Herr Streiff, wie kann man sich die Wirtschaftsjunioren Braunschweig in den Anfangsjahren vorstellen?
Helmut Streiff: Ich kam erst vier Jahre nach Gründung dazu, aber auch zu dem Zeitpunkt waren wir noch ein kleiner, feiner Verein mit dem Namen „Juniorenkreis im Bezirk der Industrie- und Handelskammer Braunschweig“. Es gab einen großen Tatendrang und viele gute Leute, die auch heute noch für Begriffe wie Ehrenamt und Führungsverantwortung stehen. Was uns damals ebenfalls stark gemacht hat, war die Tatsache, dass wir bis 1985 als einziger Verein bei den Wirtschaftsjunioren Deutschland mit Werner Vehling einen Hauptgeschäftsführer einer IHK als Betreuer hatten. Aus meiner Erinnerung heraus waren wir damals um die 35 Mitglieder mit steigender Tendenz. Als Adalbert Wandt dann 1985 Hanseraumsprecher wurde und wir in dem Jahr eine Hanseraumkonferenz in Braunschweig ausrichteten, waren wir endgültig bei den Wirtschaftsjunioren Deutschland angekommen.
Was waren damals die wichtigsten Ziele und Visionen?
Helmut Streiff: Ein wesentliches Ziel war die Unterstützung von Schulen und Schülern in wirtschaftlichen Themen sowie die Vorbereitung dieser auf regionale Unternehmen. Unternehmer hatten damals nicht immer ein gutes Image an Schulen – das wollten wir verbessern. Harald Tenzer hatte zum Beispiel die Idee zum Schülerwettbewerb, der später vielen anderen Kreisen als Vorbild gedient hat. 1983 erschufen wir dann die Veranstaltung „Berufe zum Anfassen“. Wir luden dafür in das Auslieferungslager der damaligen Möma ein und stellten circa 35 Berufe anhand von praktischen Beispielen vor. Es kamen 3.000 Schülerinnen und Schüler zu dieser Veranstaltung, was ein unglaublicher Erfolg war. Heute könnte man vielleicht sagen, wir hatten eine Frühform der Vocatium auf die Beine gestellt.
Waren die Wirtschaftsjunioren Braunschweig früher „junge Wilde“ und wie hat sich das Selbstbild gewandelt?
Helmut Streiff: Definitiv nicht. Das Bild des Unternehmers beziehungsweise der Führungskraft wandelte sich – genau wie heute – und eine Generation junger Gründer, Manager oder Nachfolger formte ein neues Bild. In diesem Zusammenhang wurden neue unternehmerische Werte geformt welche die erste Generation der WJ BS prägten. Gleichzeitig waren die frühen 80er Jahre durchaus in vielen Geschäftsfeldern Boomjahre und so formten sich tolle Unternehmen beziehungsweise tolle Führungskräfte, die ein Netzwerk verdient hatten.
Warum haben Sie ihren Kindern empfohlen selbst Wirtschaftsjunior zu werden?
Helmut Streiff: Interessanterweise habe ich dies meinen Kindern nie empfohlen – aber immer positiv von den Wirtschaftsjunioren berichtet. Auch heute denke ich noch gerne an die Zeit zurück und bin davon über zeugt, dass die WJ ein guter Verein mit einem echten Mehrwert sind. Allein jene Berichte und die Tatsache, dass man in der Region immer wieder auf die WJ trifft, könnten dazu geführt haben, dass mein Sohn ebenfalls Mitglied geworden ist und wenn ich ihm heute zuhöre, habe ich das Gefühl, dass er meine geschilderten Ansichten zu den WJ BS teilt.
Welche Rolle hatten und haben die Wirtschaftsjunioren im Zusammenspiel mit der IHK?
Helmut und Sven Streiff: Die Wirtschaftsjunioren pflegen seit geraumer Zeit eine sehr enge Zusammenarbeit mit der IHK – und umgekehrt. Aus unserer Sicht entsteht dadurch eine klare Win-Win-Situation, da man sich gegenseitig befruchtet und gemeinsame Themen wie beispielsweise Digitalisierung, Bildung und Existenzförderung forcieren kann. Zusätzlich können sich Wirtschaftsjunioren während Ihrer aktiven Laufbahn im Ehrenamt und regionalen Belangen testen, was auch einen wesentlichen Bestandteil der Arbeit für eine IHK ausmacht. Betrachtet man die aktuelle Vollversammlung der IHK, so finden sich dort im Übrigen viele ehemalige Wirtschaftsjunioren. Wir glauben daher, dass die WJ eine durchaus wichtige Rolle für die IHK spielen.
Es wird viel über den „Braunschweiger Klüngel“ geredet. Welche Rolle spielen dabei die Wirtschaftsjunioren? Was unterscheidet sie von anderen Netzwerken?
Helmut und Sven Streiff: Wir stellen uns nicht selten die Frage, wer eigentlich den Namen Klüngel immer wieder im Zusammenhang mit Braunschweig auf das Tableau bringt. Braunschweig hat aus unserer Sicht eine „smarte“ Größe – nicht zu groß und nicht zu klein. Man kennt sich und es gibt über viele Jahrzehnte ein enges Netzwerk durch alle Sektoren, Unternehmen und Vereine. Hier reihen sich nicht zuletzt die Wirtschaftsjunioren ein und nicht selten entstehen hier auch Freundschaften, die ein Leben lang halten. Für solch eine gute Sache das Wort Klüngel zu verwenden oder die Wirtschaftsjunioren in die Nähe davon zu bringen, halten wir für falsch, da es aus unserer Sicht stets einen leicht negativen Beigeschmack trägt.
Inwieweit fördert es das eigene Geschäft, Mitglied bei den Wirtschaftsjunioren Braunschweig zu sein?
Sven Streiff: Für unseren Fall sind die Auswirkungen eher marginal. Natürlich kommt ab und an mal jemand und fragt, ob wir einen Tipp für die Miete von Geschäftsflächen haben und selten hat auch mal jemand Bedarf an Verpackungen. Am Ende stehen aber andere Dinge wesentlich mehr im Vordergrund und wir vertreten auch den Standpunkt, dass „Geschäftemachen“ bei den Wirtschaftsjunioren auf keinen Fall proaktiv betrieben werden sollte.
Wie elitär ist Ihr Zirkel?
Sven Streiff: Wenig bis gar nicht. Wenn man sich ein Bild von den Mitgliedern macht, so findet man einen sehr gesunden Querschnitt von Führungskräften aus allen Bereichen der Geschäftswelt, verschiedenen Management-Ebenen und Unternehmensgrößen. Dieser Mix tritt nach eigener Auffassung
nach außen sehr geschlossen, freundlich und definitiv nicht elitär auf.
Was waren die wichtigsten Meilensteine in den vergangenen vierzig Jahren?
Helmut und Sven Streiff: Eine Vielzahl an Veranstaltungen, wie EUKO, BUKO, HAKO, Neujahrsempfang und nicht zuletzt, dass sich über die Jahre ein großes Netzwerk gebildet hat, was tolle Menschen hervorgebracht hat.
Wie sah Braunschweig und die gesamte Region 38 vor 40 Jahren aus und wie haben sich beide seitdem entwickelt?
Helmut Streiff: Worte wie Globalisierung oder Digitalisierung waren eher fremd. Man hat noch „analog“ genetzwerkt, was aus heutiger Sicht Vor- und Nachteile hatte. Braunschweig und die Region hatten immer wieder Boom-Phasen (ich zitiere in letzter Zeit immer gerne das „Oker-Valley“), auf die dann aber auch wieder schwierigere Zeiten folgten. Gefühlt seit Beginn des neuen Jahrtausends ist die Region auf dem Vormarsch, was auch viele Rankings belegen und ich meine auch zu sehen, dass die Identifikation mit der Region weiter wächst. Viele leben gerne hier… Die Ursachen dafür sind sicherlich vielfältig, aber das viel besprochene gute Netzwerk ist mit Sicherheit ein Teil des Erfolgsrezeptes.
Was zeichnet die Wirtschaftsjunioren als Führungskräfte und Unternehmer aus?
Sven Streiff: Hoffentlich Eigenschaften wie eine gesunde Bodenhaftung, Tatendrang, Interesse an Neuem und die Bereitschaft, sich ehrenamtlich für eine gute Sache einzusetzen. Alles Themen, die man sich bestimmt auch bei einer guten Führungskraft wünscht.