Soziale Netzwerke sind längst kein fremdes Terrain mehr für Marketers. Auch mit der Business-fokussierten Plattform LinkedIn hat der Kommunikationsberater Christian Bölling in seiner PR-Agentur Heldenmood täglich zu tun, denn er unterstützt seine Klient:innen bei ihrem Auftritt auf dem Kommunikationskanal. Außerdem verfasste er für das Branchenmagazin „PR Report“ einen LinkedIn-Leitfaden. Im Interview erklärt er uns, warum LinkedIn so beliebt ist und gleichzeitig doch an Relevanz verliert – und wie man die Plattform am besten nutzt.
Herr Bölling, wann haben Sie zuletzt LinkedIn genutzt und wofür?
Vor zehn Minuten. Ich habe ein Bild von einem Schaf gepostet, das ich in den letzten Tagen von meinem Büro aus beobachtet habe. LinkedIn ist aber generell ein wichtiger Bestandteil meines Arbeitsalltags. Unternehmen positionieren sich immer stärker über Personen und genau das passiert auch auf dieser Plattform. Dadurch wird sie für die Unternehmenskommunikation ebenfalls relevanter.
Xing ist nach wie vor das Soziale Business- Netzwerk mit den meisten Nutzer:innen. Trotzdem kann man kaum noch über eine Recruiting-Messe gehen, ohne das Wort LinkedIn zu hören. Täuscht der Eindruck? Wie kommt es zu dieser Entwicklung?
LinkedIn ist tatsächlich eines der ältesten Sozialen Netzwerke, die es gibt. Die US-amerikanische Plattform wurde 2002 gegründet und entsprach funktionell lange Zeit dem kurz darauf gegründete deutschen Pendant Xing. Mit der Möglichkeit, Beiträge zu posten und Nachrichten zu schreiben, hat LinkedIn Mitte der 2010er-Jahre an inhaltlicher Relevanz gewonnen. Xing versucht inzwischen mit ähnlichen Funktionen aufzuholen, die von den Nutzer:innen aber nicht so gut angenommen werden. In Berufsfeldern, die etwas traditionsreicher sind, etwa der Steuerberatung, spielt Xing nach wie vor eine tragende Rolle. Je online-affiner eine Branche dagegen ist, desto mehr sind Menschen in den letzten Jahren zu LinkedIn abgewandert. Weil die durchschnittliche Nutzungsdauer dort viel höher ist als bei Xing, ist LinkedIn alles in allem inzwischen durchaus relevanter.
Wer ist die Zielgruppe von Business-Plattformen wie LinkedIn oder Xing – warum verbringen Menschen dort ihre Zeit?
Da muss man differenzieren: Beide Plattformen legen einen Schwerpunkt auf das Thema Recruiting. Xing ist wie eine digitale Visitenkarte und bietet die Möglichkeit, sich mit aktuellen Business-Kontakten zu vernetzen. LinkedIn würde ich dagegen als individuelles Karrieremagazin bezeichnen, das sich die Nutzer:innen selbst zusammenstellen. Sie vernetzen sich mit Leuten verwandter Branchen und mit dementsprechend ähnlichen beruflichen Interessen, die sie nicht einmal unbedingt persönlich kennen. Dadurch sind die Beiträge im Feed der Nutzer:innen im Idealfall auch inhaltlich für sie relevant. Einige Unternehmen nutzen LinkedIn aber auch für ihre interne Kommunikation.
Wie können wir uns das vorstellen?
CEOs und weitere Führungskräfte können sich beispielsweise direkt mit ihren Angestellten vernetzen und kommunizieren. Ihre Botschaften werden also nicht verzerrt, indem sie über mehrere Ecken an die Mitarbeitenden herangetragen werden. Diese direkte Kommunikation zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitenden eines Unternehmens würde im analogen Arbeitsleben vieler Betriebe eine Ausnahme darstellen. Extern funktioniert Unternehmenskommunikation auf der Plattform vor allem für den Austausch mit und die Information von Personen, die sich besonders für das jeweilige Unternehmen interessieren. Diese Zielgruppe war früher deutlich schwieriger zu erreichen.
Könnten LinkedIn-Posts demnach klassische Presseerklärungen künftig ersetzen?
Ersetzen sicherlich nicht, aber sie ergänzen. Ich persönlich begreife die Posts auch als längeres schriftliches Zitat. Ich erlebe häufig, dass Journalist:innen gerne mit Beiträgen aus sozialen Netzwerken arbeiten – meiner Erfahrung nach viel lieber als mit Zitaten aus anderen Medien, mit denen sie in direkter Konkurrenz stehen.
Wer erreicht auf LinkedIn mehr Menschen: Unternehmens- oder private Profile?
Man sollte auf LinkedIn immer versuchen, so viel wie möglich über Personen zu kommunizieren. Einige Marketer:innen und User:innen der Plattform behaupten, das läge am Algorithmus. Ich glaube aber, dass sich Menschen schlichtweg mehr für Menschen interessieren als für Unternehmen. Unternehmensprofile werden oft von mehreren Personen betreut und dadurch unweigerlich anonymer. Das hemmt in der Folge den Austausch mit anderen Nutzer:innen. Der wiederum macht aber einen Großteil des Reizes von sozialen Medien aus. Daher würde ich immer dazu raten, Themen über Einzelpersonen zu kommunizieren.
Das wirft eine entscheidende Frage auf: Sind Nutzer:innen auf Business-Plattformen beruflich oder grundsätzlich privat unterwegs?
Persönlich, aber nicht privat, würde ich es formulieren. LinkedIn ist immer noch ein berufliches Netzwerk. Natürlich ist man dort auch in einem gewissen Maße Botschafter des Unternehmens, für das man gerade arbeitet.
Machen sich Unternehmen in der Kommunikation nach außen damit nicht zu abhängig von ihren Mitarbeitenden?
Die Aufmerksamkeit, die Mitarbeitende über ihre eigenen Kanäle für ihr jeweiliges Unternehmen generieren, würde ich aus Marketing-Perspektive immer als Nice-to-have und nicht als selbstverständlich erachten. Auch nicht dann, wenn Unternehmen ihren Mitarbeitenden erlauben, LinkedIn-Inhalte in der Arbeitszeit zu erstellen.
Im Sommer 2022 sorgte Ihre Kritik am LinkedIn-Auftritt einer deutschen Speakerin für Aufsehen. Sie behaupteten, dass auf der Plattform Nichtigkeiten zu Breaking News aufgeblasen würden und 08/15-Lebensläufe klängen wie der von Steve Jobs. Sind Sie nach wie vor besorgt?
Das verhält sich ein bisschen so, wie in der Politik – Menschen versuchen sich aus irgendeinem Grund sehr diplomatisch und abgesichert auszudrücken, wie das auch Politiker:innen machen. Dadurch werden die Aussagen schwammiger und unauthentischer. Stattdessen werden Nichtigkeiten aufgebauscht. Ich habe das Gefühl, dass das auf LinkedIn immer schlimmer wird. Da glauben alle, aus einem Glas Wasser irgendetwas für ihr Business ableiten zu müssen. Ich bezeichne das gerne als Steve Jobs-Mentalität. Eigentlich ist diese vor allem im angelsächsischen und US-amerikanischen Raum verbreitet, auf LinkedIn schwappt sie seit einigen Jahren auch nach Deutschland rüber.
Ist dieser Trend auch auf anderen Plattformen erkennbar?
Gerade in der Start-up-Szene sind viele Menschen beruflich auf Instagram aktiv. In diesen Kreisen findet man diese Entwicklung auch oft wieder. Das hängt aber weniger mit den einzelnen Plattformen zusammen, als mit dem Sprechen über Arbeit in Onlinemedien im Allgemeinen.
Was bedeutet diese Form der Kommunikation für die Relevanz LinkedIns?
Über kurz oder lang sinkt diese. Eine Alternative ist jedoch nicht in Sicht. Einige Menschen, die früher sehr aktiv auf LinkedIn waren, setzen inzwischen auf eigene Newsletter. Dafür bedarf es allerdings einer bestehenden Community, die diesen Newsletter abonniert.
Was muss sich im Umkehrschluss ändern, damit LinkedIn zum authentischen Business-Medium wird?
LinkedIn selbst sollte die massenweisen Kontaktanfragen von komplett fremden Personen deutlich mehr unterbinden. Ansonsten lebt die Plattform vor allem von den User-generierten Inhalten. Das bringt eine gewisse Verantwortung mit sich und die sollten wir Nutzer:innen uns immer wieder klar machen, damit LinkedIn auch in Zukunft ein digitaler Ort bleibt, an dem wir uns gerne aufhalten.
Wie sieht der perfekte Business-Netzwerk- Post aus? Und würde dieser etwa bei LinkedIn gut laufen?
Um sich Reichweite aufzubauen sind zunächst eine gewisse Quantität und Qualität wichtig. Die Beiträge, die man postet, sollten sprachlich sauber und inhaltlich relevant sein. Darüber hinaus kann man sich gut an Kriterien orientieren, die auch für den Journalismus gelten. Besonders wichtig bei den Posts ist der erste Satz. Am besten sollten die Leser:innen dann schon wissen, ob sie den Beitrag liken wollen oder nicht. Auch Bilder kommen in sozialen Netzwerken gut an, allerdings sollten man deshalb nicht jedem Post dasselbe Portrait anhängen, wenn man keine anderen passenden Fotos hat.