2. Juni 2023
Entscheider

Jörn Pache: „Tourismus geht nur gemeinsam“

Seit 2017 ist Jörn Pache Geschäftsführer der Südheide Gifhorn GmbH

Jörn Pache, Geschäftsführer der Südheide Gifhorn GmbH. Foto: Gesa Lormis

Seit 2017 ist Jörn Pache Geschäftsführer der Südheide Gifhorn GmbH. Die gemeinschaftliche Tochter der Städte Gifhorn und Wittingen, des Landkreises, aller Samtgemeinden, der Gemeinde Sassenburg und des DeHoGa Kreisverbands Gifhorn kümmert sich um die touristische Vermarktung des Landkreises. Als Südtor zur Heide hat die Region starke touristische Nachbarn. Und Ideen, sich selbst zu präsentieren.

Herr Pache, was ist für Sie Heimat?
Da sehe ich zwei Seiten. Als Touristiker gesehen, ist das natürlich Gifhorn, hier lebe und arbeite ich seit 2007. Auf der anderen Seite habe ich auch noch Heimatgefühle für die Region, in der ich aufgewachsen bin: Schneverdingen.

Beides Heide-Regionen …
Genau, das ist schon ein verbindendes Element.

Was hat Sie nach Gifhorn geführt?
Der Job. 2007 habe ich nach Ausbildung und Studium bei der Südheide Gifhorn GmbH als Fachkraft für Touristik angefangen und nach zehn Jahren die Geschäftsführung übernommen.

Welche Aufgaben hat die GmbH?
Wenn man es in einem Satz sagen möchte: Die Förderung des Tourismus. Wir sind aber nicht diejenigen, die Freizeit-Attraktionen oder Fahrradwege bauen. Unsere Aufgabe ist es, dass Gäste in den Landkreis Gifhorn, in die Südheide, kommen und ihn erleben.

Haben Sie ein Beispiel dafür, was Sie machen?
Das ist sehr vielfältig. Das beginnt bei typischen Marketingaktivitäten, wie Prospekte zu den touristischen Angeboten und der Vermittlung von Unterkünften: Ferienwohnungen, Pensionen, Hotels, und so weiter. Dazu betreiben wir Touristinfos in der Stadt Gifhorn und der Stadt Wittingen. Der Landkreis ist einfach sehr groß, da bieten sich zwei Standorte an. Die Webseite ist ebenfalls eine unserer Aufgaben, die wird immer wichtiger. Manchmal sind wir auf Messen unterwegs, außerdem engagieren wir uns als Mitglied in Kooperationen wie der TourismusRegion BraunschweigerLand – da bin ich Vorstandsvorsitzender – oder bei About Cities, einer niedersächsischen Städtekooperation mit 17 weiteren Kommunen. Im Landkreis sind wir in den Lenkungsgruppen von zwei Leader-Regionen.

Wo sind denn die Grenzen der Südheide?
Das ist der Landkreis Gifhorn. Wir als GmbH vermarkten das Gebiet unserer Gesellschafter, also von den Städten Gifhorn und Wittingen, dem Landkreis sowie den Samtgemeinden und der Gemeinde Sassenburg. Zusätzlich kommt noch der DeHoGa-Kreisverband dazu.

Gibt es denn einen Unterschied zwischen der Südheide GmbH und dem Naturpark Südheide?
Ja, die haben nicht viel miteinander zu tun.

Aber das ist die gleiche Fläche?
Nein, der Naturpark Südheide gehört zum Landkreis Celle. Dort gibt es seit einigen Jahren auch eine Gemeinde, die sich den Namen Südheide gegeben hat. Südheide ist kein geschützter Begriff. Aber da wir geografisch zur Lüneburger Heide gehören und uns als Südtor zur Heide bezeichnen, hat man der GmbH bei der Gründung 2006 die Südheide mit in den Namen genommen.

Der Harz liegt seit einer Weile bei Urlaubern im Trend. Wie ist es mit der Südheide: Hat sie ebenfalls Trendpotenzial?
Der Wunsch ist auf jeden Fall da. Verglichen mit dem Harz, zu dem mehrere Landkreise und sogar Bundesländer gehören, sind wir allerdings eher klein. Deswegen ist es wichtig, dass wir mit benachbarten Regionen zusammenarbeiten, uns gemeinsam vermarkten – zum Beispiel als Braunschweiger Land. Aber eines unserer Alleinstellungsmerkmale ist das Thema Fahrrad! Viele Leute kommen extra hierher, um Fahrradausflüge zu machen.

Passenderweise wollen wir wissen, wer der typische Heidebesucher ist.
Da müssen Sie zwischen Übernachtungsurlaubern und Tagesbesuchern unterscheiden. Von letzteren haben wir sehr, sehr viele und sie bringen einigen Umsatz in die Region. Wenn Sie die Urlauber betrachten: Da wächst gerade die Gruppe derjenigen, die mit ihrem Fahrrad in den Landkreis reisen. Die gehören eher in die Altersklasse Ü50. Es kommen aber auch immer mehr Familien, die unsere großen Seen – Bernsteinsee und Tankumsee – ansteuern. Die profitieren von den relativ günstigen Unterkunftspreisen, die es bei uns gibt.

Was erwarten die Gäste von Gifhorn?
Die Tagesurlauber kommen ungefähr aus einem Umkreis von 100 Kilometern; entweder für einen Besuch im Otter-Zentrum, im Mühlenmuseum oder in einem der zahlreichen Museen wie das Historische Museum im Schloss Gifhorn oder das Museum Burg Brome. Viele sind mit dem Fahrrad unterwegs, möchten schwimmen oder wandern. Gerade zur Heideblüte ist das beliebt. Deswegen sind gute Fahrrad- und Wanderwege, die passende Ausschilderung und gute Karten immer wieder ein Thema. Zusammengefasst: Natur und Kultur.

Wo Sie schon das Mühlenmuseum erwähnen: Auf dem About-Cities-Portal ist einmal von 15, dann wieder von 16 Mühlen die Rede. Wie viele Mühlen gibt es denn nun in Gifhorn?
Stimmt, das schaue ich mir noch einmal an. Im Mühlenmuseum sind es 13, in der Stadt gibt es noch die Schottische Hochzeitsmühle und die Cardenapmühle, also insgesamt 15.

… und im Landkreis?
Das hat noch keiner gezählt! Viele… aber nicht alle sind in gutem Zustand, nur wenige können besichtigt werden. Da ist das Mühlenmuseum praktischer.

Wie geht es da eigentlich weiter?
Im Glockenpalast hat gerade ein Motorrad-Museum eröffnet. Das Mühlenmuseum nebenan war jetzt eineinhalb Jahre geschlossen, aber die Wiedereröffnung zu Pfingsten steht fest. Die Stadt hat es 2022 übernommen und schneller als erwartet einen Betreiber, Vision & Trust, gefunden. Seitdem ist auf dem Außengelände einiges passiert, es gab Sanierungsarbeiten und ein paar Änderungen.

Inwiefern?
Die Gastronomie war schon immer ein wichtiger Bestandteil. Zum neuen Konzept gehört, dass viel mit regionalen Zutaten und Produkten gearbeitet wird und Sie nicht mehr das Museum besuchen müssen, um das Angebot zu genießen: Die Gastronomie ist auch von außen zugänglich. Unter anderem gibt es einen neuen Biergarten direkt an der Ise. Außerdem gibt es einen kleinen Dorf- und einen Mühlenladen – das Gelände soll einfach einen Mehrwert für die Gifhornerinnen und Gifhorner darstellen, über das Museum hinaus.

Stimmt: In den 90er-Jahren ist man aus der Region hingefahren, dann verlor es seinen Reiz, alles war bekannt.
Das haben die neuen Betreiber auf dem Schirm und wollen regelmäßig Aktionen anbieten, auch für Kinder.

Haben Sie gemerkt, dass das Museum zu war?
Ja! Wir haben das Telefon zu uns in die Touristinformation umgeleitet und es gab oft Nachfragen, wann es wieder aufmacht, wann es weitergeht. Entsprechend gibt es hohe Erwartungen an die neuen Betreiber.

Von wie vielen Besuchern gehen Sie aus?
In den vergangenen Jahren waren es etwa 60.000 jährlich. Aber da ist Potenzial für mehr.
Und die Vermarktung liegt dann ausschließlich bei den Betreibern? Oder macht die Südheide GmbH auch Werbung?
Wir machen Werbung für das touristische Angebot und dazu gehört das Mühlenmuseum. Es wird also, im Rahmen unserer Möglichkeiten, auch durch uns vermarktet. Aber den Hauptteil der Öffentlichkeitsarbeit leisten die Museumsbetreiber selbst.

Um nicht nur um über das Mühlenmuseum zu sprechen: Spielt die Deutsch-Deutsche-Teilung, Gifhorns Zeit als Grenzland, für die Vermarktung noch eine Rolle?
Immer mehr. Bei der Beschilderung der neuen Rad- und Wanderwege haben wir das Grüne Band und den Iron-Curtain-Trail, der sich durch ganz Europa zieht, mit aufgenommen. Es gibt auch Grenzland-Führungen. Der Drömling ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Immer mehr Menschen suchen dort Übernachtungsmöglichkeiten und gastronomische Angebote.

Gibt es dabei Konflikte mit dem Naturschutz?
Das erfordert einiges Fingerspitzengefühl, wir wollen ja nicht alle mit ihren SUV in den Drömling oder quer durch die Heide leiten. Daher ist es wichtig, die Menschen dafür zu sensibilisieren, auf den Wegen zu bleiben – und diese gut auszuschildern.

Nutzen die Südheide-Urlauber den öffentlichen Nahverkehr?
Erhebungen dazu gibt es nicht. Wir sehen aber schon, dass gerade die Besucher der Stadt Gifhorn auch mit dem Zug kommen. In den ländlicheren Ecken, dazu gehören auch das Otterzentrum in Hankensbüttel oder der Heilige Hain, wird es etwas schwieriger. Deutlicher ist, dass wir viele Besucher haben, die den gesamten Aller- oder Weser-Harz-Heide-Radfernweg fahren und auf ihrem Weg den Landkreis durchqueren. Die brauchen entsprechend gut erreichbare, flexible Unterkünfte mit sicheren Abstellmöglichkeiten.

Wie beurteilen Sie die Ladeinfrastruktur für E-Pkw in Gifhorn?
Das wird immer wichtiger, auch als Herausstellungsmerkmal für die Unterkünfte. Aber derzeit würde ich sagen, dass wir im Landkreis noch mehr Ladepunkte brauchen.

Wie sind Sie unterwegs?
In der Stadt reicht das Fahrrad, aber der Landkreis ist groß. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als hin und wieder das Auto zu nehmen – die elektrische Version ist bestellt. Wenn es sich anbietet, zum Beispiel wenn ich nach Hannover muss, nehme ich den Zug.

Gibt es eigentlich Analysen bezüglich der Auswirkung der Corona-Pandemie auf die Freizeitangebote in Gifhorn?
Seit 2022 erholen sich unsere Gästezahlen wieder. Insgesamt haben wir noch nicht das Niveau von 2019 erreicht, aber im vergangenen Sommer hatten wir überdurchschnittlich viele Besucher. Was wir beachten müssen, ist, dass in unseren Zahlen auch Geschäftsreisende enthalten sind. Bei denen ist die Reisebereitschaft seit der Pandemie gesunken. Vieles läuft mittlerweile digital und die Betriebe müssen diesen Verlust auffangen.

Gibt es dafür Beispiele?
Die großen Hotelbetriebe, zum Beispiel am Tankum- und am Bernsteinsee, die sonst auch viele Geschäftsreisende beherbergen, richten sich stärker auf Familien und andere Zielgruppen aus. Sie investieren viel und werten ihre Angebote für Urlauber auf.

Da gibt es doch auch diesen einen Kletterturm …
Genau, in Isenbüttel am Tankumsee.

Was ist für Sie eher eine Messlatte für den Tourismus: Klasse oder Masse? Muss es immer Attraktionen geben?
Das muss jeder Anbieter selbst wissen und seine Zielgruppe im Blick behalten, das möchte ich nicht beurteilen. Für das Mühlenmuseum gab es lange Zeit die Linie, dass es kein Disneyland werden soll und da ist, denke ich, auch etwas dran. Massenabfertigung passt nicht zu uns.

Also ist Gifhorn bodenständig?
Ja, so könnte man es beschreiben.

Wenn Sie jemanden kennenlernen, der oder die noch nie in Gifhorn war: Was empfehlen Sie, was muss man unbedingt sehen?
Demnächst soll hier um die Ecke, im Mühlenquartier, eine Skybar auf einem ehemaligen Getreidesilo eröffnen – die werde ich sicher mit Gästen besuchen. Das Panorama-Café im Wasserturm, das höchste Café der Heide, ist ebenfalls einen Besuch wert. Was ich auch mag, ist ein frühmorgendlicher Spaziergang in der Heide. Wer Glück hat, trifft dann den Schäfer mit seinen Heidschnucken. Und klar: Mühlenmuseum und Otterzentrum zählen zu den Ausflugsklassikern.

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