7. Dezember 2021
Entscheider

„Wir wollen dort sein, wo das Geschäft von morgen ist“

20 Jahre Volkswagen Group Services: Das sind rund 12.000 Mitarbeiter:innen in ganz Europa. Der Hauptsitz ist nach wie vor Wolfsburg, dabei ist die dort ansässige Konzernmutter längst nicht mehr der einzige Kunde. Wir sprachen mit Hartmut Rickel, Sprecher der Geschäftsführung, über Loyalität, Transformationsdruck und die nächsten 20 Unternehmensjahre.

Hartmut Rickel ist Teil der Geschäftsführung der Volkswagen Group Services. Foto: Stephanie Joedicke

Herr Rickel, herzlichen Glückwunsch zu 20 Jahren Volkswagen Group Services. Haben Sie schon gefeiert?

Vielen Dank! Wir hätten gerne eine große Party gefeiert, aber die Corona-Vorschriften lassen das derzeit nicht zu. Deshalb haben wir vereinzelt Projekte gestartet. Im Mittelpunkt steht unsere Pflanzaktion, bei der wir insgesamt 22.317 Bäume im Harz pflanzen werden – 1.000 Bäume für jedes Jahr, die übrigen
haben wir über eine Laufchallenge zusammengetragen.

Wann werden Sie die Bäume pflanzen und sind Sie selbst dabei?

Aber selbstverständlich! Geplant war die Aktion für den 4. November, musste wetterbedingt
aber leider auf Frühjahr 2022 verschoben werden.

Ein Geburtstag ist Anlass für einen Rückblick. Wie hat sich das Unternehmen in den vergangenen Jahren gewandelt? Was waren Meilensteine?

Ich glaube, die großen Überschriften fangen direkt am Anfang an.

Bei der Gründung der AutoVision …

Damals herrschte eine hohe Arbeitslosigkeit in der Region. Neben der Wolfsburg AG sollte mit Gründung der Auto-Vision GmbH 2001 Beschäftigung in der Region, aber auch an weiteren Volkswagen-Standorten generiert und gesichert werden. Das Zeitarbeitsgeschäft spielte dabei eine große Rolle. Doch ich denke, die Trennung von diesem Zweig 2017 war einer der wichtigsten Grundsteine
für die Neuausrichtung der früheren AutoVision.

In dieser Zeit erfolgte auch die Umbenennung der AutoVision GmbH in Volkswagen Group Services GmbH …

Und wir sind mittlerweile eine hundertprozentige Konzerntochter geworden, die nicht nur den Auftrag hat, Volkswagen mit dem Dienstleistungsgeschäft zu versorgen.

In der Außenwahrnehmung geht das auch gerne einmal unter, oder?

Absolut. Dabei ist Volkswagen auch nicht gleich Volkswagen. Es gibt die klassischen Standorte, an denen Autos gebaut werden, aber beispielsweise auch die Konzernstellen oder inzwischen die Cariad, die die Softwarekompetenzen des Konzerns bündelt und ausbaut. Unser Spektrum an Kunden ist breit gefächert. Neben den Hauptkunden der Marken Volkswagen, wie beispielsweise Audi, Volkswagen Nutzfahrzeuge oder Seat, sind wir mit Škoda momentan in Gesprächen.

Können Sie uns Näheres verraten?

Wir wollen mit Škoda in Tschechien das klassische Portfolio aufziehen, das wir auch hier für die Marke Volkswagen bedienen. Am stärksten wächst derzeit aber ein ganz anderer Geschäftsbereich, nämlich die Beratung und das Consulting. Die Nachfrage nach allem, was mit Transformation und Prozessanalysen
zusammenhängt, ist unglaublich hoch. In enger Zusammenarbeit mit der Volkswagen Consulting bauen wir das Feld weiter aus.

Wie sehen Ihre Unternehmensziele demnach konkret aus?

Wir wollen der kompetente Dienstleister im Volkswagen-Konzern sein – über die komplette Bandbreite des Geschäfts. Der Konzern bewegt sich gerade breit und herausfordernd nach vorne – Stichwort Elektromobilität, Ladeinfrastruktur, Batterietechnik – und dort werden viele Services benötigt. Deshalb suchen wir verstärkt Partnerschaften mit den einzelnen Konzernbereichen und Marken, um ganz aktiv unseren Fußabdruck zu hinterlassen.

Auf Ihrer Homepage heißt es: Wir sind die treibende Kraft und helfende Hand im Volkswagen-Konzern.

Das ist so. Wir sind auch aufgrund unseres vielfältigen Spektrums schnell in der Lage, flexibel und agil Dienstleistungen von heute auf morgen anzubieten.

Betrachtet man die Transformation Volkswagens, könnte der Eindruck entstehen, dass vielmehr der Konzern als treibende Kraft Druck auf seine Töchter ausübt. Wie sieht ihr Verhältnis zueinander aus?

Das ist ein Geben und Nehmen. Die Neuausrichtung des Konzerns bedeutet für uns ein Umdenken in vielen Facetten und neue Know-how-Ausprägungen. Unsere Antwort darauf ist die Strategie „Create 2025“, mit der wir auf diese Herausforderungen reagieren und uns außerdem auf absehbare zukünftige Kundenbedürfnisse ausrichten. Wir müssen uns ständig weiterentwickeln und schauen, wie wir besser werden können. Und dann bin ich wieder bei der Frage, wer denn wen treibt, denn wir können unserem
Auftraggeber sagen, wie es besser gehen könnte und wie wir gemeinsam Effizienzen, Synergien und mehr PS auf die Straße bringen. Das ist eine strategische Partnerschaft.

Wer hat am Ende das Sagen?

Das könnte ich mir jetzt einfach machen. No honey, no money. Wer das Geld hat, sitzt am Ende des Tages am längeren Hebel (lacht). Andererseits, wenn man zusammen und auf Augenhöhe arbeitet, das Business strukturiert und sich gegenseitig Leistungsparameter definiert, kann es dabei nur Gewinner
geben.

Einen gewissen Druck durch die Neuausrichtung Volkswagens dürften Sie trotzdem verspüren, oder?

Das kommt live und in Farbe eins zu eins hier an. Das Dienstleistungsgeschäft ändert sich, der Konzern baut eine Batteriefabrik und drumherum gibt es unglaublich viele Gewerke. Da müssen wir schnell sein. Deshalb sitzen in den einzelnen Geschäftsfeldern Mitarbeiter:innen, die den Umbau in den Konzernkreisen hautnah begleiten können. Wir wollen dort sein, wo das Geschäft von morgen ist.

Wollen oder müssen?

Müssen. Das ist eine gute Vokabel. Wir müssen dabei sein, ansonsten sind die Themen Nachhaltigkeit und zukunftssichere Arbeitsplätze immer wieder angreifbar.

Geht mit dieser Transformation ein Verlust von Arbeitsplätzen einher?

Wir müssen schauen, wie arbeitsintensiv die Produktion von Fahrzeugen, Aggregaten und E-Maschinen ist und welche Wertschöpfung daran hängt. Insofern wird das für uns die eine oder andere Auswirkung haben. Aber wir haben bereits viele Instrumente definiert, um das abzufedern.

Können Sie das konkretisieren?

Wir haben ein Team gebildet, das Mitarbeiter:innen begleitet, die sich qualifizieren müssen, weil ihre Arbeitsplätze wegfallen. Darauf bin ich verdammt stolz, denn das passiert bei uns von innen heraus und ist nicht extrinsisch motiviert. Da sind wir schnell – und ich hoffe, dass sich die Mitarbeiter:innen auch mitgenommen fühlen.

Haben Sie ein aktuelles Beispiel für uns?

Das Werk in Wolfsburg möchte größere Dienstleistungen in Zukunft wieder selbst machen. Das betrifft um die 100 Arbeitsplätze im Bereich der Logistik. Einen Großteil dieser betroffenen Arbeitsplätze haben wir bereits transformiert und die Mitarbeiter:innen schon einen festen neuen Arbeitsplatz. Bis zum Jahresende sollen die restlichen Mitarbeiter:innen folgen. Das ist keine Marketingshow, wir meinen das wirklich ernst: Wir wollen alle Mitarbeiter:innen mitnehmen und bislang – toi toi toi – klappt das sehr gut.

Die Neuausrichtung des Konzerns bedeutet für Sie im Umkehrschluss bestenfalls also nur Schulungsbedarf?

Wenn ein E-Auto mit weniger Komplexität als ein Verbrenner gebaut wird, hat das am Ende des Tages Auswirkungen auf die operative Werklogistik. Vielleicht sind es am Ende fünf oder zehn Prozent weniger Mitarbeiter:innen, aber das bekommen wir gut hin. Allein, dass wir die Dienstleistungen auch in
Zukunft anbieten können, zeigt doch unsere Kompetenz.

Wie bewerten Sie die Entscheidung Ihrer Konzernmutter, sich vollständig auf Elektromobilität auszurichten?

Ich glaube, dass dieser Kurs alternativlos ist. Ich persönlich denke aber, und so sind wir in unseren Geschäftsfeldern unterwegs, dass man auf Sicht fahren muss, damit man auch den klassischen Kunden nicht verliert. Insofern ist das eine absolut spannende Zeit.

Wird das die große Herausforderung der Volkswagen Group Services gewesen sein, wenn wir in zehn oder 20 Jahren erneut zum runden Geburtstag gratulieren?

Definitiv. Wir werden in zehn Jahren mit Sicherheit ein anderes Dienstleistungsspektrum haben als noch vor zwei Jahren, zumindest hinsichtlich der Ausprägung und der fachlichen Anforderung.

Was würden Sie sagen, welche Bedeutung hat die Unternehmenshistorie heute noch für Sie?

Das ist unsere DNA. Ganz am Anfang war ich nicht dabei, aber ich habe, seit ich Ende 2017 hierhergekommen bin, erlebt, wie stark die Identifikation der Mitarbeiter:innen mit dem Unternehmen ist. Egal ob Umbenennung, die Umstellung des Corporate Designs von Grün auf Petrolblau oder die neuen Anforderungen durch zunehmend wettbewerbsorientierte Dienstleistungen – die Mitarbeiter:innen sind Feuer und Flamme. Ich betrachte das auch immer als eine Art Wettkampf.

Wie meinen Sie das?

Wer Sport macht, will gewinnen. Und wenn ich vorlebe, dass wir gemeinsam gewinnen wollen, spielen alle einen Schritt schneller mit.

Wo werden wir Sie in 20 Jahren antreffen?

Nicht mehr im Unternehmen (lacht). Ich bin jetzt 56, ein paar Jahre habe ich noch und auch Spaß an der Arbeit. Ich komme dann zum 40-jährigen Geburtstag als Gast – mit Stock oder Rolli (lacht).

Gibt es persönliche Ziele, die Sie in den nächsten Jahren unbedingt erreichen wollen?

Mir muss es gemeinsam mit meinem Kollegen Thorsten Falk gelingen, die aktuelle Aufbruchstimmung zu fördern und unternehmerisch zu nutzen – keine Angst vor der Zukunft zu haben, mutig zu sein, selbstbewusst die Dienstleistungen zu erbringen. Und wenn ich das regelmäßig in unseren internen Veranstaltungen erlebe oder Lob von Kunden bekomme, dann ist das für mich Motivation genug, nicht nachzulassen.

Auch interessant