13. Juli 2023
Entscheider

Autoplus-Chefs: „Arbeitszeit ist Lebenszeit!“

Falk und Cord Hecker führen als Aufsichtsratsvorsitzender und Vorstandschef die Wolfsburger Autoplus AG.

Falk und Cord Hecker führen die Wolfsburger Autoplus AG. Foto: Holger Isermann

Es ist eine journalistische Marotte, das Auto gern etwas abseits der offiziellen Besucherparkplätze abzustellen und über das Firmengelände zum Interviewort zu laufen. Denn auf dem Weg kann man das machen, was Journalist:innen am liebsten tun – beobachten. Zunächst ein junges Pärchen mit Handtuch und Sporttasche über der Schulter, das ins Wolfsburger McFit eilt. Die Fitnessstudio-Kette ist Mieter in dem vor uns liegenden Gebäudekomplex und unser eigentliches Ziel, die Zentrale der Autoplus AG – ein zweckmäßiger Bau, der ausstrahlt, was Kund:innen hier erwarten können: die Konzentration auf den Kern, aber „kein Mahagoni, Ledersessel oder Latte Macchiato“.

So erklärt Aufsichtsratschef Falk Hecker das Geschäftsmodell der Kfz-Meisterwerkstätten mit Autohandel, die sich aus dem 1965 in Wolfsburg gegründeten Autoteile-Großhandel entwickelt haben. In gegenwärtig 23 Filialen in der Region, aber auch in Berlin und Koblenz, arbeiten rund 300 Mitarbeiter:innen an Mobilitätslösungen für die Kund:innen: Neben der Werkstatt und einem Fachmarkt für Zubehör, gehören auch ein Gebrauchtwagenhandel sowie der Verkauf von E-Bikes zum Angebot. Und die Wallbox für zu Hause gibt es auch. Doch: „Das allein hat sich nicht richtig angefühlt, weil das Produkt für sich keine Lösung ist. Es braucht immer noch jemanden, der es installiert“, betont Vorstandschef Cord Hecker. Deshalb hat man jüngst einen Elektromeisterbetrieb gegründet.

Dieses Beispiel verdeutlicht gut, wie die beiden Brüder ihr Unternehmen entwickeln wollen – nämlich eng an den Bedürfnissen der Kund:innen orientiert. Damit kennt sich Falk Hecker, der nebenberuflich als Honorarprofessor an der Ostfalia lehrt, auch theoretisch aus. Er hat unter anderem Bücher zum Aftersales in der Automobilwirtschaft, zur Service-Exzellenz und zuletzt zum Thema Leadership geschrieben und führt hauptberuflich die Immobiliengesellschaft der Unternehmer-Familie.

Deren Aushängeschild strahlt im gleißenden Sonnenlicht von der anderen Straßenseite herüber – das im vergangenen Jahr fertiggestellte Berliner Haus. Die mehr als 22.000 Quadratmeter Fläche beherbergen ein zwölfstöckiges Bürogebäude und das Hotel Premier Inn. Falk Hecker spricht von einem sehr bedeutenden Zukunftsprojekt, „das uns einige Jahre begleitet und sehr viel Lebenszeit beansprucht hat“ – oder auch Arbeitszeit. Denn trennen würden die Brüder beides nicht, sehen Arbeits- und Freizeit eher als Symbiose denn als Gegenspieler und wollen mit diesem Ansatz auch ihr Unternehmen prägen.

Die Autoplus AG rekrutiert die meisten Mitarbeiter:innen aus den eigenen Auzubis. Foto: Autoplus

Wie hat die Geschichte der Unternehmer-Familie Hecker in Wolfsburg begonnen?
Falk Hecker (F.H.): Unser Großvater hat zusammen mit unseren Eltern 1965 den Autoteile-Handel Karlheinz Westen KG in Form einer Kommanditgesellschaft gegründet …

… das war ein Großhandel, oder?
F. H.: Zunächst ja, über die Jahre ist dann immer mehr Einzelhandel dazu gekommen. Als unser Vater in den Ruhestand gegangen ist, haben wir beide Aktivitäten voneinander getrennt und den Großhandel an Heil und Sohn verkauft. Aus dem Einzelhandel ist dann Autoplus geworden.
Cord Hecker (C.H.): Dazu ist schließlich der Service gekommen.
F. H.: Ich habe bei Professor Bruno Tietz am Handelsinstitut in Saarbrücken promoviert, der damals als Fachmarkt-Papst in Deutschland galt und dachte, das können wir auch. So entstand der Autofahrer-Fachmarkt.

Der Wandel Ihres Unternehmens vom Groß- zum Einzelhandel bis zur Werkstatt ist eine Entwicklung hin zum Kunden, oder?
C. H.: Absolut, und eine hin zu mehr Wertschöpfung. Ein bisschen Einzelhandel haben in der Vergangenheit eigentlich alle Großhändler gemacht, aber unser Sortiment hat sich zunehmend am Endverbraucher orientiert und irgendwann kamen natürlich die ersten Anfragen, ob wir ein Teil nicht einbauen könnten. Das ging mit Autoradios los, dann kamen die Bremsen und 1994 haben wir den ersten Autoplus-Standort nach dem neuen Konzept in Halberstadt eröffnet.

Geht da noch etwas bei der Nähe zum Kunden?
C. H.: Ja. Wir haben angefangen Wallboxen zu verkaufen, aber das allein hat sich nicht richtig angefühlt, weil das Produkt für sich keine Lösung ist. Es braucht immer noch jemanden, der es installiert. Das wiederum darf nur ein Elektro-Meisterbetrieb, der beim Netzbetreiber registriert ist. Also haben wir einen Elektrobetrieb gegründet und können mittlerweile Wallboxen inklusive Einbau anbieten.
F. H.: Ein Zeichen für einen sehr engen Kontakt zwischen Kunde und Unternehmen wäre ja, wenn dieser Einfluss auf unser Angebot hätte. Und genau das ist der Fall. Das sehen Sie auch beim Gebrauchtwagenhandel, der sich aus der Frage von Kunden entwickelt hat, ob sich eine Reparatur noch lohnt. Es gibt Fälle, in denen man das verneinen muss und dann haben Sie zwei neue Themen: Einmal ein kaputtes Auto, das der Kunde gern loswerden würde und er sucht außerdem oft ein alternatives Fahrzeug. Die Antwort darauf ist der Gebrauchtwagenhandel.
C. H.: Hier genießen wir einen Vertrauensvorschuss, weil Kund:innen wissen, dass wir auch morgen noch vor Ort ansprechbar sind, wenn mit einem Gebrauchtwagen etwas sein sollte.

Die Automobilhersteller wandeln sich gerade zu Dienstleistern, die nicht Fahrzeuge, sondern Mobilität anbieten. Haben Sie ähnliche Visionen?
C. H.: Durchaus. Wir sprechen vom 360-Grad Ansatz und diesen Wandel spiegelt auch unser neuer Claim wider. Früher lautete dieser „Das Plus für Ihr Auto“, heute „Das Plus für Ihre Mobilität“.

Man kann bei Ihnen mittlerweile sogar Fahrräder mieten …
C. H.: Genau, mit dem Verkauf von E-Bikes haben wir begonnen und mittlerweile in Wolfsburg am 1. April ein Outlet für Fischer-eBikes eröffnet. An einigen Stationen kann man sie mittlerweile mieten, primär zur Mobilitätserhaltung. Dabei geht es weniger um den Wochenendausflug …
F. H.: Und das Thema Jobbike hat für uns große Bedeutung als Alternative zum Dienstwagen. Wir kaufen die Fahrräder direkt vom Hersteller.
C. H.: Eine Alternative wäre gewesen, so etwas über Anbieter wie Jobrad zu organisieren, aber wir haben alles selbst umgesetzt. Dies stößt im eigenen Unternehmen und bei Firmenkunden bereits auf große Resonanz.

Die beiden Brüder Falk und Cord Hecker beim Interview in der Wolfsburger Unternehmenszentrale. Foto: Holger Isermann

Herr (Falk) Hecker, wir haben vor vier Jahren über Ihr Buch „Crashkurs Service-Exzellenz“ gesprochen. Damals attestierten Sie, dass es in der Service-Wüste Deutschland mittlerweile auch wahre Profis gibt. Ist die Wüste inzwischen einer Oase gewichen?
F. H.: Wie ist Ihr Eindruck nach der Pandemie? Ich beobachte eine gewisse Lethargie, nachdem wir uns gut zehn Jahre aus der Service-Wüste heraus gut entwickelt haben. Wenn Sie heute sagen, dass der Zug nicht fährt oder der Bäcker schließt, weil kein Personal da ist, wird das fast schulterzuckend hingenommen.

Sie meinen, wir haben uns an den Ausnahmezustand gewöhnt?
C. H.: Die Pandemie war Ausrede für vieles – aber es wird selbst heute kaum noch hinterfragt, ob es nicht auch anders geht. Es kann ja nicht sein, dass immer externe Gründe dafür genutzt werden, zu erklären, warum man keinen Service bietet.

Was denken Sie?
F.H. : Exzellenter und persönlicher Service kann ein Alleinstellungsmerkmal des örtlichen Handels sein. Jedes Unternehmen, das diesen bietet, hat automatisch eine Daseinsberechtigung und wird erfolgreich sein, davon bin ich fest überzeugt.

Wie grenzen Sie Ihre eigentlich von den Vertragswerkstätten ab?
C. H.: Wir arbeiten nach Hersteller-Vorgaben und nutzen Originalteile. Im Ergebnis bieten wir die gleiche Leistung wie beispielsweise eine Volkswagen-Werkstatt …

… aber zu einem geringeren Preis? Ist das Ihr Geschäftsmodell?
F. H.: Genau.

Wie groß ist der Preisunterschied?
F. H.: Zwischen 20 und 30 Prozent, je nach Bereich.

Befürworter von Vertragswerkstätten gestehen zwar höhere Stundensätze ein, betonen aber zugleich, dass die Mitarbeiter:innen dort auch schneller fertig sind …
F. H.: Das Argument kennen wir, aber wir rechnen genauso wie Vertragswerkstätten nach Arbeitswerten und nicht nach Zeit ab. Der Kunde leidet also nicht unter einem Mechaniker, der etwas länger braucht.

Wird zwischen freien und Vertragswerkstätten mit harten Bandagen gekämpft?
F. H.: Alle Versuche einer Benachteiligung wurden bisher von Gerichten verhindert. 2012 hat die Europäische Kommission in einer Verordnung zum Beispiel klargestellt, dass die Gewährleistung unabhängig von der Frage erhalten bleibt, wo ein Auto repariert wird. Und da Daten eine immer größere Rolle spielen, gab es gerade ein ganz aktuelles Urteil, dass diese auch freien Werkstätten zur Verfügung gestellt werden müssen, damit der Wettbewerb erhalten bleibt.

Autoplus ist vor allem in der Region vertreten, aber auch in Berlin, wie hier in der Siemensstraße. Foto: Werner Popp

Sie haben gegenwärtig 23 Filialen. Die meisten in der Region, aber auch in Koblenz und Berlin. Wie kam es dazu?
F. H.: In diesen Regionen sind wir durch Zusammenschlüsse aktiv, welche durch unsere Struktur der Aktiengesellschaft begünstigt wurden.

In der Summe sind Sie damit kleiner als Akteure wie ATU und doch größer als die Einzelwerkstatt. Welche Chancen und Herausforderungen bedeutet dies?
C. H.: Wir können natürlich Synergien ausschöpfen. Ein Beispiel: Hier in Wolfsburg haben wir ein Lager mit gut 500 Spezialwerkzeugen, die Sie mittlerweile für die Reparatur von vielen Fahrzeugen benötigen, wenn Sie es gut und schnell machen wollen. Nur, so ein Werkzeug wird vielleicht einmal pro Jahr genutzt, als Einzelwerkstatt können Sie sich das nicht leisten. Außerdem profitieren wir natürlich vom Werbeeffekt, wenn Menschen durch die Region pendeln und an mehreren Orten auf unsere Werkstätten treffen. Und wir können Mitarbeiter:innen an unterschiedlichen Standorten einsetzen und unseren Azubis eine Übernahmegarantie bieten – vielleicht nicht am selben Standort, aber dann einmal um den Kirchturm herum.

Hat die Zahl 23 für Sie etwas Endgültiges oder ist sie eher einen Zwischenstopp in der Wachstumsgeschichte?
F. H.: Wir wollen der Platzhirsch in der Region sein. Hier sind wir heute schon stärker als die nationalen Flächenanbieter wie ATU, Pit Stop und Co., aber es gibt durchaus noch ein paar weiße Flecken. Überregional wollen wir eher in strategischen Partnerschaften agieren.

Wie können wir uns das vorstellen?
F. H.: Der Kern ist unsere Werkstatt-Plattform, ein mehrjähriges Projekt, das eine überregionale Anbindung von anderen Werkstätten an Autoplus ermöglicht. Damit stehen wir praktisch in den Startlöchern für eine überregionale Expansion.
C. H.: Wobei die Plattform primär für unsere eigenen Standorte gedacht ist. Darüber können Sie digital Termine buchen, Feedback zum Stand einer Reparatur erhalten. Zukünftig wollen wir auch mit Live-Daten arbeiten, und unseren Kunden initiative Dienstleistungen anbieten, wenn beispielsweise eine Inspektion ansteht.

Wie geht es bei Ihnen in der Werkstatt zu? Herrscht dort ein rauer Ton?
C. H.: Nein, zunächst einmal werden Sie bei uns niemanden durch die Werkstatt brüllen hören. Wir setzen auf respektvolle Kommunikation, regelmäßige Entwicklungsgespräche und Diversität. Natürlich ist die Werkstatt immer noch eine Männerdomäne, aber wir fordern Toleranz ein.

Ist das ein Vorteil Ihrer Größe?
C. H.: Bei der Einzelwerkstatt ist die Kultur sehr stark vom Inhaber geprägt, er oder sie baut um sich herum am Ende das Unternehmen, das zu ihm oder ihr passt. Wir müssen strukturell dafür sorgen, dass wir das richtige Betriebsklima schaffen und sehen hier schon die Notwendigkeit uns einzubringen. Das geschieht aus dem Selbstverständnis heraus, dass wir uns einen guten Umgang im Unternehmen wünschen.

Wie sieht der typische Autoplus-Kunde aus? Gibt es den überhaupt?
C. H.: Die meisten unserer Kund:innen fahren ein Auto nach der ersten Besitzer-Umschreibung, also zum Beispiel nach einem Leasing-Vertrag. Die Autos sind dann in der Regel drei oder vier Jahre alt und bei uns bis circa zwölf Jahre im Service.

Und dann?
C. H.: … werden wir für viele mit unserem Ansatz und den Original-Teilen zu kostspielig. „Hauptsache es fährt“, ist nicht unser Motto. Diese Autos werden dann eher durch Nachbarschaftshilfe oder in sogenannten Hinterhofwerkstätten fahrtüchtig gemacht.

Welchen Anteil Ihres Geschäfts machen Sie heute mit elektrischer Mobilität?
C. H.: Wenn wir alle Quellen zusammenzählen, sind es rund zehn Prozent. Dazu gehört auch, dass wir Vertragswerkstatt für die Streetscooter der Deutschen Post sind. Außerdem vertreiben wir Elektrofahrzeuge von einigen neuen Marktteilnehmern und bieten Ladeinfrastruktur, wie Wallboxen für Elektrofahrzeuge an.

Stresst Sie die Mobilitätswende oder sehen Sie diese vor allem als Chance?
F. H.: Die Zukunft kann man am besten vorhersagen, wenn man sie selbst gestaltet. Deshalb investieren wir frühzeitig in unsere Ausstattung und eine zeitgemäße Ausbildung – der Erfolg zieht dann meist nach.
C. H.: Und da wir in der Regel keine Neuwagenfahrer als Kund:innen haben, dauert es ja auch immer ein wenig, bis wir die neuen Fahrzeuge bei uns auf der Bühne haben. Schlussendlich werden wir weiterhin einen sehr hohen Fahrzeugbestand mit Verbrennermotor haben. Das gibt uns Zeit für den Wandel.

Seit fast 60 Jahren haben Sie Autos auf der Hebebühne – wie hat sich in dieser Zeit die Qualität verändert?
F. H.: Wir haben heute mehr Qualität und das ist im Sinne der Nachhaltigkeit auch gut so. Als wir in der Branche groß geworden sind, war es noch völlig normal, dass ein Schalldämpfer durchgerostet ist oder eine Kupplung gewechselt werden musste. Durch den Einsatz von Edelstahl und anderen Materialien sind viele Teile nicht mehr reparaturanfällig.
C. H.: Früher gab es ja den Ausspruch:„Der ist mir unter dem Hintern weggerostet.“ Ohne Schaden haben Sie heute eigentlich keinen Rost mehr. Die Mechanik ist mittlerweile relativ ausgereift, die Herausforderung ganz klar die Software.

Das Berliner Haus in Wolfsburg wurde in einem Joint Venture aus der ABG Real Estate Group und der Hecker GmbH realisiert. Foto: Achim Reissner

Aber was ist mit dem Gefühl, dass früher jeder Mercedes 500.000 Kilometer fuhr …
C. H.: Es gab scheinbar unverwüstliche Diesel-Aggregate, aber so viele Kilometer waren die absolute Ausnahme. Und wer fährt schon 500.000 Kilometer jenseits des Taxigeschäfts? Die durchschnittlichen Fahrleistungen gehen gerade durch die Ausbreitung des Homeoffice sogar immer weiter zurück.

Reden wir über Ihren Unternehmenssitz. Ist Wolfsburg trotz des großen Players Volkswagen eine ganz normale Stadt mit gut 120.000 Einwohner:innen?
F. H.: Nein, sie wird stark von Volkswagen geprägt, was wiederum zu einer Monostruktur führt, die sich trotz allem Bestreben nach Vielfalt nicht ganz auflösen lässt.

Mit dem Blick auf die Mobilitätswende kann man momentan den Eindruck gewinnen, dass der Autobauer eher die Fahrzeuge produziert, die Marge bringen als die, die unseren eigentlichen Mobilitätsbedürfnissen vor dem Hintergrund der Erderwärmung entsprechen, oder?
C. H.: Ja, das macht momentan den Anschein, trifft aber eigentlich auf alle Hersteller zu. Wenn Sie vor allem ressourcenarm von A nach B kommen wollen, ist der SUV-Boom nicht nachvollziehbar. Bei der E-Mobilität ist der ID.3 derzeit das Einstiegsmodell bei VW und der liegt bei rund 40.000 Euro.
F. H.: Wenn Sie recht haben und das Mobilitätsbedürfnis ein anderes ist, wird es für Volkswagen gefährlich. Denn als Hersteller in einer Marktwirtschaft am Markt vorbeizuproduzieren, geht nicht lange gut. Früher oder später wird sich jemand finden, der liefert, was die Menschen kaufen wollen. Das hat letztendlich auch uns den Markteintritt ermöglicht.

Können Sie das genauer erklären?
F. H.: Die Vertragswerkstätten der Hersteller agieren auf einem sehr hohen Preisniveau. Der Kunde legt aber vielleicht gar keinen Wert auf Mahagoni, Ledersessel oder Latte Macchiato – und will das alles auch gar nicht bezahlen. Genau das ist ja häufig das Erfolgsrezept von Discountern: die Konzentration auf den Kern und alles andere links und rechts wegzulassen – mit der Folge eines niedrigeren Preises. Wir haben hier McFit als Mieter im Gebäude, auch so ein Beispiel.

Apropos – welche Bedeutung hat die Immobiliengesellschaft und wie kam es zur Idee, das Berliner Haus zu bauen?
F. H.: Es ist schon ein sehr bedeutendes Zukunftsprojekt, das uns einige Jahre begleitet und sehr viel Lebenszeit beansprucht hat. So etwas würden wir nicht tun, wenn es nicht an unserem Hauptstandort liegen würde, und wir haben uns dazu mit einem Partner in einem Joint Venture zusammengetan. Außerdem gab es vorher kein Budget-Hotel in der Stadt und darunter haben auch wir gelitten.
C. H.: Autoplus selbst besitzt keine Gebäude, sondern die Immobiliengesellschaft. Etwa zehn der Standorte gehören uns, wir vermieten Teile davon aber auch an Externe, wenn es der Platz hergibt.

Sind Immobilien ein strategisches Betätigungsfeld oder folgen Sie damit eher den Unternehmenszielen von Autoplus, wenn sich ein Kauf eben anbietet?
F. H.: Es geht uns in erster Linie um Unabhängigkeit: Wenn wir unser Unternehmen verändern wollen, sei es durch den Einstieg in den Gebrauchtwagenhandel oder den Verkauf von E-Bikes, ist es immer einfacher, Umbauten an eigenen Immobilien vorzunehmen. Die Geschwindigkeit ist uns
wichtig.

Wie sieht denn die Arbeitsteilung zwischen Ihnen aus – Aufsichtsratsvorsitzender und Vorstand steht auf Ihren Visitenkarten – aber wie leben Sie diese Rollen?
F. H.: Was auf den Karten steht, trifft es erst einmal recht gut. Ich bin nebenberuflich noch als Professor an der Ostfalia tätig, außerdem führe ich die Immobiliengesellschaft, die unter anderem das Berliner Haus nebenan verwaltet. Mein Bruder hat dafür bei Autoplus den Hut auf.
C. H.: Aber es gilt immer das Vieraugenprinzip und wir vertreten uns gegenseitig.

Zwei Brüder, die gemeinsam die Geschäfte führen – das kann auch zu Konflikten führen, oder?
C. H.: Wir können die Dinge schon sehr sachlich behandeln und ausdiskutieren. Manchmal brauchen wir einen zweiten Anlauf, aber dann klappt es (lacht).
F. H.: Und die familiäre Bindung kommt uns sehr zugute. Unser Vertrauensverhältnis ist unerschütterlich.

Können Sie Job und Privates überhaupt trennen?
C. H.: Das ist gar nicht unser Ziel …
F. H.: … genau. Arbeitszeit ist Lebenszeit! Der Job ist ja ein wichtiger Bestandteil unseres Lebens, deshalb würde ich Arbeit und Freizeit immer als Symbiose und nicht als Gegenspieler denken, die man in eine Balance bringen muss.
C. H.: So sind wir auch aufgewachsen. Von Kindesbeinen an waren wir im Betrieb, haben das Lager gefegt oder Regale eingeräumt, später am Kunden gearbeitet. Nach der Schule ging es nicht nach Hause, sondern in den Betrieb. Das Familienleben hat sich schon immer zum Teil hier abgespielt. Für uns ist das normal, aber zugegeben … unsere Partnerinnen mussten sich erst einmal daran gewöhnen (lacht).
F. H.: Ich möchte dazu ein Beispiel aus meinem aktuellen Buch vorlesen, das zeigt, wie uns die Work-Life-Balance-Debatte vielleicht in die Irre führt. Die beiden italienischen Psychologen Fausto Massimini und Antonella delle Fave haben Bauern in den hochgelegenen Alpen interviewt, die von der industriellen Revolution weitestgehend verschont geblieben sind und stellten fest, dass diese Arbeit und Freizeit nicht unterscheiden konnten: Die Bauern arbeiteten 16 Stunden am Tag, oder sie arbeiteten überhaupt nicht. Sie molken Kühe, erzählten ihren Enkelkindern Geschichten, spielten Akkordeon für Freunde. Und auf die Frage, was sie denn gern tun würden, wenn sie genügend Zeit und Geld hätten, kam die Antwort: Kühe melken, Geschichten erzählen, Akkordeon spielen.

„Unser Vertrauensverhältnis
ist unerschütterlich“, sagen die Brüder. Foto: Holger Isermann

Spannend!
F. H.: Die Teilung in Arbeit und Freizeit ist uns durch die Industrialisierung mitgegeben worden. Aber wir sind doch ein Mensch und das Leben wie eine Bilanz aufzuteilen, macht uns nicht unbedingt glücklicher. Denn wenn Sie Ihr Job nicht erfüllt, ist auch eine Vier-Tagewoche zu viel!

Was machen Sie mit dieser Erkenntnis in Ihrem Unternehmen?
F. H.: Wir sind schon lange vor der Pandemie zur Vertrauensarbeitszeit übergegangen, weil wir sagen, dass das Ergebnis zählt. Das Thema ist wirklich eine Herzensangelegenheit von mir, mit dem ich mich schon sehr lange beschäftige.

Prägt Ihr Bruder das Unternehmen mit solchen Gedanken und Ideen?
C. H.: Ja, absolut, es ist schon eine Besonderheit, dass er sich intensiv mit solchen Fragen beschäftigt, und es tut uns sehr gut.

Warum ist Autoplus eigentlich eine Aktiengesellschaft?
F. H.: Das Geschäft ist recht kapitalintensiv und da können wir als börsenfähige AG – auch wenn wir nicht notiert sind – uns durch die Einbeziehung von externem Kapital stärker aufstellen.

Familienunternehmer:innen betonen oft stolz, dass sie darauf nicht angewiesen sind: Hier gehört alles uns, lautet die Botschaft …
F. H.: Die Trennung von Kapital und Führung spricht für mich ja gerade für die AG. Der Aktionär hat seine Rechte, insbesondere auf Information und Dividende, aber der Vorstand führt die Geschäfte und der Aufsichtsrat kontrolliert ihn. Wir als Familie sind in beiden Organen prominent vertreten, also funktioniert das ganz gut.

Sie beide führen das Unternehmen nun in dritter Generation. Wird es perspektivisch eine vierte geben?
C. H.: Ein reines Familienunternehmen sind wir heute schon nicht mehr, eher ein familiär geprägtes Unternehmen. Denn es gibt in der Geschäftsleitung und im Aufsichtsrat längst externe Akteure, die nicht aus der Hecker-Familie stammen.

Welche Rolle wird die Familie demnach zukünftig spielen?
C. H.: Das wird die Zeit zeigen. Meine Kinder sind noch recht jung, da steht eine Entscheidung noch nicht an.
F. H.: Und letztendlich geht es nur über Leistung. Es ist nicht Kraft eines Generationenvertrages vorbestimmt, dass eines unserer Kinder hier einsteigt, sondern es braucht eine gehörige Portion Verantwortung, um in die Unternehmensführung aufgenommen zu werden. Und diese Möglichkeit steht auch herausragenden Mitarbeitern offen.

Das klingt offener als manch anderes Familienunternehmen …
F. H.: Dafür sind wir eben eine Aktiengesellschaft und nicht in einer Hand.
C. H.: Die familiäre Prägung verstehe ich übrigens nicht so, dass es nur mit unserer Familie zu tun hat, sondern eher als größeres Bild. Auch langjährige Mitarbeiter:innen sind Teil der Autoplus-Familie und ich finde es erstrebenswert, dass sie genau diese Zugehörigkeit empfinden.

Ein „Wir“ auf Grundlage der Werte und nicht des Namens …
C. H.: Genau.

Fällt Ihnen das Recruiting eigentlich leichter als anderen Branchenvertretern?
F. H.: Wir haben viele Jahre keine Jobanzeigen geschaltet. Das hat sich jetzt, wo die Jahrgänge kleiner werden, etwas geändert, aber geschieht immer noch in relativ überschaubarem Umfang.
C. H.: Wir konzentrieren uns vor allem auf den Ausbildungsbereich. Und hier merken wir, dass der Mund-zu-Mund-Faktor funktioniert. Wir haben an den Schulen einen ganz guten Leumund.

Für Menschen, die sich für Autos interessieren, dürfte gerade in der Region VW ein attraktiver Arbeitgeber sein …
F. H.: Das polarisiert sich. Es gibt Menschen, die wollen zu VW, für die haben die beiden Buchstaben eine ungemein hohe Anziehungskraft und denen können Sie auch bieten, was Sie wollen. Andere schätzen die Freiheit und Selbstständigkeit in einem mittelständischen Unternehmen. Und gerade uns sind die Entfaltungsmöglichkeiten besonders wichtig. Ein Großteil unseres Führungskreises hat hier gelernt.

Man kann bei Ihnen Karriere machen. Ist das die Botschaft?
F. H.: Ja, das begleiten wir sehr aktiv, zum Beispiel durch ein duales Studium …
C. H.: … oder die Meister-Förderung, für die man sich eine Auszeit nehmen und trotzdem nebenbei etwas verdienen kann. Außerdem leisten wir uns ein eigenes Schulungszentrum für die Weiterbildung und legen hier auch selbst Angebote auf. Das ist mit der Elektromobilität natürlich nochmal richtig in Schwung gekommen.

Was fahren Sie selbst für ein Fahrzeug?
C. H.: Einen Passat GTE, weil das Elektrofahrzeug noch nicht lieferbar war.
F. H.: Im Sommer gern ein Audi Cabrio, aber ich probiere auch immer wieder Autos aus dem Sortiment aus und bin da ziemlich neugierig (lacht).

Wäre für Sie ein Nicht-Volkswagen-Auto denkbar?
C. H.: Wir sind beide in Wolfsburg geboren und wissen natürlich, dass die Stadt mit und durch Volkswagen lebt. Insofern gibt es hier schon ein gewisses persönliches Loyalitätsempfinden und wenn ich dauerhaft vor meinem Haus zum Beispiel einen Opel parken würde … nein, das passt nicht (lacht).

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