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30. Mai 2023
Entscheider

„Ohne die große Finanzkrise hätte es uns vermutlich nie gegeben“

In diesem Jahr nullt die Braunschweiger Privatbank zum ersten Mal. Höchste Zeit für ein Gespräch mit ihrem Leiter Sascha Köckeritz.

Sascha Köckeritz freut sich über die Erfolgsgeschichte der Braunschweiger Privatbank. Foto: Stephanie Joedicke

Die Braunschweiger Privatbank feiert Geburtstag. Wie fühlt sich die erste Null an?
Juristisch gesehen haben wir am 7. Mai 2013 Geburtstag. Da wurden wir ins genossenschaftliche Register eingetragen. Offiziell gestartet, nach Arbeitsverträgen, sind wir am 1. April. Die Türen haben wir aber am 15. April aufgeschlossen, damit wir noch ein bisschen einrichten konnten.

Sie waren von Anfang an dabei. Wie sahen die Beginne aus?
Erstmal waren wir im Nachbargebäude, im 13. Obergeschoss. Und da haben wirklich bei null angefangen: Null Kundenbeziehung, null Akten im Schrank, null verwaltetes Volumen. Das war ungewohnt. Es herrschte aber eine Aufbruchstimmung, das war richtig begeisternd. Als Jürgen Brinkmann uns die neuen Räumlichkeiten übergab und uns die neuen Kolleg:innen begrüßten, hatten manche schon Freudentränen in den Augen.

Mittlerweile ist einiges passiert. Möchten Sie konkrete Meilensteine herausheben?
Da gibt es eine Vielzahl. Das Thema Qualität ist aber unser roter Faden. In diesem Bereich bundesweit einen Spitzenplatz im Private Banking zu belegen war immer unser Ziel. Das beginnt bei unseren Mitarbeiter:innen, geht weiter über Prozesse und Produktwelten und mündet in unserer Beratungsphilosophie. Daraus ergeben sich naturgemäß Meilensteine, etwa unsere erste schwarze Null 2018 oder unsere Marktführerschaft in der Region. Wir glauben, dass die Zahlen der Qualität folgen, daher war uns die Quantität nicht so wichtig. Trotzdem sind wir bundesweit aufgestellt und die Eröffnung unserer Filialen in Köln 2021 und Osnabrück 2022 waren ebenso ein Meilenstein.

Warum Köln und Oldenburg?
Wir haben schon immer etwa die Hälfte im überregionalen Geschäft verdient. In Köln haben wir ein Team auf dem Weg in die Selbstständigkeit getroffen, das nach Sicherheit gesucht hat. Da hat der unternehmerische Fit einfach gepasst! Und in Oldenburg hatten wir den Kollegen Alexander Eckel, der auch Geschäftsführer einer unserer Töchter ist. Mit ihm haben wir dort neue Schwerpunkte gelegt und mittlerweile vier Mitarbeiter:innen. Beide Regionen eint, dass der Markt für uns sehr attraktiv ist. In Köln ist der Markt seit dem Zusammenbruch von Sal. Oppenheim immer noch sehr zersplittert und bietet Wachstumsmöglichkeiten. In Oldenburg gibt es einen starken Mittelstand, dazu erfindet sich der Bankenplatzhirsch gerade neu.

Sie suchen also zuerst die Region aus und dann die Mitarbeiter:innen?
Es gestaltet sich aus Braunschweig einfacher in Köln, Oldenburg, Berlin oder Hamburg zu arbeiten, als in München, Nürnberg oder Freiburg. Das macht schon die Distanz. Die größte Herausforderung ist aber der kulturelle Fit. Wir müssen in die gleiche Richtung denken und dasselbe Konzept verfolgen. Unser Erfolgsgeheimnis ist unsere Philosophie und die wollen wir auch an anderen Standorten leben.

Welche Eigenschaften und Charakterzüge suchen Sie in Ihren Mitarbeiter:innen?
Eine gewisse Empathie sollten alle Kolleg:innen mitbringen. Soziale Kompetenz ist bei uns genauso wichtig wie fachliche. Wir haben oftmals sehr komplexe Vermögensstrukturen in der Betreuung. Sie sprechen dann die Unternehmensnachfolge an und beraten über Generationen hinweg. Sensible Themen wie Tod, Pflegebedürftigkeit und dergleichen sind da nicht fern. Das geht nur mit Empathie und persönlicher Erfahrung. Unsere Kund:innen suchen Ansprechpartner auf Augenhöhe.

Nehmen Sie bei jüngeren Kunden aus der Generation Z einen Wertewandel wahr?
In unserem Segment ist der noch nicht richtig klar und deutlich ausgeprägt. Aber diese Generation Z geht anders mit Geld um. Sie sieht die Lenkungswirkung des Geldes und legt es entsprechend an …

Es geht um mehr als die klassische Kapitalmaximierung?
Diese Generation erwartet mehr denn je Authentizität. Da haben wir einen Vorteil, weil unser genossenschaftliches Geschäftsmodell uns nur den Kunden gegenüber verpflichtet. Am Ende kommt es aber immer auf denjenigen an, der berät. Diese Generation schaut sehr genau hin und wir können uns schlicht niemanden leisten, der etwa Nachhaltigkeit für Quatsch hält. Weltbekannte Getränkemarken von internationalen Softdrinksherstellern werden gern getrunken. Diese gehören allerdings zu den größten Umweltverschmutzern weltweit. Das führt zu Diskussionen.

Sie haben in einem Interview 2018 gesagt, dass die Bank damals um die 800 Kundenverbünde betreute. Wie sieht es heute aus?
Wir bewegen uns aktuell bei etwa 2.000 Kundenverbünden und verwalten Vermögen von rund 1,5 Milliarden Euro. Wir sind jetzt bei 32 Mitarbeitern an allen drei Standorten. 2022 haben wir ein Betragswachstum von ungefähr von 15 Prozent hingelegt.

Welcher Anteil der 1,5 Milliarden liegt in der Region?
Etwa die Hälfte. Zwischen 40 und 60 Prozent.

Würden Sie sagen, Sie haben damit ihr Ziel erreicht, ein bundesweit geschätzter Ansprechpartner beim Private Banking zu werden?
Ja, das können wir mittlerweile sehr selbstbewusst sagen. Wir sind nicht überall an der Spitze aber im Bereich von Non-Profit-Organisationen, Corporate Responsibilities und dergleichen bundesweit sehr bekannt. Da werden wir durchaus als einer der Hauptplayer wahrgenommen.

Gerade am Anfang mussten Sie sich zwischen Private Banking und Genossenschaftsprinzip ein bisschen „einruckeln“, oder?
Es gab damals Vorbehalte, weil zwischen Private Banking und genossenschaftlichem Prinzip ein kultureller Unterschied bestand. Mittlerweile haben wir aber ein tiefes Verständnis füreinander. Wir wollten eine Revolution im positiven Sinne starten und das ist uns auch gelungen. Ich bin bei einem Projekt vom Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken, der das Thema Private Banking und Wealthmanagement als Geschäftsfeld aufgenommen und entwickelt hat. Daran sind mittlerweile dreizehn Banken beteiligt. Wir aus Braunschweig haben da viel bewegt.

Wie geht es der Branche insgesamt gegenwärtig?
Ich glaube, dass den Wenigsten bewusst ist, dass im Jahr 2022 ein Standardportfolio mit internationaler Ausrichtung etwa 20 Prozent an Wert verloren hat. Das gab es seit 1932 nicht mehr. Aber die Finanzmarktkrise 2007 hat uns demütig gemacht. Wir wissen jetzt, dass wir nicht allwissend sind und Krisen die neue Realität sind. Damit umzugehen, gehört zu unserem Handwerk.

Das müssen Sie erklären!
Wenn etwa ein Peter Thiel einen Post auf Social Media macht, ziehen plötzlich Millionen Follower ihr Geld ab. So wird eine große Bank wie die Silicon Valley Bank ganz plötzlich in die Illiquidität getrieben. Die Signature Bank wurde im selben Wirbel runtergezogen. Sie hatten keine ausreichenden Sicherheiten, die sie auf einen schnellen Zinsanstieg vorbereitet haben. Aber das ist komplett neu: In der Finanzmarktkrise hatten wir noch Zeit darüber zu beraten. Die haben wir heute nicht mehr. Außerdem: Die strukturelle Inflation wird hoch bleiben. Die Notenbanken werden die Grenze von zwei Prozent weiterhin nicht erfüllen können.

Bereitet Ihnen das Sorgen?
Eine hohe Inflation ist natürlich nicht gut, mit all den sozialen Ungerechtigkeiten, die sie schafft. Aber sie muss keine Angst machen. Das Zwei-Prozent-Ziel war eine politische Vorgabe. Frankreich wollte seinerzeit eigentlich drei Prozent Inflation, Deutschland ein Prozent. Also hat die EZB sich in der Mitte getroffen. Ob das einen wirtschaftlichen Sinn hat? Nein. Wir sehen auf der anderen Seite wieder ein gesundes Zinsgefüge. Darin können Chancen liegen. Die Braunschweiger Privatbank ist das beste Beispiel: Ohne die große Finanzkrise hätte es uns vermutlich nie gegeben.

Welche Rolle spielt der deutsche Finanzmarkt im globalen System?
Wenn wir ehrlich sind, ist unser Anteil zu vernachlässigen. Natürlich gibt es globale Akteure im DAX und wir haben einen sehr gesunden, innovativen Mittelstand und eine hohe Ingenieursdichte. Am Finanzmarkt dominieren aber internationale Player, deshalb sind unsere Portfolios auch global ausgerichtet.

Wer sind diese Akteure und was können wir von ihnen lernen?
Der US-Dollar bleibt Leitwährung. Und in jeder Krise, geht das Geld immer dahin zurück, wo es herkommt. Das ist für die USA quasi Wirtschaftsförderung. Oder ein konkretes Beispiel: Beim Thema Solar- und Windenergie waren wir Deutschen lange führend. Jetzt sehen die Amerikaner, dass damit Geld zu verdienen ist und gehen mit Volldampf voraus. Bei uns wird politisch sehr kurzfristig gedacht, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit erscheinen vielen hier als gegensätzlich. Dazu kommen die langwidrigen Entscheidungsprozesse.

Ist das ein Appell an Politik und Wirtschaft?
Eher an die Politik, hier fehlt gerade ein Zielbild. Jedes Unternehmen hat ein Ziel, wo es in drei, fünf oder zehn Jahren stehen will. In der Umweltpolitik gibt es das aktuell nur sehr bedingt. Da würde der Politik etwas Unternehmertum guttun.
Laut einer Studie könnte sich jeder dritte Deutsche vorstellen ein Konto bei Techgiganten wie Meta oder Google anzulegen.

Apple hat in den USA sogar schon eine Kreditkarte auf den Markt gebracht. Wie stehen Sie dazu, dass diese Unternehmen jetzt auf den Finanzmarkt drängen?
Der digitale Zahlungsverkehr ist den Banken durch Paypal und Co. ohnehin schon aus den Händen gerutscht. Von daher ist das wohl eine erwartbare Entwicklung. Trotzdem werden sich KIs in unserem Bereich schwertun. Andere technologische Entwicklungen, wie Blockchain, sind aber hervorragend einsatzbar, wenn es etwa um Eigentumsverhältnisse geht. Ein Wertpapier zu buchen kann hier lange Zeit dauern. Mit Blockchain-Technologie ist das innerhalb von Bruchteilen von Sekunden erledigt. Skandinavische Länder haben da schon jetzt eine Vorreiterrolle. Ich glaube aber, dass die jüngere Generation immer skeptischer gegenüber diesen Techgiganten wird.

Also wird KI nicht das Banking revolutionieren?
Wir als Privatbank wollen Prozesse digitalisieren, wie der ganze Sektor. Wir stehen aber auch dafür, Beziehungen zu personalisieren. Am Ende füttern Sie Algorithmen, die dann mal mehr und mal weniger Erfolg haben. Bei den Kunden wird schnell ein Bewusstsein dafür entstehen. Da haben wir aktuell die besseren Argumente als Meta. Und so schnell wird sich das nicht ändern.

Wie und wo würden Sie unseren Leser:innen gerade empfehlen, sinnvoll zu investieren?
Pauschal kann man nichts sagen, das hängt einfach von den Zielen und der Mentalität des Kunden ab. Aber das Schöne ist, dass die Zinsen zurück sind. Mittlerweile bekommt man Liquidität im Tages- und Termingeld verzinst. Anleihen eignen sich auch wunderbar, um diverse Modelle aufzubauen. Aktien sind schon immer unverzichtbar. Und dann gibt es natürlich die illiquiden Anlageklassen, wie Immobilien, für vermögende Kunden vielleicht auch betriebliche Beteiligungen. Ich rate meinen Kunden aber auch die ästhetischen Dividenden nicht zu vergessen. Ein Oldtimer in der Garage, ein schönes Bild über dem Sofa oder dergleichen. Daran kann man sich auch erfreuen! Wir erleben bei unseren Kunden zudem viel soziales Engagement. Einen positiven gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, zahlt auch jede Menge zurück.

Wie sieht die Braunschweiger Privatbank zum zwanzigsten Geburtstag aus? Ist Wachstum ein Thema?
Wir sind immer vom Dreiklang Qualität, Stabilität und Wertbeständigkeit getrieben. Aber gesundes Wachstum gehört schon dazu. Ich glaube, dass es lohnenswert ist, dass die Braunschweiger Privatbank in Deutschland stärker wahrgenommen wird. Das hören wir auch von unseren Kunden und davon dürfen wir ruhig auch profitieren.

Ist das gemeint, wenn Sie auf Ihrer Webseite schreiben, dass Sie als Institution im besten Sinne konservativ sind?
Der Begriff steht seit 2013 auf unserer Website und ist ganz bewusst gewählt. Vor der Finanzkrise galt konservativ als Schimpfwort in der Branche. Wir verbinden das Wort mit den Grundsätzen des ehrbaren Kaufmanns, nicht politisch. Tu das, was du sagst und sage nur das, was du tun kannst.

Inwieweit prägen Sie ganz persönlich die Braunschweiger Privatbank?
Eine meiner großen Stärken ist, dass ich selbst begeisterungsfähig bin und andere begeistern kann. Meine Aufgabe besteht darin, vernünftige Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich stelle die Bühne auf, schaffe vielleicht ein Bühnenbild, aber die Bühne muss vor allem von anderen bespielt werden. Wir schauen gemeinsam, wie wir besser werden können und ich halte dann auch den Kopf hin, wenn es mal nicht so läuft.

Sie haben für den öffentlich-rechtlichen Bankensektor ebenso gearbeitet, wie für den privaten. Inwiefern prägt das ihren Führungsstil?
Meine ersten Schritte und Erfahrungen kommen aus dem Landesbankenbereich. Dort habe ich viel über Management Skills und das Bankengeschäft gelernt. Ich schaue aber mit einem weinenden Auge auf den privaten Bankensektor. Neben Missmanagement – Fehler können ein großen Lerneffekt haben – habe ich aber auch professionelles Wealth Management erlebt. Da kam auch mal ein Grand Seigneur der Branche, der über zwei Billionen Dollar Assets verwaltet hat, nach Braunschweig, weil hier so eine Truppe Rock ‘n’ Roll gemacht hat. Mit dem sitzen wir dann bei Mutter Habenicht zum Mittagessen. Und dann lernt man so etwas wirklich grundlegend Bodenständiges, Transparentes, und Ehrliches kennen, wie die genossenschaftliche Welt. Das ist das nachhaltigste und belastbarste Modell, welches ich erlebt habe.

Feiern Sie eigentlich noch Geburtstag?
Wir haben uns bewusst gegen ein großes Event entschieden. Zehn Jahre sind schön, es sind aber keine 50 oder 100. Wir werden in diesem Jahr unser Marketingbudget für einige Charity Events einsetzen. Wir haben zum Beispiel Felix Neureuther für ein Golfturnier im September gewonnen. Da hoffen wir dann, etwa 50.000 Euro für regionale soziale Zwecke zu sammeln. Wir werden im August eine Oldtimer Ausfahrt durchs Braunschweiger Land machen, da soll auch Geld gesammelt werden. Wir wollen vor allem etwas zurückgeben.

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