolgt Fed-Chefin Janet Yellen das Ziel, die Geldversorgung der Wirtschaft etwas einzuschränken. Die Zentralbank beugt damit einer möglichen Inflation vor. Die Entscheidung wird als Zeichen gewertet, dass die US-Wirtschaft die große Finanzkrise seit 2007 nun überwunden hat.
Wegen der höheren Zinsen wird es für große Investoren etwas attraktiver, Kapital in den USA anzulegen. Weil man dafür US-Dollar braucht, dürfte auch die Nachfrage nach der US-Währung zunehmen und ihr Kurs im Verhältnis zum Euro steigen. Am Donnerstag bereits rutschte der Euro auf Werte um 1,08 Dollar ab.
„Hiesige Unternehmen werden dadurch konkurrenzfähiger“, sagte Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in Düsseldorf. Denn die Preise ihrer Produkte in Dollar sinken. Beispielsweise deutsche Autos, Solarzellen oder Maschinen werden in den USA billiger. Weil damit die Nachfrage nach europäischen Produkten anziehen könnte, kommen mittelbar auch die Beschäftigten der hiesigen Firmen in eine bessere Position. Ihre Arbeitsplätze werden sicherer. Eventuell stellen die Firmen weitere Beschäftigte ein. Wegen der soliden Nachfrage nach Arbeitskräften dürfte vor allem in Deutschland die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften zunehmen. Ihnen fällt es dann leichter, höhere Löhne durchzusetzen.
Die meisten einheimischen Ökonomen betrachten die Zinserhöhung in den USA deshalb als Unterstützung für die wirtschaftliche Erholung im Euroraum. Bisher liegt das Wachstum auf dem alten Kontinent erheblich unter dem in den USA. Europa leidet noch an der Verschuldungskrise, die auf die Finanzkrise folgte. Allerdings existieren auch gewisse Risiken: Sollte wegen der höheren US-Zinsen zu viel Kapital aus Schwellenländern wie Brasilien abfließen, könnte deren Wachstum leiden. Das beeinträchtigt möglicherweise die Geschäfte hiesiger Firmen in Südamerika und Asien.
Betrachtet man die europäischen Arbeitnehmer in ihrer Rolle als Konsumenten, so müssen sie sich nun darauf einstellen, dass bestimmte Preise leicht steigen. Wegen des stärkeren Dollars werden beispielsweise Reisen in die USA teurer, ebenso Importprodukte, die aus dem Dollarraum kommen. Dies gilt etwa für Smartphones oder Jeans. Die Notierungen für Erdöl dürften auch leicht steigen und damit zugleich die Benzinpreise an den hiesigen Tankstellen. Weil Treibstoff gegenwärtig aber sehr billig ist, hält IMK-Ökonom Horn die Entwicklung für „nicht dramatisch. Großer Schaden ist nicht zu erwarten, die Inflation liegt augenblicklich ja sehr niedrig.“
Wegen der im europäischen Durchschnitt schwachen Konjunktur nehmen die meisten Ökonomen an, dass die Europäische Zentralbank ihren US-Kollegen vorläufig nicht folgt. Im Euroraum dürften deshalb die Zinsen noch länger niedrig bleiben. Das hat Folgen für die Bürger in ihrer Rolle als Sparer und Privatanleger. Auch die hiesigen Zinsen für Bankguthaben und Staatsanleihen werden niedrig bleiben. Das drückt auf die Wertentwicklung der privaten Altersvorsorge. Unternehmensaktien könnten dagegen teurer werden ebenso die Preise für Eigentumswohnungen an attraktiven Orten, vermutet ZEW-Ökonom Steffen.