Familienunternehmen – zwischen Zusammenhalt und internen Konflikten, Sicherheit und Risiko sowie Vorsorge und Nachfolge. In dieses Spannungsverhältnis taucht der Finanz- und Vermögensexperte Martin von Hirschhausen tagtäglich ein. Seine Kund:innen sind Familienunternehmer:innen deutschlandweit sowie in Österreich und der Schweiz. Als Laudator beim Unternehmerpreis der Region38 betitelte er die Nachfolge von Unternehmen als Königsdisziplin. Was er damit konkret meint, wie eine geschäftliche Vorsorge aussehen sollte und wie Unternehmen mit Krisensituationen wie Corona, Inflation oder Krieg umgehen, wollten wir von ihm genauer wissen. Im Videointerview hat er uns Rede und Antwort gestanden …
Von Hirschhausen kann auf 40 Jahre Berufserfahrung in der nationalen und internationalen Banken- und Finanzbranche, als Unternehmer sowie ehemaliger Bankvorstand zurückgreifen. Er trifft sich mit Unternehmer:innen, stellt ihnen auch unangenehme Fragen, um sie auf ihrem Weg zum Erfolg zu begleiten.
Wie würden Sie ein Familienunternehmen definieren?
Die zwei wichtigsten Faktoren sind für mich das Eigentum, mindestens 25 Prozent des Unternehmens befinden sich im Eigentum einer Familie, und im Regelfall die operative Verantwortung, also dass Familienmitglieder in der Geschäftsführung wirken. Mit beidem ist eine bestimmte Mentalität des Machens und des Umsetzens verbunden. Es sind nicht nur Zahlen, Daten und Fakten, sondern es ist auch eine Mentalitätsfrage, die Familienunternehmer von Angestellten unterscheidet.
Wie sieht demnach der/die typische Familienunternehmer:in aus?
Da gibt es kein typisches Exemplar – und das ist das Spannende. Sie müssen Energie und Durchsetzungsfähigkeit haben, sonst können sie an keinem Markt bestehen. Das ist die Basis und Voraussetzung für Erfolg.

Wer nimmt Ihre Beratung in Anspruch: Die aktuelle oder die zukünftige Generation?
Im Regelfall die aktuelle Generation: Für sie bin ich Sparringspartner für Strategie, bei Personal- und Kommunikationsfragen, aber auch für Nachfolgegestaltung. Hinzu kommt das Thema Privatvermögen. Oft wird dieses von Unternehmern eher stiefmütterlich behandelt, weil tagtäglich das Unternehmen im Vordergrund steht. Als dritter und wahrscheinlich auch emotionalster Bereich kommen familiäre Themen hinzu, wie Familienfrieden, Vorsorge oder Notfall.
Können Sie das konkretisieren?
Neben der Nachfolge ist das beispielsweise die Frage, was nach einem plötzlichen Ableben des geschäftsführenden Eigentümers passiert. Wie kann ich so vorausplanen, dass es im Unternehmen zukunftsorientiert weitergeht? Grundsätzlich gibt es immer Punkte, bei denen sich Unternehmer:innen nicht sicher fühlen. Es handelt sich dabei häufig um akute Fragestellungen, über die sie nicht nachdenken oder sich nicht die Zeit dafür nehmen möchten. Dafür dient eine Vermögensbegleitung wie ich es ganz bewusst nenne.
Wie vermögend sind Familienunternehmer:innen denn eigentlich?
Die Bandbreite reicht von Minus-Nettovermögen bis hin zu Milliardenvermögen. Wenn wir uns die Liste der reichsten Deutschen anschauen, dann sind das Familienunternehmer:innen wie Quandt, Albrecht, Otto oder Schwarz. Allerdings ist es ein Trugschluss zu glauben, dass jemand, der mit sieben, acht Milliarden Euro Vermögen auf der Liste steht, auch über dieses verfügen kann. Der weitaus größte Teil ist im Regelfall im eigenen Unternehmen gebunden.
Wie risikobereit sind Familienunternehmer:innen hinsichtlich finanzieller Investitionen?
Das hängt zunächst von der Risikotragfähigkeit des Unternehmens bzw. des Investors ab. Was kann ich als Unternehmen oder als Unternehmer:in abpuffern, wenn es mal schlecht läuft? Danach sollten sich die Risiken richten, auf die der Unternehmer bei Beteiligungen, Immobilieninvestments oder im liquiden Bereich eingeht.
Mal angenommen, das eigene Unternehmen ist stabil aufgestellt …
…dann spricht vieles dafür, dass ich etwas risikoreicher in den anderen Asset-Klassen investiere. Das heißt, ich kann durchaus in Gewerbeimmobilien, Aktien oder auch in Unternehmen außerhalb des Kerngeschäfts investieren. Wenn mein eigenes Unternehmen risikobehafteter ist, ist im Regelfall ein Ausgleich durch risikoärmere Investments zu empfehlen. Dies sind unter anderem Wohnimmobilien, Liquidität oder Staatsanleihen.
Sind Immobilien eigentlich als Vermögensanlage für Familienunternehmer geeignet?
Immobilien sind heutzutage Bestandteil fast jedes Nettovermögens. Insbesondere wenn es sich um Wohnimmobilien in guten Lagen handelt, ergeben sich stabile Cashflows.
Arbeiten Sie lieber zusammen mit Familien, die eine konservative Sicht auf Vermögen und Geld haben oder präferieren Sie Risikobereitschaft und kreative Ideen?
Meine Aufgabe ist herauszufinden, was zu den Unternehmer:innen passt. Meine persönliche Präferenz spielt dabei keine Rolle. Ich persönlich denke, es ist Unternehmeraufgabe, immer wieder Innovationen zu wagen und insofern risikoreich zu agieren.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihren Kund:innen aus?
Es ist ein vertrauensvolles und sehr persönliches Geschäft. Ich treffe mich mit meinen Kund:innen für Tagesworkshops. Zwischendurch gibt es monatlich, manchmal auch wöchentlich, online Kontakt, um Entwicklungen zu bestimmten Themen zu besprechen.
Mit welchen Anliegen kommen die Unternehmer:innen am häufigsten auf Sie zu?
Primär sind das Unternehmer:innen, deren Unternehmen sich in Schwierigkeiten befinden oder Restrukturierungsbedarf haben. Viele kommen auch wegen ihres Privatvermögens zu mir, aus den Gesprächen ergeben sich dann oft Familienthemen. Mit denen kommen per se weniger Unternehmer im ersten Anlauf zu mir. Die einzelnen Anliegen hängen aber zusammen, insofern ist es ein Dreiklang aus Unternehmen, Familie und Vermögen. Je nachdem, was den Einzelnen bewegt, wo es die größten Schmerzpunkte oder die größten Potenziale gibt. Damit fangen wir an!
Sie haben von der Nachfolge als Königsdisziplin gesprochen.
Worin bestehen die größten Herausforderungen?
Im rechtzeitigen Angehen dieses Themas – und das ist heute, nicht morgen. Das Unternehmen muss darauf vorbereitet sein, dass dem Unternehmer heute ein Unfall passieren könnte. Es ist zwingend notwendig zu wissen, wer als Eigentümer, wer als Geschäftsführer temporär oder langfristig Nachfolger wird. Es wäre verantwortungslos, sich mit diesem Thema nicht frühzeitig auseinanderzusetzen. Deshalb sollten die Themen Nachfolge und Notfall mindestens einmal im Jahr auf die Agenda gesetzt und in Ruhe betrachtet werden.
Wie können interne Familienkonflikte bei der Staffelstabübergabe vermieden werden?
Ich glaube nicht, dass Konflikte vermeidbar sind. Im Gegenteil: Sie sind, als unterschiedliche Interessen definiert, unausweichlich. Es wird in jeder Generation neue Konfliktthemen geben. Sie gehören zu dem Spannungsbogen aus Unternehmen, Familie und Vermögen. Was die Lösungsmöglichkeiten anbelangt, ist eine offene und ehrliche Kommunikation wichtig, gegebenenfalls auch das Hinzuziehen von Begleitern.
Gibt es eigentlich mehr männliche oder mehr weibliche Unternehmensnachfolger:innen?
Bis vor einigen Jahren wurden die Söhne für geeigneter angesehen. Das ändert sich aber zum Glück. Denn Töchter sind oft diejenigen, die offener kommunizieren, einen anderen Führungsstil haben und Mehrwerte in die Firmen einbringen, die durch die männlichen Nachfolger zum Teil nicht geleistet werden.
Kommen wir auf die aktuellen Krisen zu sprechen: Wie verändert sich durch Inflation, Corona und Krieg Ihre Arbeit?
Die damit verbundenen Risiken werden von den Unternehmer:innen bewusst wahrgenommen. Hier handelt es sich im Regelfall um volkswirtschaftliche oder sogar gesellschaftliche Krisen. Das hat beispielsweise Auswirkungen auf Standortplanungen und Lieferketten. Die Überlegungen, wie sich welcher Kontinent entwickelt und wo ich meine Schwerpunkte in der Produktion und im Absatz setze, werden heutzutage sensibler angegangen.
Wie gut können Familienunternehmer:innen mit diesen Risiken umgehen? Bereiten sie ihnen schlaflose Nächte oder fühlen sie sich und ihr Auskommen noch sicher?
Grundsätzlich verfügen Unternehmer:innen über guten Schlaf. Es gibt so viele Risiken und unvorhergesehene Dinge, da ist die Inflation nur ein Glied in der Kette an Herausforderungen. Es gibt Branchen, in denen es tatsächlich dramatisch zugeht, zum Beispiel im Einzelhandel. Aber genauso gibt es Unternehmen, die von einzelnen Krisen profitieren, wie beispielsweise die Medizintechnik während der Corona-Zeit. Insgesamt steht der deutsche Mittelstand relativ stabil da, die Eigenkapitalquoten sind zumeist auskömmlich. Insofern gibt es einen gewissen Puffer, um auch schwierigere Zeiten und Verluste durchzustehen.
Folgen daraus unmittelbar mehr Begleitungen oder sparen die Unternehmer:innen daran?
Es gibt beides: Einige wünschen sich genau in diesen Situationen einen unabhängigen Begleiter, der mit ihnen sehr offen und vertrauensvoll spricht, auch mal den Spiegel vorhält und unangenehme Fragen stellt. Andere wiederum müssen im eigenen Unternehmen sparen und eventuell sogar Personal freisetzen und wollen sich keinen Begleiter leisten.
Zu guter Letzt: Wie oft werden Sie gefragt, ob Sie mit Eckart von Hirschhausen verwandt sind?
In 70 Prozent der Begegnungen, sei es direkt oder indirekt. Früher hat mich das etwas genervt. Eckart ist über Fernsehen und Medien sehr bekannt und bringt die Themen Medizin und Umwelt ins Bewusstsein der Gesellschaft.
Und Sie?
Mein Thema ist Familienunternehmer, das Rückgrat unserer Wirtschaft und Gesellschaft.