28. August 2023
Entscheider

PowerCo-CEO: „Zelle und System sind das Herz der E-Mobilität“

Frank Blome im Interview über die geplante Produktion der Einheitszelle in Salzgitter

Frank Blome ist der CEO der PowerCo SE. Foto: Volkswagen AG

Frank Blome ist Ingenieur und ausgebildeter Elektriker. Und der Mann, der für Volkswagen die Entwicklung und Industrialisierung von Batterie-Technologien verantwortet und vorantreibt. Der CEO der PowerCo SE, so seine Berufsbezeichnung, spricht im Interview über die Beschaffung von Rohstoffen, die geplante Produktion der Einheitszelle in Salzgitter und die hohe Motivation neuer Kolleg:innen.

Herr Blome, wird die Produktion der Einheitszelle in Salzgitter wie geplant 2025 starten?
Der Bau kommt nach dem nassen Winter zügig voran und ist im Zeitplan. Das erste Gebäude ist überdacht, ein 200 Personen starkes Anlaufteam hat in Zusammenarbeit mit unseren Technologie-Partnern umfangreiches technologisches Know-how für den Anlauf der Zellfabrik gesammelt. Das gesammelte Wissen über Großserien-Produktionsabläufe wird jetzt an Kolleg:innen aus der Motorenfertigung weitergegeben, die ihrerseits Kompetenz aufbauen.

Nicht alle Autobauer wollen ihre Batterien selbst herstellen – warum ist das der richtige Weg für Volkswagen?
Das ist einfach: Zelle und System sind das Herzstück der E-Mobilität. Wer sie technologisch beherrscht und es versteht, die Kosten auch über intelligente Standardisierung und Skalierung zu optimieren, der wird Kund:innen überzeugen. Die Batterie spielt nicht nur kostenseitig, sondern auch über Performance-Parameter wie beispielsweise Reichweite und Ladegeschwindigkeit eine entscheidende Rolle für die Kundenzufriedenheit.

Der Vorstand der neuen Batteriegesell­schaft (v.l.n.r.): Jörg Teichmann, Soonho Ahn, Frank Blome, Sebastian Wolf, Kai Alexander Müller und
Sebastian Krapoth. Foto: Volkswagen AG

Wo steht Volkswagen technologisch heute im Vergleich zu Marktführern wie CATL oder LG Chem?
Wir sind Fast Follower im Batteriegeschäft, daher müssen wir schnell auf Augenhöhe mit den Wettbewerbern kommen. Der Schlüssel dafür ist die Einheits-Batteriezelle. Wir schaffen damit den Standard für große Stückzahlen, maximale Entwicklungsgeschwindigkeiten bei optimalen Kosten und dazu eine extrem hohe Flexibilität in der Auslastung unserer Werke. Wir übertragen so das seit Jahrzehnten gültige Erfolgsprinzip des Automobilgeschäfts – wenige Varianten bei hohen Stückzahlen zu produzieren – auf das Zellgeschäft. Um das Produkt zum Kunden zu bringen, haben wir ein Team aus Automotive-Expert:innen aus dem Volkswagen Konzern sowie Batterieexpert:innen zusammengestellt, die wir international rekrutieren.

Ein Stichwort, das häufig aus Volkswagen-Kreisen zur Batterie-Strategie zu hören ist, lautet Standardisierung. Was bedeutet diese in Bezug auf die Entwicklung und Herstellung?
Die PowerCo hat zwei strategische Schlüsselkonzepte als Alleinstellungsmerkmal: Die Einheitszelle und – daraus folgend – die Standardfabrik sind die Schlüssel zur Standardisierung. Die Einheitszelle wird bis 2030 markenübergreifend in bis zu 80 Prozent aller E-Fahrzeuge des Konzerns verbaut. Das schafft enorme Stückzahlen und damit Skalenvorteile mit deutlichen Kostenpotentialen. Das prismatische Format ist dabei immer gleich und kann mit den relevanten Zellchemien bestückt werden. Damit deckt die Einheitszelle alle Kundenanforderungen in einem Format ab und ist zudem zukunftsfähig für anstehende Produktinnovationen.

Bevor wir auf die Standardfabrik zu sprechen kommen: Können Sie uns schon sagen, wie die Batterie-Chemie der Zukunft aussehen wird?
Das würden unsere Konkurrenten auch gern wissen! Es wird jedenfalls keine Einheitschemie geben, sondern auf lange Sicht mehrere Batterie-Technologien nebeneinander für unterschiedliche Kundensegmente geben – von niedrigsten Kosten bis maximaler Performance. Wir entwickeln aktuell drei Alternativen, die wir Entry, Main und Best in Class nennen. Entry bedeutet beste Kosten, Main ist der beste Kompromiss zwischen Kosten und Performance und Best in Class hat die beste Performance.

Stichwort Standardfabrik: Was ist das und wo stehen Sie bei der Planung weiterer Batteriezellfabriken?
Die maximal standardisierte Fabrik ermöglicht hohes Tempo und maximale Effizienz bei der Industrialisierung der Zellproduktion. Die Bauzeit sinkt von Fabrik zu Fabrik um bis zu 50 Prozent und die Effizienz der Fabriken wird nach einem detaillierten Plan stetig verbessert. Wichtig ist, dass jede Fabrik jede Zellchemie produzieren kann.

Welche Rolle spielt Kathodenmaterial? Sie haben ja mit dem belgischen Technologie-Konzern Umicore ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet …
Eine sehr große Rolle. Kathodenmaterial ist der wichtigste technologische Hebel für die Batterieperformance und der größte Einzelfaktor bei den Gesamtkosten der Batterie. Damit ist dieser Teil der Wertschöpfungskette von zentraler strategischer Bedeutung für jeden Zellhersteller. Insofern sind wir froh, das Joint Venture mit unserem Partner Umicore aufzubauen. Bis zum Ende des Jahrzehnts werden wir in Europa Kathodenmaterial für 160 Gigawattstunden Zellkapazität pro Jahr produzieren. Das reicht für rund 2,2 Millionen vollelektrische Fahrzeuge.

Viele für die Batterieproduktion notwendige Rohstoffe liegen laut IEA geografisch noch konzentrierter vor als Erdöl: Kobalt stammt derzeit zu rund 70 Prozent aus dem Kongo. Der Großteil des Lithiums kommt aus Australien (52 Prozent), Chile (22 Prozent) und China (13 Prozent). Was bedeutet das für Ihren Job?
Wir sind zur Zeit stark damit beschäftigt, stabile, transparente und vorrangig regionale Lieferketten in Europa und Nordamerika aufzubauen. Wir sondieren permanent den Markt und sprechen mit vielen potenziellen Partnern in verschiedenen Weltregionen. Dabei konnten wir schon mehrere langfristige Lieferabkommen zu zentralen strategischen Batterierohstoffen wie Kobalt oder Lithium abschließen und verhandeln weitere.

Demontage von Batteriesystemen. Foto: Volkswagen AG

Stimmt es, dass der Volkswagen Konzern künftig auch eigene Minen betreiben wird, um sich die wichtigsten Batterie-Rohstoffe zu sichern?
Der kurz- bis mittelfristige Zell- und Rohstoffbedarf des Konzerns ist gesichert. Fakt ist aber auch: Die PowerCo muss ihre 2025 anlaufende Zellfertigung absichern. Wir sind hier auf einem sehr guten Weg und werden in den nächsten Monaten sicher die nächsten richtigen Entscheidungen treffen.

Können Sie in diesem Zusammenhang einmal kurz das Konzept des Closed-Loop-Recycling in Bezug auf die Factory in Salzgitter erklären?
Das klare Ziel ist es, den Kreislauf der Batterierohstoffe am Ort der Zellfertigung zu schließen. Dafür sammeln wir aktuell in Salzgitter in einer ersten Phase Erkenntnisse aus dem Betrieb der Pilotanlage Batterierecycling. Gleichzeitig erarbeiten wir Verfahren, die Produktionsausschüsse aus der Zellfertigung im Werk direkt zu recyceln, weil das deutlich effizienter ist. Wenn die Batterien dann am Ende der Lebensdauer in großen Mengen aus dem Markt zurückkommen, sind wir vorbereitet.

Wie hoch ist denn der Anteil recycelter Komponenten in der neuen Einheitszelle?
Die Historie des Elektroautos ist ja noch sehr jung und damit ist heute erst wenig Material für das Recycling vorhanden. Wir setzen aber alles ein, was am Markt für uns verfügbar ist. Wir haben eine Closed-Loop-Strategie und das bedeutet, dass wir langfristig das gesamte Material für neue Batterien aus recycelten Batterien gewinnen wollen.

Wie kommen Sie eigentlich an geeignete Forscher:innen und Entwickler:innen? Batterie-Fachleute sind doch weltweit ein sehr knappes Gut.
Stimmt, dennoch stellen wir jeden Monat Dutzende der besten Batterie-Talente aus aller Welt ein. Wir haben eine gute Strategie, die von allen verstanden wird, und wir sind ein internationales, diverses Team mit tollen Zukunftschancen. Viele unserer Bewerber:innen sagen uns: Ihr meint es wirklich ernst und das überzeugt mich. Außerdem ist die Kombination aus agilem Start-up mit starkem Rückenwind eines Großkonzerns attraktiv für unsere Mitarbeiter:innen.

Sie selbst sind ausgebildeter Elektriker. Wie oft schauen Sie noch selbst in der operativen Batterieforschung, -entwicklung und -fertigung vorbei?
So oft ich kann! Ich mag die Labore, die Produktion und auch die Büros unserer Mitarbeiter:innen deutlich mehr als die Besprechungsräume oder mein eigenes Büro.

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