Netzwerken – laut Duden bedeutet das, ein soziales Netzwerk aufzubauen oder zu pflegen. Das erfordert regelmäßigen zwischenmenschlichen Austausch und ein aktives Zugehen auf neue Kontakte. Für die einen ist das ein mühseliges Muss oder gar eine nervenaufreibende und Gänsehaut über den Rücken jagende Zumutung. Für die anderen ist es ein gesellschaftliches Vergnügen, privat wie beruflich – Menschen sind ihr Hobby. Nicole Mölling gehört zu letzteren. Ihre Leidenschaft für zwischenmenschliche Kommunikation hat die Senior Managerin bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC sogar zum Beruf gemacht. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn ihren Job gibt es in dieser Form nur einmal in ganz Deutschland. „Den Spruch ‚Netzwerke schaden nur dem, der keine hat‘, habe ich absolut verinnerlicht“, erzählt die 48-Jährige im Wohnzimmer der ehemaligen Wassermühle, in der sie lebt und die in ihrer Familie von Generation zu Generation weitergegeben wird. Doch zurück auf Anfang …
Wenn Sie schon einmal eine der vielfältigen Netzwerkveranstaltungen unserer Region besucht haben, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie dort auch Nicole Mölling begegnet sind und folgenden Satz gehört haben: „Ich bin Nicole Mölling, arbeite seit vielen Jahren bei PwC, habe Freude an Menschen und vernetze mich sehr gerne“, gefolgt von einem freundlichen Lächeln und offenem Blick, ohne Erwartung. Denn eines ist der gebürtigen Wolfenbüttelerin klar: „Man muss jeden Menschen so nehmen, wie er ist. Und selbst ohne Ausnahme authentisch sein. So schafft man eine angenehme Gesprächsatmosphäre und kann nachhaltig Kontakte knüpfen.“ Und das ist ihr Job. Seit zehn Jahren macht Mölling PwC ausgehend vom Standort Hannover im Mittelstand der „östlichen Niere Niedersachsens“ bekannt – nicht etwa als Marke, vielmehr verleiht sie dem Dienstleister für Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung ein Gesicht.
Einer aus 270.000
„Mittelständische Unternehmer arbeiten mit niemandem zusammen, den sie nicht persönlich kennen. Wir haben in Deutschland aber 12.000 und weltweit sogar mehr als 270.000 Mitarbeiter. Ich bin deshalb die Kontaktperson, die für jedes Anliegen den richtigen Experten findet und zwischen ihm und unserem Mandanten vermittelt“, erklärt Mölling. Bei kniffligen Fragestellungen schaffe sie es, innerhalb von drei Tagen einen passenden Ansprechpartner zu finden. „Das ist die längste Zeit, die ich brauche“, sagt Mölling selbstbewusst. Knifflig sind die Anliegen insbesondere dann, wenn sie kulturelle Unterschiede berühren. „Meiner Erfahrung nach wird ein Problem aufgrund der kulturellen Unterschiede immer schwieriger, je weiter es in Richtung Asien verlagert ist.“ Hat einer ihrer Mandanten ein rechtliches Problem im Ausland, steht Mölling das weltweite PwC-Netzwerk mit Landesgesellschaften in 157 Ländern und 90 German Business Groups, die im Ausland auf die Beratung deutscher Unternehmen spezialisiert sind, zur Verfügung. „Ich glaube, das ist ein echter Wettbewerbsvorteil, den wir in den Mittelstand einbringen. Denn der ist heute längst nicht mehr regional, sondern international.“
Der Weg zu familiengeführten und mittelständischen Unternehmen
Dass PwC heute überhaupt so aktiv im Bereich Familienunternehmen und Mittelstand ist, verdankt das Unternehmen zweierlei Entwicklungen, die Hand in Hand miteinander gehen. Denn als die im Jahr 2011 in Folge der Finanzkrise von der Europäischen Kommission angeregte Grünbuch-Diskussion um strengere Regeln für Wirtschaftsprüfer in einer Reform der Abschlussprüfung mündet, hat das weitreichende Folgen.
Rotation von Mandanten soll mehr Bewegung in den Prüfungsmarkt bringen. Das heißt, dass nach mehr als 70 Jahren Prüfung die Volkswagen AG und die Salzgitter AG abgegeben werden müssen. „Mit Beginn der Grünbuch-Diskussion war mir klar, dass unsere Situation im Markt eine andere wird. Wir wurden bis dahin oft noch nicht als Berater des Mittelstands wahrgenommen, dies wollten wir aktiv ändern.“ Aus dieser Situation heraus entsteht Möllings heutige Position.
„Ich hätte nie gedacht, dass das, was ich jetzt mache, überhaupt möglich ist – dass man sich in einer Firma, die sehr klare Regeln und Strukturen hat, ein neues Tätigkeitsfeld aufbauen und einen Rahmen gestalten kann, innerhalb dessen man sich ziemlich frei bewegen kann.“ Das bestärkt sie auch in ihrem Credo: Einfach mal machen. Insbesondere Frauen folgten dieser Devise viel zu selten, bemängelt sie und appelliert für mehr Selbstbewusstsein. „Manchmal muss man einfach machen – und authentisch sein. Als meine Tochter klein war, bin ich mit dem Kinderwagen zum Nachmittagsmeeting gegangen. Ich wusste, sie schläft und habe es ausprobiert. Und es hat geklappt.“ Ohnehin neigten Frauen zu Perfektion. Das bremse sie in vielen Situationen. „Ein Mann sagt bei 20 Prozent Know-how, ich rocke das Ding schon. Frauen wollen lieber 100 Prozent oder wenigstens 90 beherrschen. Das kann man lernen. Ich kenne auch solche Situationen, in denen ich mir sage, mein Gott, mach’s halt, es wird schon nicht so schlimm.“ Sie lacht.
Effizienz trotz Antipathie
Ihrem eigenen Leitsatz folgend, ruft sie auch vor vier Jahren gemeinsam mit Kerstin Borchardt, Vorständin der BRW Finanz AG, das Netzwerk Forum Frauen Wirtschaft ins Leben, das sich gleichermaßen an regionale Unternehmerinnen wie Entscheiderinnen in Angestelltenverhältnissen richtet. Insgesamt 200 Frauen stehen in ihrem Netzwerk-Verteiler, 80 davon seien zur letzten Veranstaltung angemeldet gewesen. „Frauen netzwerken anders als Männer“, sagt Mölling. „Männer vernetzen sich seit ewigen Zeiten effizient, im wirtschaftlichen Sinne. Das müssen wir Frauen noch üben. Wenn sich Frauen nicht mögen, arbeiten sie nicht gut miteinander. Können sich Männer nicht leiden, arbeiten sie in der Sache trotzdem miteinander.“ Da klingt es nur logisch, dass sich folglich auch Frauen- von Männernetzwerken unterscheiden. Seit einiger Zeit stellt Mölling aber Veränderungen in den Frauennetzwerken fest: Sie werden mutiger, teilen Ideen, finden Mitstreiterinnen, machen Business miteinander und möglicherweise entstehen Freundschaften. So wundert es nicht, dass das eine oder andere Get-together auch bei Mölling zuhause auf der Terrasse stattfindet. Ihr letzter Gast sei die Unternehmerin Bettina Klier gewesen, verrät sie. „Es muss beim Netzwerken nicht immer nur um Berufliches gehen. Ich koche dann etwas, wir essen gemeinsam und lernen uns besser kennen.“
20 Prozent Banker
„Ich habe es neulich einmal für mich durchdekliniert. Mich hat schon immer der Mensch angetrieben“, sagt die Wolfenbüttelerin und reflektiert ihren bisherigen Werdegang. Nach einer Bankenlehre und einem Betriebswirtschaftsstudium in Tübingen arbeitet sie zehn Jahre im Private Banking, zuletzt bei der HypoVereinsbank in Hamburg. „Dort habe ich wohlhabende Menschen beraten, die ihr Geld meistens in Unternehmen verdienten. Bis ich irgendwann genau verstehen wollte, wie meine Kunden ihre Millionen, die sie bei mir anlegen, verdienen und was sie antreibt.“ Gesagt, getan – Mölling wechselt vor 20 Jahren zu PwC und zieht nach Stuttgart. Im Nachgang betrachtet sei das ihre schwierigste berufliche Entscheidung. „Das war ein strategischer Entschluss für mich, aber persönlich der schwierigste. Hamburg war für mich immer eine Stadt mit ganz großem Charme. Mit Stuttgart bin ich nie wirklich warm geworden. Und wer zehn Jahre lang Banker war, an dem bleibt das immer ein wenig hängen.“ Wie viel Banker heute noch in ihr steckt? „Etwa 20 Prozent“, sagt sie und lacht. Es sei das Konservative – aber das habe die Wirtschaftsprüfung auch so an sich, merkt sie mit einem Augenzwinkern an.
Wenn die Netzwerkerin dann doch einmal keine Menschen um sich haben möchte, findet sie Ausgleich auf dem Wasser und segelt mit ihrem Katamaran über die Nordsee. Oder sie tobt sich in ihrem Garten aus, in dem sie allerhand Gemüse und Obst angebaut hat. „Hier möchte ich alt werden. Ich habe die Welt gesehen, habe mir Deutschland angeschaut und komme doch immer wieder zurück in meine Heimat Wolfenbüttel.“ Ob sich Mölling vorstellen könnte, auch die nächsten 20 Jahre noch in ihrem Job zu bleiben? „Bis dato hat mir PwC genügend Herausforderungen gegeben und ich konnte mich immer weiterentwickeln. Routine und Langeweile sind nicht meins. Wenn ich meine Kreativität irgendwann nicht mehr im Markt ausleben kann, muss ich mir etwas Neues überlegen.“ Dann wird sie ihr Netzwerk anknüpfen und einfach mal machen.