Am Rande des Gewerbegebiets Bassgeige im Norden Goslars liegt die Zentrale der Sonnenhotels GmbH. Licht reflektiert von den großflächigen Fensterfronten des Neubaus als wir Karina-Anna Dörschel an einem Mittwochnachmittag zum Interview treffen. „Das Gebäude wurde nach unseren Werten gestaltet. Das Glas steht für Transparenz, Schiefer und Holz an der Fassade für unsere Regionalität und Bodenständigkeit“, erklärt uns die geschäftsführende Gesellschafterin und lächelt. Dass wir einer Unternehmerin gegenüberstehen, die mindestens ebenso reflektiert und transparent agiert, wie es die Unternehmensfassade vermuten lässt, wird spätestens spürbar, als sie von der Sonnenhotels Tue Gutes Stiftung berichtet, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Andreas Dörschel vor drei Jahren gegründet hat.
Rund anderthalb Jahre hat der Weg dorthin gedauert, der in einem prägenden Erlebnis im Mai 2017 wurzelt. Damals stirbt Dörschels Mutter ganz unerwartet. „Das war der Anstoß uns selbst zu fragen, was bleibt, wenn wir einmal nicht mehr sind – und was eigentlich unser Auftrag hier auf der Erde ist?“ Die Antwort scheint simpel. „Wir wollen Gutes tun“, sagt Dörschel und lehnt sich in ihrem Schreibtischstuhl nach vorn. „Das ist die Klammer über allem, was wir tun. Wir handeln nach christlich-humanistischen Werten. Sei ein guter Mensch, ist unser Motto.“ Das Tun und Handeln betont sie dabei so stark, dass der nächste Schritt nur allzu logisch erscheint, denn Geld zu spenden und damit Gutes zu bewirken reicht Dörschel nicht aus. Sie möchte selbst aktiv werden. Der Stiftungsgedanke ist geboren.
Vehikel der Motivation
Und er wird stetig durch Dörschels geschärften Blick auf ihre Umgebung und Mitmenschen genährt. Dass diese Fähigkeit in der Gesellschaft zunehmend in den Hintergrund zu rücken scheint, bereitet ihr Sorgen. „Ich habe das Gefühl, junge Menschen werden immer Ich-bezogener. Das nehme ich in unseren Recruiting-Prozessen, aber auch in Anbetracht allgemeiner gesellschaftlicher Entwicklungen wahr. Werte, wie Solidarität, Nächstenliebe oder gegenseitige Wertschätzung, vermisse ich manchmal. Da haben wir keine gute Marschrichtung in unserer Gesellschaft.“
Ihre Stiftung soll deshalb mehr sein als ein bloßer Akteur. Sie ist ein Vehikel, das die Mitarbeiter:innen der zwölf Sonnenhotels mit einbezieht und dazu motiviert, als Stiftungsbotschafter:innen ihre Augen und Ohren für Menschen und Nöte in ihrem direkten Umfeld offen zu halten. Insbesondere in der Anfangszeit seien so viele kleine Initiativen entstanden, die „außer Arbeitszeit nichts kosten – und das zu fördern ist schließlich eine unternehmerische Entscheidung.“
Gänsehautmomente
Von der finanziellen Unterstützung einer Reittherapie, über Schwimmkurse für Kinder, eine gemeinsame Müllsammelaktion und eine Sachspende an ein Waisenhaus bis hin zum monatlichen Kaffee- und Kuchen-Treffen für Anwohner eines benachbarten Seniorenheims kommen so allerhand Engagements zusammen. „Unsere Projekte sind stecknadelkopfgroß, aber sie bewirken doch etwas“, sagt Dörschel und berichtet von ihrem letzten „Gänsehautmoment“ als sie nach einem Hospitationstag bei der Lebenshilfe von einem unter Trisomie leidenden Menschen umarmt wurde. „Da hatte ich einen Kloß im Hals. In solchen Augenblicken erscheinen einem diese kleinen Dinge so selbstverständlich, aber das sind sie eben nicht.“
Natürlich setze auch sie sich mit den globalen Herausforderungen wie der Klimaerwärmung auseinander, „aber ich glaube, es ist schwierig gleich alle Probleme auf einmal lösen zu wollen. Dann wird unser Handeln schnell sehr oberflächlich und geht weniger in die Tiefe. Jeder Mensch sollte vielmehr den Beitrag leisten, der ihm möglich ist.“
Rund 120.000 Euro umfasst das Stiftungsvolumen derzeit. Stark gewachsen ist es seit der Gründung nicht, denn es profitiert von den Unternehmensgewinnen, die in der Corona-Pandemie ausblieben. Vergleichsweise seien sie damit wirklich „mini“ betont Dörschel und hält ihren Daumen und Zeigefinger demonstrativ gerade mal einen Spalt breit auseinander. Auch das Engagement ihrer Mitarbeitenden sei in den letzten Jahren verständlicherweise stark zurückgegangen. „In dieser Situation dazu aufzurufen, anderen Gutes zu tun, würde wahrscheinlich auf wenig Gehör und Verständnis stoßen“, weiß sie. Aber in ein paar Monaten, wenn sich die stark beutelte Branche erholt hat, soll es wieder los gehen.
Die Quintessenz
Auf die Frage hin, ob sie einen Leitsatz habe, nach dem sie lebt, muss Dörschel kurz nachdenken. „Letztlich sollten wir so leben und handeln, dass wir zufrieden und ohne offene Rechnung abends ins Bett gehen – wissend, dass es kein Problem wäre, wenn wir morgens nicht mehr aufwachen.“ Für einen kurzen Augenblick schaut die Unternehmerin nachdenklich aus dem Fenster. „Die Quintessenz ist doch die: Manchmal muss man über seinen Schatten springen und sich aus der eigenen Komfortzone herausbewegen, um etwas Gutes tun, aber letztlich auch empfangen zu können.“ Diese Werte an ihre Mitarbeiter:innen zu vermitteln sei ihr Lebensziel.
„Natürlich ist unsere Stiftungsarbeit nicht ganz uneigennützig“, räumt sie dann noch ein. Schließlich sorge das wohltätige Engagement für Zufriedenheit und das wiederum für eine gestärkte Arbeitgeberbindung. „Aber die Motivation, die Tue Gutes Stiftung zu gründen, war das natürlich nicht. Wir wollen etwas zurückgeben, weil uns selbst so viel Gutes passiert ist.“ Was also bleibt? „Ich hoffe, dass von mir irgendwann ein positiver Fußabdruck in meinem Wirkkreis bleibt – und wenn möglich eine Stiftung, die motiviert, wächst und gedeiht.“
Stephanie Joedicke & David Krebs