und
1. Dezember 2016
Industrie & Maschinenbau

„Wir ziehen die Evolution der Revolution vor“

MKN-Chef Georg Weber über Gefühle im Management, die Standort-Verbundenheit von Familienunternehmen und den Spagat zwischen Großküche und Spitzenrestaurant

MKN-Chef Georg Weber. Foto: Holger Isermann

Die Geschichte von MKN beginnt zur bundesdeutschen Stunde null. Es ist das erste Nachkriegsjahr und Kurt Neubauer gründet mit drei Angestellten in der Lessingstadt Wolfenbüttel die Maschinenfabrik, die sein Kürzel im Namen trägt. Anfangs konzentriert sich der Ingenieur mit seinem kleinen Team noch auf Agrarmaschinen, doch in den 50ern kehrt er inspiriert von einer USA-Reise zurück und beschließt die Neuausrichtung des Unternehmens hin zur Küchentechnik. Bis zu seinem Tod im Jahr 1962 leitet der Gründer das Unternehmen noch selbst, seitdem sind Geschäftsführer eingesetzt. Als Georg Weber 2001 zu MKN stößt, verordnet er dem Mittelständler einen nachhaltigen Internationalisierungskurs und fährt gut damit. Auf 80.000 Quadratmeter ist man an der Halberstädter Straße mittlerweile gewachsen –  mehr als 500 Mitarbeiter machen das Jubiläumsjahr mit rund 100 Millionen Euro Umsatz zum erfolgreichsten in der 70-jährigen Firmengeschichte. „Wir haben in den letzten Jahren zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen für unsere Produkte erhalten“, erklärt Georg Weber beim Standort38-Titelinterview in Wolfenbüttel und schiebt nach: „Heute sind wir in der weltweiten Champions League angekommen.


Herr Weber, 2001 sind Sie aus der Weltstadt München ins beschauliche Wolfenbüttel gekommen. Wo haben Sie vorher gearbeitet?

Nach meinem ersten Studium an der Universität Köln bin ich über eine kurze Station bei einer Unternehmensberatung in die Industrie gekommen. Ich wollte immer etwas aktiv gestalten und nicht nur beraten. Also fing ich in einem mittelständischen Unternehmen als Assistent der Geschäftsführung an. So konnte ich gut einen breiten Einblick in alle Unternehmensbereiche gewinnen…


…und schnell Kontakt zur Führungsetage aufnehmen. Der Posten gilt als Sprungbrett…

Es war eine sehr harte und prägende Zeit. Durch meine sprachlichen Fähigkeiten bin ich recht schnell ins internationale Geschäft gekommen und von einem größeren Unternehmen aus München abgeworben worden. Dort war ich viele Jahre weltweit verantwortlich. Im Jahr 2000 kam dann der Anruf aus Wolfenbüttel.


Warum sind Sie in die Provinz gewechselt?

Geographisch war der Schritt nicht so einfach, da gebe ich Ihnen Recht. Damals fühlte ich mich in München sehr wohl und wusste nicht, wo Wolfenbüttel liegt. Außerdem war ich designierter CEO.


Was hat Sie am Ende überzeugt?

Mein damaliges Unternehmen war gerade von einer Venture-Kapital-Gesellschaft übernommen worden. Ich habe zwar nicht aktiv gesucht, sah aber gewisse Wolken am Himmel. Überzeugt hat mich die Möglichkeit, hier etwas bewegen zu können. Das ist für mich wichtiger als materielle Dinge.


Wie haben Sie die MKN vorgefunden?

MKN war ein gesundes Unternehmen. Mit gutem Ruf, aber stark auf den deutschen Markt und von der Technologie her sehr traditionell ausgerichtet. Ich dagegen bin sehr weltoffen und hatte schon damals durch meine Exporttätigkeit bereits Erfahrung in vielen Ländern. Diese Internationalität fehlte, genau wie die Innovationskraft. Das eine bedingt das andere. Man kann nur weltweit verkaufen, wenn man exportfähige, innovative Produkte hat. Ich habe gespürt, dass sich einiges ändern muss und habe den Verantwortlichen meine Vision mitgeteilt.


Die Tatsache, dass Sie heute hier sitzen, deutet darauf hin, dass man überzeugt war…

Ja, wir haben uns schnell geeinigt und man hat mir glaubhaft versichert, dass die Visionen und Ambitionen, die ich habe, hier auf fruchtbaren Boden treffen. Für mich waren die Potentiale und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die kulturellen Rahmenbedingungen wichtiger als der aktuelle Status. Heute sind wir in der weltweiten Champions League angekommen. MKN ist viermal so groß wie damals und die Anzahl der Mitarbeiter hat sich mehr als verdoppelt. Gleichzeitig werden die MKN-Produkte in circa einhundert Ländern der Welt verkauft. Eine echte Erfolgsgeschichte. Das damalige Gefühl und die daraus resultierende Strategie stimmten also.


Wie wichtig ist Ihnen diese Gefühlsebene?

Gefühle und Empathie sind sehr wichtig. Auch wenn man häufig sagt, dass ein Manager rational handeln muss. Natürlich sind Akademiker Kopfarbeiter, aber das ist nur das Handwerkszeug, welches man sich über Jahre erworben hat. Am Ende muss das Gefühl stimmen. Das ist auch heute noch so, wo es bei Entscheidungen um Millionen geht, um viele Mitarbeiter, neue Produkte oder strategische Maßnahmen.


Welchen Platz hat die Ratio bei solchen Entscheidungen?

Natürlich machen wir Forecasts und Amortisierungsberechnungen, wenn es um Investitionen geht. Trotzdem geht man als Unternehmer und Entrepreneur ein Risiko ein. Dann kommt es auf dieses innere Gleichgewicht an, das sich einstellt oder nicht. Das ist Bauchgefühl. Manchmal fehlt ein Tropfen, dann geht man mit einer Idee monatelang schwanger und plötzlich weiß man, jetzt machen wir das.


Wie reagieren Ihre Mitarbeiter in solchen Situationen?

Manche sind überrascht, weil sie denken, jetzt haut er so ein Ding aus der Hüfte, obwohl man sich damit schon Jahre beschäftigt hat. Es ist vielleicht ein Mosaiksteinchen, das noch gefehlt hat, eine Reise nach Asien oder in die USA, ein Messebesuch, Mitarbeitergespräche, egal auf welcher Hierarchieebene. Man schläft gut und am nächsten Morgen ist alles klar.


Dann sind alle Fragezeichen weg?

Ja, wenn ich erst einmal grünes Licht gebe, geht es los. Dann lasse ich auch keinen Zweifel aufkommen, dass wir das Projekt umsetzen – trotz Widerständen. Mit Glaubwürdigkeit und Begeisterung sowie Beharrlichkeit und Mut zur Veränderung bringt man auch die Mitarbeiter, ob Ingenieure oder Controller, als starkes Team hinter sich und die Idee.


Konnten Sie sich in der Vergangenheit immer auf Ihren Instinkt verlassen? Meistens.

 

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"Wir ziehen die Evolution der Revolution vor" – MKN-Chef Georg Weber über Gefühle im Management, die Standort-Verbundenheit von Familienunternehmen und den Spagat zwischen Großküche und Spitzenrestaurant (2/4)

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