In der alten Schlosserei des Rammelsberg blicken 700 Augenpaare erwartungsvoll in Richtung Bühne. Es ist Mitte April, und die Folk-Metaller von Subway to Sally machen sich bereit für ihre „Schicht“ im ehemaligen Bergwerk. Es ist bereits das 19. Konzert dieser Art. Wie es dazu kam? Wir haben mit Sören Behme, Giovanni Graziano und John-Pierre Callies gesprochen. Zusammen mit Christian Burgart und Arkadiusz Szczesniak veranstalten sie die Miner’s Rock-Konzerte. Was sie verbindet, ist die Liebe zur Musik – und zu ihrer Heimat Goslar.
Wie ist die Idee entstanden, im Rammelsberg Konzerte zu veranstalten?
Sören: Mit Giovanni habe ich vor 20 Jahren die Goslarer Musik Scene als gemeinnützigen Verein gegründet, damit kleinere Bands eine Möglichkeit haben, aufzutreten. Nach 14 Jahren haben wir zusammen mit Christian und Arkadiusz Miner’s Rock gegründet. John kam später dazu.
Giovanni: Da wir Herausforderungen lieben, haben wir gedacht, wir nehmen uns gleich ein Weltkulturerbe vor. Also haben wir uns mit Gerhard Lenz, dem Bergwerksdirektor, zusammengesetzt und über ein Musikformat am Rammelsberg gesprochen.
Hatte die Stadt in diesem Bereich Nachholbedarf?
John: Wir wollten eine Bereicherung für Goslar schaffen. Der Ort bietet sehr viel, aber für Konzerte musste man nach Braunschweig oder Hannover fahren. Es war natürlich eine Herausforderung, entweder bekannte Bands herzuholen oder den richtigen Riecher für Newcomer zu haben.
Giovanni: Max Giesinger war zu dem Zeitpunkt, als wir ihn gebucht haben, zum Beispiel noch nicht sehr bekannt. Er ist damals mit seinem Gitarrenkoffer aus dem Bus gestiegen und reingegangen, ohne entdeckt zu werden.
Was macht den Rammelsberg als Konzertstätte aus?
John: Die alte Schlosserei mit ihrem industriellen Charme ist keine alltägliche Konzert-Location – weder für das Publikum oder die Künstler noch für uns. Es ist eine schwierige, aber interessante Aufgabe so ein Gelände zu bespielen. Bei einem Weltkulturerbe gibt es einiges zu beachten.
Giovanni: Viele Gäste, die von außerhalb kommen, lassen sich von dieser außergewöhnlichen Kulisse verzaubern. Andere kommen einfach vorbei, weil sie es so gut finden, was wir hier machen. Diesen Ort vergessen die meisten Leute nicht mehr.

Im Stollen wurde über 1.000 Jahre Erz abgebaut. Wie fließt die alte Tradition in eure Veranstaltungen ein?
Giovanni: Goslar ist eine Bergmannsstadt und wir fanden, dass der spezielle Sprech weiterleben sollte. Deswegen wird sich mit Glückauf begrüßt, die Konzerte heißen Schichten und unsere Sponsoren nennen wir Kumpel.
Sören: Wir haben noch eine Tradition bewahrt: Vor jedem Konzert singt das Publikum gemeinsam mit einem Bergmann das Steigerlied. Wenn ich diesen Chor höre, bekomme ich jedes Mal Gänsehaut.
John: Bis vor kurzem hat das ein guter Freund von uns gemacht. Helmut Krauss, der bis zu seinem Tod hier in Goslar gewohnt hat. Man kennt ihn als Herrn Paschulke, der Nachbar von Löwenzahn. Als Bergmann war er eine Erscheinung.
Wie sieht die Aufgabenverteilung zwischen euch aus?
Giovanni: Ich übernehme die Bandbetreuung und den grafischen Bereich, wie die Homepage und Flyer-Gestaltung. Sören kümmert sich um Finanzen und den Ticketshop.
Sören: Auch die Firmenverwaltung liegt bei mir, weil ich zusammen mit Christian die Geschäftsführung innehabe. Christian befasst sich außerdem mit Öffentlichkeitsarbeit und Band-Booking.
John: Dann haben wir noch Arkadiusz für das Sponsoring. Das heißt, er darf Klinken putzen und Leute überzeugen, uns zu unterstützen. Meine Aufgabe ist es, Genehmigungen bei den Behörden einzuholen, den Gastro-Bereich zu leiten und dafür zu sorgen, dass bei Einlass alles fertig aufgebaut ist.
Wie häufig trefft ihr euch für die Planung?
Sören: Die Planung für das Open Air startet schon anderthalb Jahre im Voraus. In der Regel treffen wir uns einmal im Monat, manchmal auch per Video.
John: Anfangs haben wir in einer WhatsApp-Gruppe geplant, das war aber schnell zu viel Kuddelmuddel. Deshalb nutzen wir jetzt eine Cloud, in der wir alles jederzeit griffbereit haben. Zusätzlich nutzen wir Asana als Projektmanagement-Tool.
Giovanni: Das ist wirklich hilfreich, um den Überblick zu behalten. Denn es gibt ja auch noch den normalen Job, den man erledigen muss.
Gutes Stichwort… Ihr organisiert das Miner‘s Rock ehrenamtlich in eurer Freizeit. Wie funktioniert das?
John: Das muss man schon wollen. Bei fünf Leuten ist es schwer, Termine zu finden. Wir haben alle relativ viel um die Ohren und arbeiten verstreut.
Sören: Ich glaube unser Vorteil ist, dass wir es nicht hauptberuflich machen, sondern nur ein-, zweimal im Jahr. Wir organisieren das Festival mit Liebe und Hingabe, weil es möglichst gut werden soll. Das funktioniert aber nur, weil jeder seine Stärken richtig einsetzen kann.
Habt ihr noch eine Work-Life-Balance?
John: Dadurch, dass wir es gerne machen, fühlt es sich meistens nicht wie Arbeit an. Trotzdem muss man Prioritäten setzen – der Tag hat nur 24 Stunden. Wegen beruflichen und privaten Veränderungen haben wir nun auch die Entscheidung getroffen, dass die Schichten mit Axel Prahl und ASP im Dezember die letzten sein werden. Wir wollen uns künftig lieber auf das Open Air konzentrieren.
2017 hatte das Open Air Premiere. Was habt ihr seitdem verändert?
John: Das erste Open Air war nicht so, wie wir es uns vorgestellt haben – vor allem der Kartenverkauf. Zwei Jahre danach haben wir entschieden, noch einmal Anlauf zu nehmen. Weil fünf Bands an einem Tag viel Geld kosten und logistische Schwierigkeiten mit sich bringen, haben wir überlegt, die Konzerte auf drei Tage zu verteilen – und das war die richtige Entscheidung.
Was könnte das Festival noch besser machen?
John: Wir wollen unbedingt mal Kettcar dahaben!
Wie finanziert sich so eine Veranstaltung?
Sören: Bei 35 Euro pro Karte und 700 Gästen nimmt man pro Schicht 24.500 Euro ein. Davon geht die Steuer ab und die Band erhält ihren Anteil – das ist meist der größte Kostenpunkt. Dann gibt es die Bühne, Stromverbrauch, wir müssen Personal bezahlen und Eintrittskarten drucken. Es kommen so hohe Kosten zusammen, die sich nicht mit dem Geld aus dem Kartenverkauf decken lassen. Da kommen die Sponsoren ins Spiel.
Geht ihr in der Regel mit einem Plus oder Minus aus den Veranstaltungen?
Giovanni: Es war nie unser Ziel, damit Geld zu machen. Der Spaß stand immer im Vordergrund.
Sören: Das würde auch nicht funktionieren. Wenn jeder von uns 2.000 Euro als Gehalt einstreichen würde, bliebe nicht mehr viel übrig. Mal bringt ein Konzert ein bisschen mehr ein, mal ein bisschen weniger, sodass es übers Jahr meist auf Null hinausläuft.
John: Reich wirst du damit nicht. Aber so etwas nebenberuflich zu machen, schweißt zusammen.
Seit letztem Jahr sind die Energiepreise stark gestiegen. Merkt ihr davon etwas?
Sören: 2019 haben wir Festival-Tickets verkauft, wegen Corona konnte es aber erst drei Jahre später stattfinden. Beim Shuttle-Service haben wir dannviel mehr bezahlt, weil die Spritpreise hochgegangen sind, genauso wie die Strompreise für die Bühnentechnik und der Mindestlohn. Eigentlich hätte jeder Besucher nochmal drei Euro mehr zahlen müssen, um das auszugleichen.
Musstet ihr die Preise für das diesjährige Open Air erhöhen?
John: Die Ticketpreise steigen etwas, das geben die Künstler mehr oder minder vor. Weil die Tickets aber nicht unendlich teurer werden können, haben wir uns entschieden, den Getränkebereich zukünftig selbst in die Hand zu nehmen. Das bedeutet zwar mehr Arbeit und Stress, aber es gibt uns auch die Möglichkeit weitere Einnahmen zu generieren – was uns ein Stück weit rettet.
Giovanni: Back to the Roots! Ich meine, wir haben damals nichts anderes gemacht, als am Bierwagen zu stehen, während wir den Ablauf koordiniert und eine Band betreut haben.

Wie trägt eure berufliche Expertise zum Miner’s Rock bei?
Sören: Ich habe Industriekaufmann gelernt und bin seit vier Jahren in der IT. Gerade das Verwalten und Organisieren liegt mir.
John: Sören kann einem immer sagen, wie viel wir gerade im Minus oder Plus sind. Christian war früher Pressesprecher, er ist ein Netzwerker und Macher-Typ. Und Arkadiusz, der das Ordnungsamt der Samtgemeinde Papenteich leitet, kommt in seinem Job mit vielen Leuten zusammen.
Giovanni: John arbeitet bei einem Pflegeanbieter und ich bin Pädagoge – die Menschenkenntnis hilft bei der Organisation. Und als Musiker wissen wir, wie das Tourleben funktioniert und worauf man achten sollte – zum Beispiel, dass es ein ordentliches Catering gibt und nicht nur zwei Nudeln mit Ketchup.
Was ist euer Erfolgsrezept?
Sören: Unserer Berufserfahrung und dem Alter ist es geschuldet, dass wir gelernt haben, einen kühlen Kopf zu bewahren. Dazu kommt: Wir machen den Scheiß schon seit20 Jahren. Uns kann nicht mehr viel erschüttern.