Zum Beispiel?
Engagement habe ich schon erwähnt. Ich meine damit eine wirkliche Hingabe für das, was man macht. Das gilt im Übrigen nicht nur für die Kunst, sondern auch für das Design und die Wissenschaften. Das macht die Qualität eines guten Lehrenden aus, dass es eine Person ist, die die breite Perspektive des Machens und des Lernens miteinander verbinden kann. Außerdem ist mir insgesamt die Diversität der Lehrenden wichtig.
Welchen Ruf hat die Region in der Kunstszene?
Es gibt einige lokale Perlen. Zum Beispiel den Kunstverein, das Kunstmuseum Wolfsburg und das Herzog Anton Ulrich-Museum sind international bekannt. Auch die Filmfestivals sind sehr wichtig. Mit vielen Vertretern dieser Institutionen habe ich in den vergangenen Jahren in meiner Rolle als Kulturattachée der Kanadischen Botschaft bereits zusammengearbeitet. Das heißt, es gibt durchaus einige Kontakte in die Region und ich fange nicht bei Null an.
Was macht eine gute Präsidentin aus?
Mit so vielen verschiedenen Perspektiven wie möglich bekannt zu sein. Das heißt, eine Präsidentin muss ihre Hochschule wirklich gut kennen. Sie erwischen mich gerade am Anfang meiner Amtszeit. Mit dem Kennenlernen habe ich gerade erst begonnen. Darauf konzentriere ich mich derzeit am meisten – die verschiedenen Perspektiven, Positionen, Meinungen, Haltungen kennenzulernen – die Strukturen und auch zu verstehen, was die Menschen beschäftigt, begeistert und wo der Schuh drückt.
An der Spitze von drei Hochschulen der Region stehen bald sehr wahrscheinlich Frauen. Hat diese Tatsache für Sie eine Bedeutung?
Ich freue mich, dass ich in den nächsten Jahren mit diesen Kolleginnen arbeiten kann. Das ist eine interessante Situation.
Macht es das einfacher?
Nein, aber es ist definitiv ein positives Signal für die kommenden Generationen, dass es in Niedersachsen für alle Menschen mit Ambitionen möglich ist, solche Stellen zu besetzen.
Haben Sie Ihre Kolleginnen schon kennengelernt?
Noch nicht, dafür ist es noch zu früh.
Wie bewerten Sie die Arbeit ihres kommissarischen Vertreters Nikolas Lange? Er und das Präsidium haben wahnsinnig hart gearbeitet und ich möchte mich wirklich dafür bedanken, dass ich jetzt die Hochschule im aktuellen Zustand übernehmen kann. Natürlich gibt es noch einiges, woran wir gemeinsam arbeiten werden. Die HBK ist im Umbruch, alle Studiengänge sind akkreditiert, einige sind neu entworfen. Die Voraussetzungen für zukünftige Entwicklungen sind sehr gut.
War es hilfreich, dass Nikolas Lange eher für die Zahlen als die künstlerische Seite steht?
Natürlich. Inhaltlich war die Hochschule immer gut aufgestellt. Gehapert hat es eher auf der betriebswirtschaftlichen Ebene. Und dafür war er – diesen Eindruck habe ich jedenfalls bisher gewonnen – genau der richtige Mann.
Die HBK war lange Zeit hochverschuldet und in ihrer Entscheidungskompetenz eingeschränkt. Wie sieht die finanzielle Situation heute aus?
Der Schuldenberg ist abgebaut. Ich fühle mich in dieser Hinsicht sehr privilegiert, weil ich mich jetzt wirklich mit Inhalten beschäftigen kann.
Wie wollen Sie vorhandene Gräben zwischen freier Kunst, Design und Wissenschaften überwinden?
Das sind drei entscheidende Bereiche an dieser Hochschule, die das einzigartige Portfolio der HBK ausmachen. Es ist unheimlich wichtig, dass sie zusammenarbeiten. Wenn man hier Kunstwissenschaft studiert, kann man auch in den Werkstätten arbeiten und bekommt Einblicke in die Ateliers. Das ist an klassischen Universitäten nicht so.
Das heißt, alle drei Bereiche sollen bestehen bleiben? Ja, auf jeden Fall!
Welche Rolle hat die HBK in der Region?
Wir sind eine Hochschule von und für Spezialisten und können durchaus mit Expertenwissen zu Gegenwartskunst und Kulturpolitik aufwarten. Da die HBK sehr gut in der Region vernetzt ist, stehe ich als Ansprechpartnerin in kulturpolitischen Fragen zur Verfügung.
Wie kann die HBK die Menschen zwischen Harz und Heide inspirieren und prägen?
Die Hochschule befand sich in den letzten Jahren in einem kraftraubenden Reformprozess und hat sich hauptsächlich mit den internen Strukturen beschäftigen müssen. Es ist an der Zeit, wieder nach draußen zu treten. Mein Wunsch ist es, mit möglichst vielen Menschen aus der Region zu interagieren. Dafür gibt es bereits zahlreiche etablierte Formate und Veranstaltungen, deren Sichtbarkeit wir aber sicher noch erhöhen können.
War die HBK bisher ein zu geschlossener Kosmos?
Wir haben jedes Jahr unseren Rundgang und laden alle Menschen dazu ein. Außerdem gibt es regelmäßig Ausstellungen in unserer kleinen Galerie. Die hat es gerade sogar in die Süddeutsche Zeitung geschafft. Wir dürfen uns nicht hinter verschlossenen Türen verstecken, aber ich habe auch nicht den Eindruck, dass dies der Fall ist. Unsere wichtigste Zielgruppe sind die Studierenden. Beim Frühstart war unser ganzes Haus gefüllt mit jungen Menschen, die hier studieren wollen.
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