Mitarbeiterbindung ist für Unternehmen durch den Fachkräftemangel immer wichtiger geworden. Welche Rolle kann dabei ein Dienstrad spielen?
Unternehmen müssen sich auf die sich verändernde Mobilität der Mitarbeiter einlassen, um weiterhin attraktiv zu bleiben. Bei jungen Leuten ist das Thema Nachhaltigkeit im Kopf verankert. Das Auto ist für sie kein Statussymbol mehr, sondern das Fahrrad gewinnt an Beliebtheit und ist gerade im urbanen Bereich ein wichtiger Bestandteil der viel diskutierten Verkehrswende.
Ist Dienstradleasing vor allem etwas für große oder grundsätzlich für alle Unternehmen?
Definitiv für alle Unternehmen. Warum sollen nur die großen von den Vorteilen profitieren dürfen? Auch ein kleines Unternehmen kann seine Mitarbeiter dadurch besser binden und spart zusätzlich durch die Gehaltsumwandlung, auf deren Modell die meisten Leasingverträge basieren, Sozialabgaben.
Wer ist ein sinnvoller und kompetenter Ansprechpartner für Fragen? Wo gibt es beispielsweise Musterverträge oder eine unabhängige Beratung?
Große Leasinganbieter holen den örtlichen Fachhändler als Ansprechpartner mit ins Boot. Er kümmert sich nicht nur um die Bereitstellung und den Service der Räder, sondern kann auch Mitarbeiterveranstaltungen organisieren oder kleine Info-Fahrradmessen veranstalten. Außerdem ist er auch dazu da, Firmen von den Möglichkeiten zu überzeugen und unterschiedliche Varianten aufzuzeigen. Viele Fahrradhändler, die sich für die Leasing-Möglichkeit entschieden haben, setzen auf zwei oder mehr Leasingpartner. Somit ist bereits eine gewisse Vergleichbarkeit gegeben. Musterverträge für Unternehmen gibt es kostenlos auf den Seiten der einzelnen Anbieter. Eine unabhängige Beratungsstelle ist mir hingegen nicht bekannt.
Worauf sollte man bei der Wahl des Leasinganbieters achten? Gibt es unseriöse Akteure auf dem Markt?
Die Anzahl an Leasing-Akteuren ist in den letzten Jahren merklich gestiegen, da steigt natürlich auch die Gefahr, das unseriöse Anbieter auf den Markt kommen. Jobrad gilt als Pionier der Branche und hat deshalb eine langjährige Erfahrung sowie einen guten Ruf. Auch Leasingangebote direkt von Fahrradherstellern, z. B. Lease a bike von Derby Cycle oder Eurorad der ZEG-Gruppe, bringen einen Vertrauensvorschuss mit. Das Wichtige steckt allerdings im Detail: Die einzelnen Anbieter haben unterschiedliche Zusatzpakete, z. B. beim Service und der Versicherung. Interessierte Unternehmen sollten deshalb vergleichen, welchen Leistungsumfang sie ihren Mitarbeitern anbieten möchten und welche Kosten daraus
entstehen.
Welcher Verwaltungsaufwand kommt auf Unternehmen zu, die sich für Dienstradleasing entscheiden?
Der größte Verwaltungsaufwand besteht darin, sich für einen Leasingpartner zu entscheiden. Danach läuft das System meist äußerst unbürokratisch, was natürlich wieder vom einzelnen Partner abhängt.
Gibt es rechtliche oder steuerliche Stolpersteine, die man unbedingt beachten sollte?
Knifflig wird es bei Angestellten mit Tarifvertrag, da sich die Gewerkschaften gegen das Dienstrad-Leasing per Gehaltsumwandlung wehren. Aus ihrer Sicht profitieren von dem Modell nur Arbeitgeber und Leasing-Unternehmen, aber nicht der Angestellte. Der Mitarbeiter würde durch die eingesparten Sozialbeiträge bei Krankengeld, Arbeitslosengeld und Rente benachteiligt sowie generell die Gesellschaft die Kosten für die Ersparnis eines Einzelnen tragen. Ende letzten Jahres wurden zudem Fälle bekannt, da durch fehlende Tarifregelungen für kommunale Angestellte Nachforderungen der Sozialkassen gegenüber Dienstrad-anbietenden Kommunen aufkamen. Ansonsten sind viele Stolpersteine in den letzten Jahren abgearbeitet worden. Allerdings können immer wieder individuelle Probleme auftreten, weshalb ein Steuerfachmann in diesem Bereich hilfreich ist.
Wie wichtig ist eine Radversicherung?
Die Radversicherung ist enorm wichtig, um im Falle eines Unfalls oder Diebstahls abgesichert zu sein. Da der Radfahrer nicht der Eigentümer des Rades ist, ist es für den Leasinganbieter wichtig, eine Absicherung zu haben, falls etwas mit dem Rad passieren sollte. Auf der anderen Seite profitiert der Arbeitnehmer, wenn etwas mit seinem Rad passiert, in dem einfach Ersatz bereit gestellt wird und keine zusätzlichen Kosten für ihn entstehen. Deshalb werden Leasingräder nie ohne Versicherung überlassen. Wichtig zu wissen: Wenn man mit dem Dienstrad an einer Sportveranstaltung teilnimmt, erlischt der Versicherungsschutz. Wenn man das Rad hingegen privat für Ausflüge oder zum Training nutzt, bleibt er erhalten.
Und ein Wartungsvertrag?
Er sorgt dafür, dass das Fahrrad bzw. E-Bike im guten Zustand ist und so der Spaß am Radfahren nicht verloren geht. Gerade sicherheitsrelevante Teile wie Bremsen oder Licht müssen regelmäßig kontrolliert werden. Auch Verschleißteile können im Rahmen eines speziellen Servicevertrags mit abgedeckt werden. Als Bonbon kann dieser Service auch vom Arbeitgeber übernommen werden. Dann muss sich der Radfahrer nur noch um das Aufpumpen der Reifen kümmern.
Steuerberater raten, dass sich Arbeitgeber finanziell beteiligen sollten, damit nicht der Arbeitnehmer vom Fiskus als eigentlicher Leasingnehmer betrachtet wird. Wie groß muss der Arbeitgeberanteil sein?
Dieses Problem ist mir aus den Anfängen des Dienstrad-Leasings bekannt, sollte aber meines Wissens mittlerweile bereits behoben sein. Hier lag ein Missverständnis von Seiten des Finanzamtes vor, was für Verwirrung sorgte. Der Leasingvertrag darf nämlich keine fixe Kaufoption enthalten. Da in der Regel ein Überlassungsvertrag zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer abgeschlossen wird und der eigentliche Radkauf über den Arbeitgeber abgewickelt wird, tritt dieser gegenüber dem Finanzamt als Leasingnehmer auf. Für den Arbeitgeber kommen keine weiteren Kosten hinzu. Allerdings können die entstehenden Servicekosten bei einer Lohnsteuerprüfung beanstandet werden, wenn diese nicht vom Arbeitgeber getragen werden. Bei einem Dienstwagen übernimmt der Arbeitgeber die Wartungskosten. Also sollte er es auch bei einem Dienstfahrrad tun.
Was passiert mit dem Leasingvertrag, wenn ein Mitarbeiter während der Laufzeit ausscheidet?
Da das Rad per Überlassungsvertrag an den Mitarbeiter gegeben wurde, ist der eigentliche Eigentümer immer noch der Arbeitgeber. Deshalb bestehen in Absprache mit dem Unternehmen, dem Leasinganbieter und dem Mitarbeiter unterschiedliche Möglichkeiten. Der Überlassungsvertrag wird gekündigt und der Arbeitnehmer zahlt den fälligen Anteil für die Restlaufzeit sowie den Restbetrag an das Unternehmen, das wiederum einen Auflösungsvertrag mit dem Leasinganbieter ausbezahlt und den Vertrag kündigt. Auch besteht die Möglichkeit, das Fahrrad beim neuen Arbeitergeber wieder zu leasen, wenn dieser den gleichen Leasingpartner hat. Außerdem kann ein anderer Mitarbeiter aus dem Unternehmen das Rad übernehmen. Oder der bisherige Arbeitgeber kann das Rad übernehmen und in seinen Fahrzeugpool aufnehmen.
Auf den ersten Blick wirkt gerade die Kaufoption nach Ende des Leasingvertrages attraktiv. Die Differenz zwischen dem vergünstigten Kaufpreis und dem tatsächlichen Zeitwert des Rades muss aber versteuert werden. Ist das ausreichend bekannt und transparent?
Das Thema kam vor ca. zwei Jahren groß auf, als die erste Welle an rückläufigen Leasingrädern von den Radfahrern übernommen wurde. Damals wurde in der Regel der Restwert mit 10 Prozent des UVP angegeben, was eine Übernahme äußerst interessant machte. Dieser fixe Wert wurde vom Finanzamt bis 2017 auch akzeptiert, dann allerdings als zu gering kritisiert und ein Restwert von 40 Prozent als sinnvoll angegeben. Dieser ist jedoch aufgrund des immensen technischen Fortschritts gerade im E-Bike-Bereich als deutlich zu hoch angesetzt und als nicht realistisch zu betrachten. Dennoch hatte es Folgen, da die 30 Prozent Differenz als geldwerter Vorteil zu versteuern sind. Die Lösung ist aktuell, dass der Übernahmepreis je nach Leasinganbieter zwischen 15 und 20 Prozent variiert und die Kosten des geldwerten Vorteils der Leasinganbieter übernimmt. So treten keine zusätzlichen Kosten für den Radfahrer auf.
Welche Infrastruktur sollte ein Unternehmen bereitstellen?
Wichtig sind in erster Linie passende Abstellanlagen. Felgenkneifer sind zwar leider noch immer bei Firmen beliebt, da äußerst günstig, sollten aber eigentlich ausgedient haben. Anlehnparker für ein sicheres Ab- und vor allem Anschließen sind als eine Standardausrüstung für Unternehmen zu sehen. Diese dann auch noch überdacht und ein erster Schritt ist gemacht.
Wer das etwas platzsparender haben möchte, kann auch Fahrradlifte zum senkrechten Parken installieren. Premiumlösungen bieten zudem noch Ladestationen für Elektroräder an. Wenn von den Mitarbeitern gewünscht, sind auch Duschen und Umkleidemöglichkeiten mit Spinden für Wechselkleidung eine sinnvolle Anschaffung. Hinzu unterstreicht das kostenlose Bereitstellen von Werkzeug und Luftpumpe das Engagement.
Die vom Bundestag beschlossene Steuerbefreiung von Dienstfahrrädern greift nur, wenn der Arbeitgeber das Fahrrad „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ bereit stellt. Auf welchen Anteil der Verträge trifft das zu?
In Deutschland gibt es mittlerweile rund 200.000 Diensträder. Die meisten davon basieren auf dem Modell der Gehaltsumwandlung. Konkrete Zahlen gibt es allerdings nicht. Es ist aber davon auszugehen, dass die steuerbefreite „on-top“-Lösung sehr gering ist. Ich würde grob im einstelligen Prozentbereich tippen. Der Gesetzgeber hat jedoch auch für Radfahrer nachgebessert, die ihr Dienstrad per Gehaltsumwandlung beziehen. Durch eine Gesetzesänderung im März fallen Dienst-E-Bikes unter die neue 0,5-Prozent-Regelung, die auch für Elektroautos gilt.
Alle neuen Dienstrad-Leasingverträge, die zwischen 1. Januar 2019 und 31. Dezember 2021 abgeschlossen werden, müssen damit nur noch mit halbem Steuersatz versteuert werden.
Studien deuten darauf hin, dass Menschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen, seltener krank werden. Wie belastbar sind solche Ergebnisse?
Da sich mittlerweile nicht nur Radfahrverbände, sondern auch Krankenkassen auf die Ergebnisse berufen, wird die Glaubwürdigkeit der Studien untermauert. Es geht dabei nicht nur um die körperliche Gesundheit durch die regelmäßige Bewegung. Durch die Bewegung in der Natur werden mehr Farben aufgenommen, was sich positiv auf die Psyche auswirkt.