21. Mai 2020
Portraits

Der Schreibtisch von … Melanie Brinkmann

Virologin am Helmholtz-Zentrum für Infektions­forschung und Professorin an der Technischen Universität Braunschweig

Foto: Julia-Janine Schwark.

Als Melanie Brinkmann mit ihrem Fahrrad über den Campus des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung fährt, wird sie von einer Kollegin angesprochen und für ihren letzten Fernsehauftritt gelobt. Die 46-Jährige freut sich sichtlich über das positive Feedback, das sie in letzter Zeit auf vielen Wegen erreicht.

Noch vor dem Ausbruch des neuartigen SARS Corona Virus sei es in ihren Bekanntenkreisen ein eher ungewöhnliches Thema gewesen, wenn sie von ihrem Job als Virologin erzählte – mittlerweile habe sich das geändert, sagt Brinkmann. Denn der Ausbruch von SARS-CoV-2 hat Virologen weltweit stark in den medialen Fokus und somit den der Öffentlichkeit gerückt. „Ich hätte es lieber wieder so wie vorher – ohne dieses Virus. Aber es ist auch eine Anerkennung für unser Fach.“ Eine Anerkennung mit der eine große Verantwortung einhergeht. Die enormen Auswirkungen, die das Virus auf die Bevölkerung hat, lassen auch den Leistungsdruck, unter dem die Virologin steht, steigen. Gerade deshalb findet sie die Öffentlichkeitsarbeit so wichtig: „Ich möchte immer alles möglichst gut erklären, sodass die Menschen gut nachvollziehen können, was gerade und warum es geschieht.“

Inzwischen bestimmen die Forschung an SARS-CoV-2, das Aufarbeiten von aktuellen Veröffentlichungen und Öffentlichkeitsarbeit 90 Prozent ihres Arbeitsalltags. Normalerweise beschäftigt sich ihre Arbeitsgruppe mit der Immunantwort bei Virusinfektionen. „Die Viren an denen wir arbeiten sind Herpesviren, die chronische Erkrankungen verursachen – einmal infiziert, verbleiben diese Viren ein Leben lang in unserem Körper.“

Auch die Erforschung dieser Viren habe natürlich nicht an Wichtigkeit verloren. Als Führungskraft möchte Brinkmann die Balance finden und lässt ihren Mitarbeitern aktuell deshalb die Wahl, ob sie weiterhin den Fokus auf ihr gewohntes Themengebiet richten oder an dem neuen Virus arbeiten möchten. „Gerade Wissenschaftler sind oft intrinsisch motiviert.“ Deshalb sei es für Brinkmann der beste Weg, wenn ihre Mitarbeiter von sich aus entscheiden können.

Brinkmann selbst wollte ursprünglich eigentlich Sprachwissenschaften studieren und Journalistin werden. Doch ihr damaliger Chefredakteur rät ihr dazu, etwas Handfesteres zu probieren, auf dessen Fundament sie als Journalistin aufbauen könne. Ihre Wahl fällt auf die Biologie. Nebenher arbeitet sie allerdings weiterhin für den Stern und das GEO Magazin. Schließlich entscheidet sie sich, auch dank der Ermutigungen und Förderungen ihrer Mentoren, für die Wissenschaft. „Das Fach hat mich sehr gepackt, sodass für die Zeitung kein Platz mehr war.“ Nach ihrer Promotion tritt sie gemeinsam mit ihrem Ehemann einen mehrjährigen Forschungssaufenthalt in Boston an. Dass es sie anschließend nach Braunschweig zieht, verdankt sie einer Karrieremesse am Massachusetts Institute of Technology, an dem die Helmholtz Gemeinschaft ihr Fördersystem für Nachwuchswissenschaftler vorstellt.

Heute ist Brinkmann nicht nur Virologin, sondern geht auch mit Leidenschaft ihrem Lehrauftrag an der TU Braunschweig nach und ist Mutter von drei Kindern. Das alles miteinander zu vereinen, sei nur mit einem starken Willen und Unterstützung zu schaffen. Zuhause wechselt sie sich mit ihrem Mann ab, der Geschäftsführer einer Softwarefirma in Braunschweig ist. Gerade in der Wissenschaft sei es schwer, Beruf und Familie zu vereinbaren. „Insbesondere wenn man Karriere machen will, reichen 100 Prozent lange nicht aus“, erklärt sie. So wird Brinkmann während ihrer zweiten Schwangerschaft auch das Ende ihrer Karriere prognostiziert. „Ich habe mir dann aber gesagt, jetzt erst recht.“ Für sie ist Familie ein Ort an dem sie Ruhe findet und der sie erdet. Die Kinder erinnern sie daran, dass es neben dem Virus auch andere Probleme, wie aufgeschürfte Knie gibt, erzählt sie. Sie habe für sich den besten Job, der gleichzeitig ihr Leben und ihr Hobby sei, gefunden. Auch wenn Forschung, Familie und insbesondere die Medien gerade an ihr zerren, würde sie es nicht anders haben wollen. „Bisher habe ich keinen Energieverlust gespürt“, sagt sie. „Ich denke mir eher: Jetzt aber richtig!“ Dann schwingt sie sich voller Motivation wieder auf ihr Fahrrad, um ins Labor zurückzukehren.

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