„Der Einzelhandel ist bei weitem nicht tot – im Gegenteil. Die Braunschweiger Innenstadt hat sich gut aufgestellt und bekommt gerade wieder richtig die Kurve“, findet Maria Meibohm. Die 34-jährige Kulturwissenschaftlerin ist seit anderthalb Jahren Projektmanagerin bei der Buchhandlung Graff und soll das Familienunternehmen künftig gemeinsam mit ihrem Cousin Frederick Wrensch führen.
Meibohm empfängt uns in einem Büro, das eigentlich ihrem Vater, Joachim Wrensch, gehört. Auch der Tisch, an dem sie sitzt, ist normalerweise ihm vorbehalten. Gerade ist er allerdings im Urlaub – und sie freut sich über den zusätzlichen Platz, den sie auf ihrem deutlich kleineren Schreibtisch nicht hätte. Sie nutzt ihn, indem sie Bücher, insbesondere feministische Sachliteratur, darauf drapiert, die sie gern ihren Gästen empfiehlt.
Graff befindet sich in einer Phase der Transformation. Der Geschäftsführervertrag von Joachim Wrensch endet im Spätsommer 2024. Dann soll sie an seine Stelle treten, als erste Frau in der Geschäftsführung der Buchhandlung. „Wir haben auch viele alteingesessene Mitarbeiter, die in den nächsten Jahren in Rente gehen. Mein Vater macht so ein bisschen den Anfang im Unternehmen.“ Mit den Babyboomern werden einige Mitarbeiter in den nächsten Jahren planmäßig aus dem Unternehmen ausscheiden.
Und noch etwas ist neu: Zum ersten Mal werden die Geschicke von Graff dann nicht mehr von gelernten Buchhändlern geleitet. Zwar vermutet Meibohm, dass in der Übergangsphase durchaus einige Herausforderungen auf sie zukommen werden, sie ist aber auch zuversichtlich, denn: „Mein Studium und vor allem meine langjährige Arbeitserfahrung in der Buchbranche bilden ein gutes Fundament für die Führung des Unternehmens.“
Es ist nicht nur das Braunschweiger Familienunternehmen, das im Wandel steht – auch die Branche verändert sich ständig. Beispielsweise sind Kinder und Jugendliche Studien zufolge zunehmend weniger an das Lesen langer Texte gewöhnt. „Unsere Kinder- und Jugendbuch-Abteilung ist allerdings eine der erfolgreichsten im ganzen Unternehmen. Das zeigt, die Nachfrage ist da. Durch Corona hat man auch gesehen: Kinder und Jugendliche wollten eine Beschäftigung und viele Familien haben immer wieder auf Bücher zurückgegriffen.“ Große Sorgen um die Zukunft macht sich Meibohm deshalb im Moment nicht.
„Außerdem findet man bei uns deutlich mehr als nur ein Kommen und Gehen, sondern man hat eine nette Atmosphäre. Uns liegt die Gestaltung des Ladens sehr am Herzen. Die Produkte sind alle persönlich ausgewählt. Wir sind keine Kette, zeichnen uns durch guten Service aus“, lässt Meibohm hinter die Kulissen des Ladenkonzepts blicken. Im Laden setzt das Unternehmen auf das Persönliche. Ist das Personal auf der Fläche mal knapp, springt die zukünftige Chefin selbst ein. Und auch die Veranstaltungsgäste werden von Meibohm, ihrem Vater oder ihrem Cousin empfangen. „Wir tun außerdem viel für die junge Zielgruppe, also die Jugendlichen und New Adult.“ Um sie zu erreichen ist Graff beispielsweise auf TikTok und Instagram aktiv.
Selbst hat Meibohm auch zwei Kinder. Eines von ihnen wird bald eingeschult, das andere ist noch im Kindergarten. Ein fester Bestandteil des gemeinsamen Tagesablaufes ist es, dass sie ihren Kindern abends vorliest. Und auch wenn ihr manchmal die Zeit fehlt, danach noch ein paar Stunden in ihrer eigenen aktuellen Lektüre zu schmökern, versucht sie doch, sich immer wieder Zeit dafür freizuräumen.