Herr Brüderlin, warum ist Kunst die teuerste Luxusware der Welt?
Das war sie immer schon. Wobei die Preisentwicklung heute auf dem Kunstmarkt aberwitzig ist. Wichtig ist zu wissen, dass der „Preis“, der für ein Werk bezahlt wird, immer weniger mit dem „Wert“ der Kunst zu tun hat. Kunst ist eben nicht nur Ware, sondern birgt vor allem ideelle Werte.
Im letzten Jahrhundert definierten Kritiker und Museen, was gute Kunst ist. Heute besitzen reiche Kunstsammler im Kunstmarkt eine immer größer werdende Macht. Wie gefährlich ist das für Museen?
Die Museen sind nach wie vor das unverzichtbare NAVI im Dschungel der Deutungen und Rankings. An der Qualitätskontrolle der Geschichte und der Wissenschaft kommt langfristig kein Ranking vorbei. Als unabhängige Institutionen sind wir der Kunst, der Gesellschaft und künftigen Generationen gegenüber verantwortlich, wenn wir Werke ausstellen und bewahren, die wir für künstlerisch wertvoll erachten. Privatsammler sind dagegen nur sich selbst verpflichtet. Den Museen gehört die Deutungshoheit. Darüber hinaus fallen Privatsammlungen, wenn sie sich als wertvoll erweisen, ohnehin über kurz oder lang an die Museen.
Kunst ist zu einem Spekulationsobjekt, zu einer Ware geworden. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Kunst war immer auch Ware. Das Wortspiel „Die wa(h)re Kunst“ demonstriert diese Doppelwertigkeit. Kunst als Aktie? Ich kenne keinen seriösen Händler oder Bank, die ihren Kunden sagen, wenn du das und das kaufst, kannst du damit Geld verdienen. Tatsächlich wird Kunst aber von vielen Menschen als reines Prestigeobjekt benutzt. Das sind aber dann meist auch Leute, die morgen schon umsteigen und eine Yacht kaufen. Gute Kunst ist aber viel mehr: Sie ist Kondensat von Geschichte, sie ist ein Stück gelebtes Leben und das ist nicht einfach nur durch den großen Geldbeutel, sondern vor allem durch Persönlichkeit zu haben.
Welche Künstler würden Sie für Ihr Museum ankaufen, wenn Sie unbegrenzt Geld zur Verfügung hätten?
Unbegrenzt ist nicht gut, in der Beschränkung zeigt sich der Meister! Aber in der Tat machen es die davongaloppierenden Preise den Museen schwer, adäquat zu sammeln. Die gute Ankaufpolitik in der Frühzeit des Museums, wo die Preise noch moderat waren, hat eine solide Basis gelegt, mit der wir heute gut arbeiten können, sowohl intern wie auch extern. So senden wir Leihgaben als „Botschafter“ des Kunstmuseum Wolfsburg in die Welt ob nach New York, Paris oder London. Zu meiner Wunschliste gehören zunehmend Künstler nichtwestlicher Länder wie etwa Ai Weiwei ein grandioser Künstler, der chinesische Joseph Beuys. In unseren Ausstellungen, wie etwa der kommenden „Kunst & Textil“, zeigen wir globale Kunst und das soll sich in der Sammlung niederschlagen. Nächstes Jahr feiern wir unser 20-jähriges Jubiläum, und da gibt es viele Geburtstagswünsche.
Macht Geld Sie glücklich?
Nein! Es ist nicht das Geld, das glücklich macht, sondern was man damit anfängt, wie man es in Bedeutung und Sinn umsetzt. Und da besitzen Museen eine wichtige Funktion. Wir führen vor, wie man durch kreative Ausstellungen überraschende Zusammenhänge herstellen und Bedeutung schaffen kann. Museen sind Bedeutungsmaschinen. Das schlägt sich übrigens auch in Zahlen nieder: Die Museumswelt boomt.
Haben Sie gewusst, dass viel mehr Menschen ins Museum gehen als in Fussballstadien? Inwieweit verändert das Internet den Kunstmarkt? Gibt es hier einen Demokratisierungsprozess?
Das World Wide Web birgt gleichermaßen Chancen und Risiken. Die Sichtbarkeit von Werken und die Zugänglichkeit mag sich sowohl für Professionals als auch für Laien verbessern. Die massenhafte Verbreitung und die Entmaterialisierung durch das Internet zeitigt übrigens für Museen einen merkwürdigen Effekt: Das Bedürfnis nach dem Original und nach der realen Begegnung mit dem Kunstwerk vor Ort steigt. Das ist ein großer Vorteil des Museums: Es arbeitet mit Originalen und es ist ein Ort, an dem man ganz andere, authentische Erfahrungen machen kann. Die ungeheure Wirkung der monumentalen Lichtinstallation „Bridget ´s Bardo“ von James Turrell vor drei Jahren konnte man nur in Wolfsburg erleben. Und paradoxerweise hat unser Internet-Clip auf unserer Homepage enorm viel dazu beigetragen, dass sich die Menschen sagten, wow, da musst du hin!