Dr. Jörg Aßmann ist seit der Gründung der WiReGo, der Wirtschaftsförderung Region Goslar GmbH & Co. KG, vor zehn Jahren Geschäftsführer und baute sich in der Zeit ein Team von mittlerweile zwölf Personen auf. Davor initiierte und leitete er für einige Jahre das Ausgründungszentrum der Universität Marburg und war neun Jahre lang für die Wirtschaftsförderung Salzgitter tätig. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitenden verfolgt er die Ziele der 16 WiReGo-Gesellschafter: aktives Standortmarketing betreiben, Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Investitions- und Innovationsprojekte unterstützen, Ansiedlungen anschieben, angehenden Gründern und Gründerinnen Hilfestellung leisten und insgesamt die Wirtschaft des Landkreises Goslar positiv entwickeln.

Herr Dr. Aßmann, woran machen Sie fest, dass Ihre Arbeit erfolgreich ist? Gibt es Kennzahlen für den Erfolg?
Kennzahlen zur Messung des Erfolgs im Bereich der Wirtschaftsförderung sind immer recht schwierig zu definieren, da es meistens viele Einflussfaktoren gibt. Eine wichtige Zahl, auf die wir stolz sind, auch weil sie relativ direkt auf unser Engagement zurückzuführen ist, ist die Akquise von Fördermitteln für Projekte in der Region. Im Jahr 2018 konnten wir gemäß einer offiziellen NBank-Statistik im Vergleich zu 30 weiteren Förderregionen Niedersachsens bei der sogenannten einzelbetrieblichen Investitionsförderung sogar mit großem Abstand Platz eins in Bezug auf die Anzahl der Förderfälle und der akquirierten Fördermittel belegen. Das Investitionspotenzial in unserem kleinen und eher ländlichen Landkreis ist überdurchschnittlich hoch und wir konnten einen Beitrag dazu leisten, dass die entsprechenden Fördermittel in den Landkreis geflossen sind. Die Arbeitslosenquote ist eine weitere interessante Kennzahl, die seit dem Start der WiReGo bis zum Ausbruch von Corona fast halbiert werden konnte. Auch dazu haben wir sicherlich unseren Beitrag geleistet. Obwohl es keine Kennzahl ist, so werten wir den vor kurzem abgeschlossenen Finanzierungsvertrag mit unseren Gesellschaftern als weitere wichtige Bestätigung unserer Arbeit und unseres Erfolges. Mit der damit verbesserten Finanzausstattung und einer unbefristeten Laufzeit bringen unsere Gesellschafter ihre Zufriedenheit und ihr Vertrauen mit unserer Arbeit zum Ausdruck.
Was für Unternehmen sind im Landkreis Goslar angesiedelt?
Der Landkreis Goslar ist wirtschaftlich sehr diversifiziert aufgestellt. Wir haben Unternehmen unter anderem aus den Bereichen Chemie, Nicht-Eisen-Recycling, Automotive, Tourismus, Gesundheitswesen. Aber auch industrienahe Dienstleistungen und ein gut aufgestelltes Handwerk zeichnen uns aus. Es gibt nur wenige Big Player, das zusammen mit dem guten Branchenmix macht uns zu einem vergleichsweise stabilen Wirtschaftsstandort. Als einer der ältesten Industriestandorte Europas sind wir mittlerweile auch überregional bekannt und anerkannt.
Wie verteilen sie sich innerhalb des Landkreises?
Es gibt einige wenige Schwerpunkte. Chemie und Recycling haben wir verstärkt in Langelsheim, Oker bei Goslar und Harlingerode bei Bad Harzburg. Tourismus spielt im Oberharz – also Braunlage, Hahnenklee und Clausthal-Zellerfeld eine noch wichtigere Rolle als anderswo im Landkreis. Automotivebetriebe finden sich vornehmlich in Goslar, Bad Harzburg und Clausthal-Zellerfeld, Logistikzentren sind bei uns eher in Goslar, Seesen und Bad Harzburg angesiedelt. Das Gesundheitswesen spielt insbesondere in Bad Harzburg, Goslar und Seesen eine wichtige Rolle. Allerdings sind Unternehmen aller Branchen auf den gesamten Landkreis verteilt, es gibt kaum eine richtige räumliche Konzentration.
Was macht den Landkreis Goslar als Wirtschaftsstandort besonders?
Die bereits genannte Vielfalt der Branchenstruktur und Diversität der Betriebsgrößen sind für einen stabilen, gesunden Wirtschaftsstandort von Vorteil. Die Mischung aus Tourismus und Industrie hat viele Vorzüge, insbesondere für die Fachkräftegewinnung. Denn bei uns gibt es Industriearbeitsplätze in einem guten, attraktiven Lebensumfeld. Die Natur, unser historisches Erbe und das kulturelle Angebot machen die besondere Lebensqualität in unserer Region aus. Zudem bietet der Landkreis Goslar eine starke Vernetzung innerhalb der Region und schafft mit zahlreichen Netzwerken – wie etwa Rewimet, Chemienetzwerk, Wirtschaftsjunioren, Marketing Club Harz und Harzer Tourismusverband – wichtige Synergien.

Sehen Sie die Region als strukturschwach oder -stark an?
Statistisch gesehen ist die Region eher als strukturschwach einzuordnen. Das zeigen unter anderem der demografische Wandel oder auch die noch zu geringe Gründungsdynamik. Es gibt Bereiche, in denen die Einschätzung nachvollziehbar ist. Als Wirtschaftsförderer sehen wir jedoch mehr die Stärken der Region. Eine hohe Investitionsfreude und die extrem gute Förderquote zeigen, dass sich die Region dynamisch positiv entwickelt. Wichtige Aufholprozesse, wie beispielsweise im Tourismus mit einem Upgrade der Hotelinfrastruktur und der Freizeitangebote, sind bereits erfolgt. Ausbaufähig ist noch der Bereich EDV-Dienstleistungen als Querschnittsbranche und entsprechende Beratungsunternehmen. Mit unseren derzeitigen Aktivitäten zur Dynamisierung der Gründungsbereitschaft wollen wir auch bei diesem Thema Verbesserungen erzielen. Die Vorzüge als attraktiver Lebens- und Arbeitsstandort wollen wir zukünftig noch stärker hervorheben, denn das ist bisher ein noch zu wenig genutztes Plus in unserer Region.
Was müsste sich ändern, um die Situation allgemein zu verbessern?
Die Ansiedlung von Unternehmen wichtiger Querschnittsbranchen ist wichtig. Zudem ist die Fachkräftegewinnung unsere Antwort auf den demografischen Wandel. Es muss uns noch besser gelingen, junge Menschen in der Region zu halten; beispielsweise durch Neugründungen. So lassen sich die Wachstumschancen für die Zukunft nachhaltig verbessern.
Welche Chancen bietet der Landkreis Goslar im Vergleich zu angrenzenden Regionen – etwa Braunschweig oder Wolfenbüttel?
Solche Vergleiche sind schwierig, da sich die Gebietskörperschaften doch recht stark strukturell unterscheiden. Der Harz als eher ländliches Gebiet bietet günstigere Lebenshaltungskosten und eine gute Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit. Auch das große kulturelle Angebot ist für eine Region wie die unsere außergewöhnlich. Die zusätzliche Kaufkraft von Touristen stärkt den Einzelhandel in unseren Orten, wovon auch die Einheimischen profitieren. Durch die Co-Existenz attraktiver Industriearbeitsplätze im ländlichen Kulturraum lassen sich Arbeitszeit und Freizeit auf hohem Niveau verbinden.
Wie wichtig ist Ihre Arbeit über die Landkreisgrenzen hinweg?
Das ist für uns extrem wichtig. Wir sind engagiert bei der Allianz für die Region und beim Südniedersachsen Innovationscampus in Göttingen. Im operativen Geschäft sind wir mit unserer Technologieberatung als Dienstleister für mehrere Landkreise und Gebietskörperschaften tätig. Dadurch haben sich Synergien ergeben, die unsere Arbeit im Landkreis erleichtern und verbessern. Wichtig ist auch, überregional sichtbar zu sein – für potenzielle Investoren und Fachkräfte. Messen, wie die Expo Real in München, bieten dafür eine gute Möglichkeit. Wenn man Themen vor Ort allein nicht abbilden kann, ist es wichtig, in größeren Dimensionen zu denken und zusammenzuarbeiten. Wir müssen die Kräfte bündeln, um die Sichtbarkeit zu erhöhen und eine größere Reichweite zu erzielen. Noch dazu hilft ein Blick über den eigenen Tellerrand, um sein eigenes Tun zu überprüfen und sich mit anderen zu vergleichen.
Wie entwickelt sich die Digitalisierung im Landkreis Goslar? Welche Möglichkeiten hat die WiReGo, die Unternehmen dabei zu unterstützen?
Bezogen auf die Breitbandversorgung wurden viele Maßnahmen getroffen und umgesetzt. Damit konnten wir einen großen qualitativen Sprung machen und eine wichtige Voraussetzung für die anstehenden Digitalisierungsprozesse in der Wirtschaft schaffen. Die Digitalisierungsberatung und -förderung wird ein weiteres Beratungsthema im WiReGo-Leistungsportfolio, denn wir wollen aktiv auf Unternehmen zugehen, um die entsprechenden Förderprogramme zu platzieren. Das Digitalisierungslabor der TU Clausthal wurde von uns mit auf den Weg gebracht und wird auch weiterhin aktiv begleitet. Dazu wurde ein neuer Studiengang etabliert. Hier haben Unternehmen die Möglichkeit, Digitalisierungsprojekte mit Studenten zu planen und umzusetzen.
In der überregionalen Berichterstattung wird derzeit häufig auf die erhöhte Waldbrandgefahr und die Schäden durch den Fichten-Borkenkäfer im Harz geschaut. Welche Auswirkungen haben die beiden Punkte für den Landkreis Goslar als Wirtschaftsregion und den Tourismus im Harz?
Die schwierige Situation in den Wäldern ist ein bundesweites Thema. Für den Tourismus ist der Harzer Tourismusverband (HTV) zuständig, dort sind die Fachleute am Ball. Der HTV hat bereits frühzeitig reagiert und letzten Sommer die Aufklärungskampagne „Der Wald ruft“ ins Leben gerufen. Damit werden Urlauber über das aktuelle Geschehen informiert und das Verständnis für den Waldwandel geweckt.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf den Tourismus, die Hotels und die Pensionen im Landkreis?
Ein endgültiges Urteil dazu ist noch nicht möglich. Das Reiseverbot in einigen der beliebtesten Reisemonate für den Harz hat die Branche sehr stark betroffen und zu deutlichen, teils existenzbedrohenden Umsatzeinbußen geführt. Unser Team hat in den letzten Monaten aktiv beraten und unterstützt, um Corona-Fördermittel zu beantragen. Bisher blieben Hiobsbotschaften aus der Tourismusbranche aus. Die aktuellen Lockerungen helfen, den Schaden zu begrenzen. Doch Corona zum Trotz wird in der nächsten Entscheidungsrunde zur einzelbetrieblichen Investitionsförderung gleich über neun touristische Projekte aus dem Harz entschieden.
Das bestätigt uns, dass der Tourismus bei uns weiterhin im Aufwind ist. Die hohe Investitionsneigung zeigt ein positives Bild der Branche, das uns positiv stimmt.