31. Mai 2019
Interview

„Die Aussicht alleine reicht nicht“

Starkoch Tim Mälzer im Interview zur Eröffnung des neuen Sky-Bar-Restaurants Überland im BusinessCenter II im BraWoPark

Tim Maelzer. Foto: Philipp Rathmer

Schwarzer Hoodie, schwarze Cargohose, schwarze Nike-Sneaker und ein schelmisches Grinsen im Gesicht. Nein, der Typ, der im Rahmen der Überland-Pressekonferenz Mitte März alle Anwesenden vom ersten Moment an mitriss, ist kein St. Pauli-Ultra. Und auch kein G20-Gipfel-Gegner. Das hier ist Tim Mälzer. Der leidenschaftliche Hamburger Koch, Autor, Unternehmer, kurz: die deutsche Gastro-Allzweckwaffe ist neben Lars Nussbaum (Tresor, Heinrich, Wahre Liebe) und Jimmy Ledemazel (ehemaliger Restaurantleiter des Aqua im The Ritz-Carlton Wolfsburg) einer der drei Betreiber des Überland. Geschäftsführerin ist außerdem Diana Brinkmann. Das neue Sky-Bar-Restaurant, das sich im modernen Art déco und Vintage geprägten Ambiente präsentiert, eröffnet Ende Mai in der 18. Etage des BusinessCenter II im BraWoPark am Hauptbahnhof Braunschweig. Die 180 Sitzplätze des Überland verteilen sich auf Restaurant, Bar und Chefs Table im 18. Obergeschoss sowie die Rooftop-Terrasse im 19. Obergeschoss. Die 17. Etage ist eine exklusive Location für Private Dining, Veranstaltungen, Firmen- und Familienfeiern. Standort38 sprach vor der Eröffnung mit dem preisgekrönten und dennoch bodenständigen Starkoch Tim Mälzer.

Herr Mälzer, Sie werden meist als Fernsehkoch tituliert. Fühlen Sie sich wohl mit der Bezeichnung?

Ich bin kein Fernsehkoch, sondern Koch. Ich habe eine Ausbildung als Koch genossen, darauf fußt mein gesamtes Fundament. Ich habe mich weiterentwickelt, bin inzwischen Unternehmer und Gastronom. Das ist auch meine hauptsächliche Berufsbezeichnung. Das ist für manche vielleicht schwierig nachzuvollziehen, weil man mich im Wesentlichen aus den Medien kennt. Das mache ich auch gerne, das ist mein Hobby. Mein Geld verdiene ich aber wirklich mit der Gastronomie.

Was hat Sie davon überzeugt am ambitionierten Projekt Überland der Volksbank BraWo mitzumachen?

Als mir das Projekt vorgestellt wurde habe ich schnell gesagt: „Macht doch“! Spitzenlage, guter Gastronom, das Ganze macht Sinn. Meine Frage war nur: „Wofür braucht ihr mich? Und die einzige richtige Antwort von Jürgen Brinkmann, dem Vorstandsvorsitzenden der Volksbank BraWo, war: „Weil wir das gut finden, was du tust“ und nicht „wer du bist“. Die Hand haben wir uns beide schnell gegeben – doch die Entwicklung dieses einmaligen Projekts, dieses zähen Prozesses, dieser Vision hat länger gedauert. Ein Beispiel: Wir schreiben mittlerweile bereits die sechste Speisekarte. Das Ganze ist eben nicht nur ein „By Tim Mälzer“-Aufkleber unten an der Fahrstuhltür, sondern ein Projekt an dem mein Herz hängt. Alle Beteiligten betreiben das Überland mit sehr viel Demut.

Ein authentisches, leidenschaftliches Koch-Original: Tim Mälzer, einer der Initiatoren des Überland. Foto: Tarik Kettner

Bar-Restaurants in luftiger Höhe gibt es viele in Deutschland, aber auch im Ausland. Was ist das Besondere am Überland?

In Deutschland gibt es nicht allzu viele exponierte Orte, die man in dieser Form bespielen darf. Bei vielen vergleichbaren Projekten in dieser Größenordnung und Höhe – und das habe ich als Tourist erlebt – wird sehr oft lieblose Gastronomie praktiziert. Das heißt: Sie ist überteuert, auf irgendeinem Konzeptboard entstanden und dann wird sie gnadenlos abgezogen, weil die Aussicht reicht. Das Wesentliche für uns war: Nein, die Aussicht alleine reicht nicht. Die Aussicht ist die Kirsche auf der Torte. Und die Torte müssen immer noch wir selbst backen. Man isst nicht nur die Aussicht, man soll auch inhaltlich befriedigt sein. Bei der Konzepterstellung haben wir nur nach Innen gedacht. Wir haben versucht eine Gastronomie zu kreieren, die nicht nur für Braunschweig, sondern für das Land spektakulär in ihrer Normalität sein wird.

Wie würden Sie Braunschweig in ein paar Worten beschreiben?

Ich weiß, dass man in Braunschweig keine Witze über Fußball machen darf (lacht). Braunschweig ist nicht Berlin. In Berlin kannst du jeden Scheiß eröffnen und da laufen irgendwelche Idioten auf jeden Fall hin. Braunschweig hat für mich so ein bisschen eine schleswig-holsteinische Seele: Du kannst hier schon auf dicke Hose machen, musst aber auch was liefern. Hier herrscht eher eine abwartende Haltung vor. Es wird nicht jedem Trend hinterhergelaufen. Es wird eine gewisse Skepsis der Gäste vorhanden sein. Wir werden aber über unseren Inhalt, und mit der Art und Weise, wie wir diese Gastronomie betreiben wollen, einen Zugang für Jedermann bieten. Dieser Ort ist kein elitärer Ort. Es soll ein Lieblingsort werden. Das einzige was man für das Überland haben muss ist: Lust hier zu sein.

Wie sieht das Küchen-Konzept aus?

Sehr offen. Meine Küche ist keine Champagner-Küche. Ich arbeite sehr handwerklich und produktorientiert. Alle Arbeitsschritte und Handgriffe werden auch während des Service transparent erlebbar sein. Die Überland-Küche ist komplett einsehbar. Es soll ein lebendiger, ein bewegter Laden sein. Kein musealer Laden. Eine Gastronomie ohne Hemmschwelle. Ansonsten werde ich so oft wie möglich versuchen in Braunschweig zu sein.

Wer kümmert sich um die Küche und was kommt auf den Teller?

Michi Wolf, mein ehemaliger Küchenchef aus der Bullerei, wird das Team mit der Mälzer-Vision schulen und die Teller-Sprache kreieren. Die Überland-Küche wird auf eine spektakuläre Art und Weise unspektakulär. Verlässlich. Nicht innovativ und abgehoben, dass der Gast erstmal googeln muss, was sich da auf dem Teller befindet. Das Produkt wird vielmehr in seiner Einfachheit und Klarheit fast nicht mehr zu übertreffen sein. Dadurch wird es aber eine ganz besondere Wirkung haben. Meine Welt ist eine lustvolle, eine opulente, fröhliche, saftige und unterhaltsame Küche. Gute Gas-
tronomie hat etwas Persönliches und emotionales. Wir haben eine extreme Motivation das Überland zu einem sehr schönen kulinarischen Raum in Braunschweig zu machen.

Auch interessant