Aus Wolfenbüttel heraus herrschten einst die Herzöge über das Braunschweiger Land. Heute gibt es in der Lessingstadt zahlreiche Unternehmen, die mit ihren Produkten den Weltmarkt beherrschen – oder zumindest erfolgreich international unterwegs sind. Mehrere Neubau-Projekte zeigen, dass der Wirtschaftsstandort Wolfenbüttel für die Zukunft gut aufgestellt ist.
„Der Landkreis Wolfenbüttel liegt in einer der wirtschaftsstärksten Regionen Niedersachsens. Er profitiert von der räumlichen Nähe zu international agierenden Unternehmen.
Im Landkreis Wolfenbüttel haben wir einen gesunden Branchenmix“, erklärt die Landrätin Christiana Steinbrügge. Sie verweist ebenfalls auf die vollen Auftragsbücher im Baugewerbe, auch weil viele Wolfenbütteler Unternehmen sich vergrößern wollen.
Die Beschäftigung insgesamt habe in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen. „Das ist eine gute Ausgangslage für die Betriebe und Beschäftigten im Landkreis“, so Steinbrügge. Gut aufgestellt sei der Landkreis zudem bei der flächendeckenden Breitbandversorgung. „Wir haben schon früh aus eigener Initiative in den Ausbau investiert. Damit bietet der Landkreis gute Voraussetzungen für die Anforderungen der Unternehmen“, teilt die Landrätin mit.

Zudem können sich für ländliche Kommunen neue wirtschaftliche Chancen eröffnen, wenn z. B. Arbeitnehmer im Home-Office oder im Coworking „auf dem Dorf“ bleiben können. Oder wenn kreative Köpfe bewusst die Ruhe auf dem Land suchen, weil der Kontakt mit Kunden und Kollegen auch über das Internet erfolgen kann.
Stadt und Landkreis unterstützen mit ihrer Wirtschaftsförderung die Unternehmen, etwa bei der Akquise von Fördermitteln oder in Sachen Existenzgründung und Unternehmensnachfolge. Und mit der Ostfalia gibt es eine Hochschule vor Ort, die Wissen und Technologie in Unternehmen und Gesellschaft transferiert. Im Fokus stehen nicht nur technische Innovationen, sondern auch soziale, etwa zur Verbesserung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum.
Weltweite Nischen
Die Lessingstadt ist bekannt für Marken und Produkte, die aus einer kleinen Nische stammen, aber darin weltweit erfolgreich sind. Das bekannteste Beispiel dafür ist sicherlich der Kräuterlikör-Hersteller Jägermeister. Andererseits hat der Schnaps wohl bereits die Schwelle überschritten, unter der man als Nischen-Fabrikant unterwegs ist. Die Mast-Jägermeister SE hat erst in diesem Frühjahr die Abfüllung ihres Kräuterlikörs der Standorte Wolfenbüttel und Wolfenbüttel-Linden gebündelt. Mehr als 13 Millionen Euro flossen in dieses zweijährige Relocation-Projekt. Damit einhergehend wurden die Abfülllinien im Jägermeister-Werk in Linden von zwei auf vier Linien aufgestockt. Zusätzlich hat das Familienunternehmen ein neues Tanklager und ein neues Sozialgebäude, unter anderem mit einer neuen Kantine für die Mitarbeiter, errichtet. „Wolfenbüttel ist unsere Heimat. Mit den getätigten Investitionen haben wir den gesamten Produktionsablauf optimiert und gleichzeitig die Wurzeln unseres Traditionsunternehmens gestärkt“, sagte Michael Volke, Vorstandsvorsitzender der Mast-
Jägermeister SE.

Das zweite große Beispiel für die weltweite Marktbeherrschung aus Wolfenbüttel in einer Nische heißt MKN. Die Großküchen des Unternehmens stehen auf der Inventarliste unzähliger Top-Hotels auf der ganzen Welt und werden auch vorzugsweise in Luxus-Kreuzfahrtschiffen verbaut. 60 Prozent des Umsatzes generiert der Profiküchenhersteller im Ausland. Das internationale Geschäft sorgt für Wachstum. Auch MKN investiert in den Standort an der Halberstädter Straße. 25 Millionen Euro habe MKN in neue Gebäude, darunter neben einer Produktionshalle auch ein neues Sozialgebäude sowie ein 140 Meter langer Tunnel zur Tiefgarage, und Maschinen investiert. Acht weitere Millionen fließen in diesem Jahr in technische Verbesserungen.
Neben diesen „Großen“ gibt es auch einige kleinere Namen, deren Produkte und Dienstleistungen ebenso Weltbedeutung haben. Dazu zählt zum Beispiel die Firma GeneXplain. Das Bioinformatik-Unternehmen vertreibt weltweit Zugang zu seiner Plattform – dabei handelt es sich um eine Datenbank und Software, die genetische Daten beinhalten und das Handwerkszeug, um diese wissenschaftlich zu nutzen und auszuwerten. Diese Plattform ist das Hauptprodukt der Firma. Zu den Kunden zählen zahlreiche renommierte Forschungseinrichtungen – beispielsweise die Harvard-Universität, Stanford oder die Tokio Universität – und Konzerne aus den Bereichen der Lebenswissenschaft und der Medizin. Weltweit greifen Experten auf die Lösung aus Wolfenbüttel zurück und zahlen dafür Lizenz-Gebühren. Auch bei GeneXplain war eine Vergrößerung fällig. Die Firma zog Anfang des Jahres um und ist jetzt im Technologiegebäude 1 auf dem Innovations-Campus Am Exer beheimatet.

Das Geschäft mit der Datenbank läuft international blendend. Zudem ist die Firma, die vor rund zehn Jahren von Professor Dr. Edgar Wingender und Dr. Alexander Kel gegründet wurde, in zahlreichen wissenschaftlichen Projekten engagiert. „Wir haben unter anderem zahlreiche neue Drittmittel-Projekte, die auf den Austausch von internationalen Wissenschaftlern ausgerichtet sind“, erklärt Wingender. GeneXplain ist beispielsweise als einer von nur zwei deutschen Partnern Teil eines europaweiten Projekts, das sich mit der Entstehung von Parkinson auseinandersetzt. Vom Exer aus werten die Experten für computergestützte Analyse von Genen die umfangreichen Daten des „PD-Mito-QUANT“-Projektes aus.
Die Bioinformatik-Firma bezog Anfang des Jahres die verlassenen Räume eines anderen Wolfenbütteler Unternehmens, das weltweit eine beeindruckende Erfolgsgeschichte schreibt. Die C&S-Group zog Ende des vergangenen Jahres in ihren Neubau an der Schweigerstraße. Nach neun Monaten Bauzeit strahlt der Bau im Corporate Design des Unternehmens in gelb und blau. Rund zwei Millionen Euro hat die C&S Group am Standort investiert.
Das Unternehmen testet das Zusammenspiel von Komponenten in Automobilen, die über Kommunikationsprotokolle wie zum Beispiel den Ethernet-Standard verbunden sind. Zu den Kunden zählen fast alle namhaften Automobil-Hersteller und Zulieferer weltweit.
Gleich nebenan ebenfalls an der Schweiger Straße baut eine weitere innovative Firma ihren neuen Hauptsitz: die Pan Acoustics GmbH, die bereits seit neun Jahren in Wolfenbüttel elektronische Lautsprechersysteme entwickelt und produziert. Der bisherige Standort liegt gerade mal zwei Kilometer weiter nordöstlich, an der Lindener Straße. „Wir wachsen und wollen bewusst am Standort Wolfenbüttel bleiben, um weiterhin vor Ort als verlässlicher Arbeitgeber zu fungieren. Wir leben und produzieren nach dem Credo „Made in Wolfenbüttel/Germany“, sagt Udo Borgmann, der vor 15 Jahren Pan Acoustics gründete und seitdem als Inhaber führt.

Zu den deutschlandweit bekannten Marken aus der Lessingstadt gehört auch das Touristik-Unternehmen „Schmidt-Reisen“. Dort setzt man bereits seit einigen Jahren auch auf das Konzept „Fliegen ab Braunschweig“. Dafür wurde in diesem Jahr eigens eine Tochtergesellschaft gegründet: die Momento GmbH, die ab 2020 durchstarten soll. Flüge gibt es dann nicht nur ab Braunschweig, sondern ab neun weiteren deutschen Regionalflughäfen. Philipp Cantauw ist Momento-Geschäftsführer und bleibt in Doppelfunktion Geschäftsführer der Reisebüro Schmidt GmbH.
Insbesondere in Büros ist eine weitere Wolfenbütteler Marke nahezu omnipräsent. Das Traditionsunternehmen Auerswald mit Sitz in Schandelah bei Cremlingen zeigt, dass „Made in Germany“ nicht nur machbar, sondern auch profitabel ist. Schwerpunkt des Familienunternehmens ist die Entwicklung, Produktion und Vermarktung moderner ITK-Systeme für VoIP-Infrastrukturen und klassische Telefonnetze. Ergänzt wird das Angebot durch SIP-Komforttelefone, IP-Systemtelefone, IP-DECT Multizellensysteme, Smartphone-Apps sowie Produkte für die Türkommunikation. Das von Christian Auerswald geführte Unternehmen entwickelt und produziert ausschließlich in Deutschland und beschäftigt an den Standorten Cremlingen, Hannover und Berlin über 170 Mitarbeiter.
Mittlerweile hat Auerswald die Transformation von einem nationalen Produktentwickler im ISDN-Bereich zu einem international agierenden Lösungsanbieter für IT-Kommunikationsprodukte erfolgreich absolviert. Künftig will das Unternehmen seine Positionierung auf den internationalen Märkten noch stärker forcieren. Mit hochwertigen IT-Produkten „Made in Germany“ wird die Expansion des Auslandsgeschäfts einer der zentralen Faktoren der Weiterentwicklung des ITK-Spezialisten sein.
Hochburg für Soziales
Zahlreiche innovative Start-Ups beginnen auf dem Campus am Exer im Nordosten der Stadt Wolfenbüttel. Außerdem beherrscht die Sozialbranche das ehemalige Kasernengelände. Nicht nur ist die Ostfalia-Hochschule mit ihrer Fakultät Soziale Arbeit vertreten – auch das Diakoniekolleg hat dort in den Umbau eines Gebäudes eine siebenstellige Summe investiert und bildet in sozialen und in Pflege-Berufen aus.
Die Mansfeld-Löbbecke-Stiftung baut ebenfalls in der Nähe zum Exer eine neue Schule und eine neue Hauptverwaltung gleich neben dem Hauptsitz der Lebenshilfe Helmstedt-Wolfenbüttel. Die Stiftung verlagert damit ihren Management-Standort aus Goslar nach Wolfenbüttel.

Der DRK-Kreisverband Wolfenbüttel ist schon seit vielen Jahren dort vertreten – etwa mit dem Inklusionsbetrieb Solferino, der als Kantine mittags die unterschiedlichsten Kundschaften anzieht oder mit dem ITZ. Jetzt hat das Rote Kreuz noch größere Pläne für den Nordosten Wolfenbüttels. Der Verband will seine neue Zentrale ebenfalls in unmittelbarer Exer-Nähe an der Mascheroder Straße errichten. Zwei Grundstücke sind bereits gekauft – insgesamt eine Größe 22.000 Quadratmetern. Zunächst soll ein Neubau entstehen – dort sollen die Verwaltung und die Behindertenhilfe einziehen. „Wir stehen sozusagen am Scheideweg“, berichtete DRK-Vorstand Andreas Ring. „Entweder wir bauen neu oder wir können keine weiteren Projekte mehr in Angriff nehmen, gerade in der Behindertenhilfe.“ Eine mehrjährige Suche nach geeigneten Bestandsgebäuden war erfolglos. Die Baumaßnahme läuft DRK-intern unter dem Titel „Exer 2020“ und soll im ersten Halbjahr 2020 starten. Das neue DRK-Zentrum soll das erwartete Wachstum in den nächsten 15 Jahren ermöglichen. Übergangsweise werden auch Räume verpachtet. Entsprechende Anfragen sind bereits eingegangen.

Gesellschaftlicher Katalysator
Die Schachtanlage Asse II und die radioaktiven Abfälle zählen nicht zu den positiven Standortfaktoren. Im Gegenteil. Das weiß auch der Bund und hat entschieden, dass die Region – als eine Art Nachteilsausgleich – eine jährliche Zuweisung von drei Millionen Euro erhält. Über die Verteilung und die Verwaltung entscheidet die im November 2015 vom Land Niedersachsen gegründete Stiftung Zukunftsfonds Asse.
Sie hat den Zweck, die Landesentwicklung im Landkreis Wolfenbüttel, insbesondere in den Dörfern rund um die Schachtanlage, zu fördern. Ein Jahr zuvor nahm die Zukunftsfonds Asse gGmbH als eine Art Übergangs- und Vorgängergesellschaft diese Aufgaben wahr. „Das wir eine Stiftung nach Landesrecht und keine private Stiftung sind, ist eine der Besonderheiten des Zukunftsfonds Asse“, erklärt Sven Volkers, Leiter der Stiftungsverwaltung. Das spiegelt sich auch in den Förderschwerpunkten wieder. Gefördert werden können Projekte aus sieben verschiedenen Bereichen, statt sich auf eine spezielle Richtung zu spezialisieren. Voraussetzung für die Förderung eines Projektes ist, dass es das Leben im Landkreis positiv beeinflusst. Neben Vereinen können auch Kommunen und Privatpersonen um eine Förderung bitten. „Kommunen können natürlich keine Sachen fördern lassen, die zu ihren Pflichtaufgaben gehören und private

Antragsteller müssen uns überzeugen, dass ihr Projekt einen gemeinnützigen Zweck und nicht nur ihre eigenen Interessen erfüllt – aber wenn das stimmig ist, kann einer Förderung durchaus zugestimmt werden“, erklärt Volkers. Dabei müssen sich die Antragsteller allerdings an das zweistufige Verfahren halten: In einem ersten Schritt, der Projektanfrage, kann eine formlose Projektskizze eingereicht werden, anhand derer die Vertreter des 15-köpfigen Stiftungsrates abstimmen ob ein Projekt förderfähig sein könnte. „Es gibt dafür einen Punktekatalog, anhand dessen die Förderwürdigkeit systematisch geprüft wird. Wenn das zuständige Gremium überzeugt ist, kann ein Projektantrag gestellt werden, über den erneut entschieden werden muss“, erläutert Volkers das Vorgehen.
Was erst einmal kompliziert klingt, hat seinen Sinn: Die Projektanfrage kann ohne großen Aufwand durch die Verantwortlichen erstellt werden. Stellen die ehrenamtlich agierenden Stiftungsräte bei einer ihrer Quartalssitzungen fest, dass das Projekt nicht zur Förderkulisse passt oder noch nicht ausgereift ist, können sie ablehnen, ohne dass die Anfragenden sich schon durch einen mehrseitigen formellen Antrag gearbeitet haben. „Wenn es nur kleine Ungereimtheiten oder nicht ganz zu Ende gedachte Details sind, die zur Ablehnung geführt haben, gibt es oft entsprechende Hinweise. Jedes Projekt hat eine zweite Chance verdient“, so Volkers. Von der Projektanfrage bis zur endgültigen Bewilligung oder Ablehnung dauert es ungefähr ein halbes Jahr.
Er sieht eine der Besonderheiten der Stiftung auch in der kontinuierlichen Förderung über das Jahr hinweg. Viermal im Jahr wird über die Anfragen und Anträge entschieden, die Projektverantwortlichen müssen daher nicht zwingend einen Stichtag einhalten. Dafür fehlt der Stiftung die Möglichkeit schon laufende Projekte zu unterstützen – sie ist an die Landeshaushaltsordnung von Niedersachsen gebunden. Das „Verbot des vorzeitigen Vorhabenbeginns“ soll das Land und damit auch die Stiftung Zukunftsfonds Asse davor schützen, dass Projekte ins Leben gerufen werden, die nur mit finanziellen Zuwendungen von ihnen beendet werden können. „Wir sind auch keine Stiftung, die in Notsituation schnell finanzielle Hilfen zuschießen kann. Unsere Förderung richtet sich an langfristig geplante Vorhaben“, räumt er ein. Aber durch die Netzwerkarbeit der Stiftungen im Raum Braunschweig können entsprechende Anfragen oft weitergereicht oder Hinweise auf andere Stiftungen gegeben werden.

Anders als andere Stiftungen bezieht der Zukunftsfonds Asse seine Fördermittel nicht aus den Erträgen eines Stiftungsguthabens, sondern erhält als Verbrauchsstiftung eine jährliche Zuweisung. „Durch die vom Bund zugesicherten drei Millionen erhalten wir jährlich neue Mittel, die wir verwalten und verteilen. Allerdings gibt es keine Zusicherung über den Zeitraum, in dem wir diese Mittel erhalten. Sie könnten auch aus dem Haushalt gestrichen werden“, gibt Volkers zu bedenken.
Neben den geförderten Projekten finanziert die Stiftung aus der jährlichen Summe auch ihre Verwaltungskosten – darunter die Kosten für Versicherungen, EDV-Aufwand, Büro- und Fortbildungskosten und anteilig auch die Personalkosten der vom Landkreis Wolfenbüttel zur Verfügung gestellten Mitarbeiter.
„Es ist bei der Stiftungsgründung durch das Land Niedersachsen gesetzlich geregelt worden, dass der Landkreis Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landkreisverwaltung zur Verwaltung der Stiftung abstellt und die Landrätin per Gesetz die Vorsitzende des Vorstandes der Stiftung ist. So bin ich zur Hälfte meiner Zeit für den Landkreis als Leiter des Amtes für Bauen und Planen zuständig und als Landkreismitarbeiter Leiter der Stiftungsverwaltung. Die Stiftung ist aber eigenständig und vom Landkreis unabhängig“, so Volkers.
Seit dem 1. März 2017 sind fünf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Landkreisverwaltung anteilig für die Stiftung tätig. Die Stiftungsräte und der Stiftungsvorstand aus Landrätin Christiana Steinbrügge, der Elm-Asse Samtgemeindebürgermeisterin Regina Bollmeier und Rolf Mayer, geschäftsführender Vorstand der Braunschweigischen Maschinenbauanstalt, sind ehrenamtlich für die Stiftung tätig.
Seit der Gründung hat die Stiftung knapp unter 100 Projekte gefördert. Im Jahr 2017 schloss sie beispielsweise mit 55 Projektträgern Zuwendungsverträge, deren Projektkosten mit insgesamt 4,7 Millionen Euro betragen.