Es ist ein drückend-heißer Montagnachmittag. Wir treffen uns im Courtyard by Marriott Wolfsburg zum Doppelinterview. Neutraler Boden sozusagen. Schnell wird klar, dass es diesen eigentlich nicht braucht. Denn es wird ein Gespräch unter Freunden – oder besser guten Nachbarn. Dr. Bernd Schmid komplettierte im September 2021 den Vorstand der Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg, die im Süden direkt an das Geschäftsgebiet der Braunschweigischen Landessparkasse grenzt. Dort ist Tanja Dresselmann seit Anfang dieses Jahres erste Vorständin in der über 250-jährigen Geschichte des Hauses.
Beide sind Vertreter der nächsten Generation Bank-Vorstand, die den Spagat zwischen alten Werten und neuer Welt üben muss. Dazu gehören Knax-Club und Jugendkonto ebenso wie digitale Formate, die auf den Social Media-Kanälen der beiden Institutionen ausgespielt werden. So wissen wir schon vor unserem Gespräch, dass Dr. Bernd Schmid morgens lieber Tee und nachmittags Kaffee trinkt, der Uhrzeit-Angabe im süddeutschen Viertel-Dreiviertel-Format treu geblieben ist und im Sommer das Meer den Bergen vorzieht – und dass Tanja Dresselmann und ihre Kolleg:innen der BLSK ihrem geschätzten Vorstandskollegen Werner Schilli mit einem Augenzwinkern „Bankeschön!“ zum Abschied hinterherrufen.
Doch bei aller Selbstironie sind es insbesondere die Auswirkungen steigender Inflationsraten und Finanzierungszinsen auf Gesellschaft und Wirtschaft und die Rolle zweier regional verwurzelter Finanzhäuser in diesem Geflecht, die das Gespräch an diesem Nachmittag prägen. Es ist viertel drei, Wasser und Kaffee stehen auf den Tischen bereit und viele Fragen warten darauf, gestellt zu werden …

Die Finanzbranche galt lange als verschwiegen und vielleicht auch etwas steif. Auf Ihren Social-Media-Profilen geben Sie sich aktuell Mühe, ein neues Bild zu zeichnen. Herr Schmid, Sie haben sich nach Ihrem Amtsantritt beispielsweise in einem Video bei Facebook vorgestellt …
Schmid: Haben Sie sich das angeschaut? (lacht.)
Ja. Ist das ein Ausdruck der neuen Leichtigkeit oder eher eine Inszenierung für die Kund:innen?
S: Aus meiner Sicht ist die Sparkasse ein Spiegel unserer Gesellschaft – wir sind quasi die Summe unserer Mitarbeitenden und Kund:innen und dort hat es einen Wandel gegeben. Deshalb verändern auch wir uns und kommunizieren über Kanäle, die wir früher nicht bedient haben. Wichtig ist mir nur, dass es nicht krampfhaft wird, sondern authentisch bleibt. Dafür haben schon die Kolleg:innen gesorgt.

Foto: Holger Isermann
Inwieweit?
S: Als ich die Anfrage bekam, wollte ich gern vorher wissen, worum es inhaltlich gehen wird. Die Antwort war, ich solle einfach kommen und mich überraschen lassen. Als ich fragte, ob ich mir die Aufnahme hinterher anschauen könne oder es geschnitten wird, hieß es: Nene, first Take – ohne doppelten Boden. So funktioniert Social Media.
Ist man eine solche Ansprache als Vorstand gewöhnt?
S: Wir müssen uns schon auf die Expertise der Expert:innen im Haus einlassen. Und wir freuen uns, wenn Impulse kommen, die uns in Teilen irritieren. Denn nur so kommen wir auch weiter.
Dresselmann: Absolut. Das ist für mich auch das Wichtigste, wir sollten uns nicht verbiegen, sondern bei uns bleiben. Und dazu passen digitale Kanäle mittlerweile einfach.
Gibt es Ideen Ihrer Marketing-Abteilungen, die bei Ihnen persönlich Grenzen überschreiten?
S: Es muss zu mir passen und auch zu den harten Grenzen unserer Branche, die eben keinem Wandel unterworfen sind. Das heißt, Bankgeheimnisse oder andere Informationen, die nicht in die Öffentlichkeit gehören, behandeln wir natürlich nach wie vor verschwiegen oder von mir aus konservativ.
Verraten Sie uns die letzte Idee, zu der Sie „Nein“ gesagt haben?
D: Das ist bisher noch nicht vorgekommen.
S: Bei mir auch nicht.
Liegt das auch an der nächsten Generation Vorstand?
D: Schon, wobei das nicht nur eine Altersfrage ist. Werner Schilli, der gerade aus dem Vorstand ausgeschieden ist, war zum Beispiel ein absoluter Vorreiter in digitalen Fragen, ein digital Native, würde man heute sagen. Wenn es ein neues Thema oder eine neue App gab, war er oft sehr früh informiert oder hatte sie installiert.
Kennen Sie sie sich eigentlich? Oder sehen Sie sich heute zum ersten Mal?
D: Kennen würde ich jetzt nicht sagen, aber wir sind uns schon begegnet, das triffts vielleicht am ehesten, oder?
S: Stimmt. Es ist ein guter Brauch, dass man sich gegenseitig vorstellt, wenn man neu im Amt ist. In diesem Rahmen konnten wir uns eine Stunde austauschen.
Gibt es über eine Vorstellung bei den Kolleg:innen in der Nachbarschaft hinaus regelmäßigen Austausch zwischen Ihren beiden Häusern?
D: Wir sind ja auch über die Organisation miteinander verbunden und treffen bei Tagungen oder Veranstaltungen aufeinander …
S: … außerdem haben wir bei den Firmen durchaus gemeinsame Kund:innen oder begleiten große Engagements zusammen. Das ist durchaus typisch für Sparkassen, deren Gebiete aneinandergrenzen.
Sie sehen sich also weniger als Wettbewerber, sondern pflegen vielmehr ein sportliches Miteinander?
S: Nicht mal sportlich in dem Sinne. Es ist im Grunde eine kollegiale Zusammenarbeit.
Wenn man sich die letzten Berufungen in den Vorständen anschaut, hat die BLSK zwei Talente aus dem eigenen Haus gefördert, während Sie in Gifhorn zwei externe Kandidaten berufen haben …
D: Wir hatten einen großen Bewerberkreis auf die beiden Vorstandspositionen und konnten diese intern besetzen. Das war aber weder vorgeschrieben noch in irgendeiner Form gewollt. Es hat einfach gut gepasst und es ist dann natürlich auch eine Botschaft an jüngere Kolleg:innen, dass man sich bei uns entwickeln kann.
S: Das ist ein Standardverfahren, in der Regel wird bundesweit ausgeschrieben und am Schluss bleiben typischerweise rund 40 Bewerber:innen in der engeren Auswahl übrig. Dass mein Kollege Tim Faß und ich beide von außen gekommen sind, ist Fluch und Segen zugleich. Wir sind damit zwar die Neuen, aber bringen auch einen frischen Blick mit, was natürlich hilft.

Worin unterscheiden sich Ihre beiden Häuser?
S: Eine gute Frage. Mir fallen zunächst Gemeinsamkeiten auf. Natürlich ist die Struktur unserer Gesellschafter unterschiedlich, aber das wäre ein etwas kompliziertes Thema.
Kompliziert ist okay …
D: Der Unterschied ist zum einen sicherlich das jeweilige Geschäftsgebiet. Und dann gibt es bei uns eben die Besonderheit, dass wir in Form einer AidA, also einer Anstalt in der Anstalt Teil des Nord LB Konzerns sind, während die Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg eigenständig ist.
Wie oft beneiden Sie die Vorstands-Kollegen aus Gifhorn um diese Unabhängigkeit?
D: Es gibt beides – Momente, in denen man sich mehr Freiheiten wünscht und auch solche, in denen man sich als Teil der Nord LB wirklich sehr wohl fühlt.
S: Ansonsten zählen meines Erachtens die Gemeinsamkeiten. Wir haben eine ähnliche Größe, sind beide städtisch und in der Fläche unterwegs – wir betreiben bald sogar einen Standort gemeinsam.
Lassen Sie uns einmal über den gemeinsamen Wirtschaftsraum sprechen. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt in Wolfsburg bei rund 188.000 Euro, das ist deutschlandweit spitze. In Braunschweig wiederum gibt es viel altes Geld. Wie gut ist dieses Umfeld für Finanzgeschäfte?
S: Wir haben eine extrem attraktive Region für Geschäfte, weil hier Kund:innen leben, die Geld haben und investieren. Das führt zu einer hohen Kreditnachfrage. Dieses gesegnete Umfeld lässt sich durch weitere Kennzahlen belegen. So liegt der Index für die Kaufkraft in unserem Geschäftsgebiet bei 115, während 100 der Schnitt ist.
D: Richtig, wobei man nicht vergessen darf, dass unser Geschäftsgebiet nicht nur aus Braunschweig und Wolfsburg besteht. Die Braunschweigische Landessparkasse ist im alten Braunschweiger Land aktiv – und das reicht bis in den Harz oder den Solling hinein. Dort gibt es eben ganz andere Strukturen. Aber diese Mischung macht die Arbeit in einer Sparkasse auch aus.
S: Das kann ich unterstreichen. Auch bei uns gibt es Gebiete mit deutlicher weniger Industrieansammlungen, dort ist die Kaufkraft auch niedriger.
Welche Bank in der Region ist die Nummer eins?
S: Hmmm …
D: Ich weiß gar nicht, warum Sie so lange überlegen? (lacht.)
S: Frau Dresselmann sagt, wir sind die Nummer Eins und hat natürlich vollkommen recht.
D: Als Sparkassenorganisation auf jeden Fall. Daran gibt es wenig Zweifel.
S: Ich bin deswegen etwas zögerlich, weil eine solche Aussage natürlich zum Diskurs einlädt. Aber die Aussage ist richtig und lässt sich auch anhand von Zahlen belegen. Ein Beispiel:
75 Prozent aller Mittelständler sind unsere Kund:innen.
Sind Sie die Mittelstandsbank in der Region?
D: Das können wir uneingeschränkt unterschreiben.
Wie blicken Sie auf den Wettbewerb?
D: Ich glaube, jedes Haus muss für sich entscheiden, wie es nach außen hin auftritt oder welche Art von Geschäften es macht. Wir als Teil der Sparkassenorganisation wissen, was unsere Hauptaufgaben sind, nämlich dass wir die Bevölkerung und die mittelständische Wirtschaft mit Finanzdienstleistungen versorgen und damit die Gesellschaft stützen.
S: Und am Ende des Tages entscheidet losgelöst von der Frage, was wir glauben, ohnehin der Kunde, mit wem er Geschäfte macht.
Wer ist in der Region Ihr größter Mitbewerber?
S: Ich bin persönlich kein Freund davon, den Wettbewerb in den Mittelpunkt zu stellen – dort gehören die Kund:innen hin. Aber aus meiner Sicht sind es schon die Genossen, wenn man sie als Wettbewerber bezeichnen möchte.
D: Man sollte auch hier nicht nur auf Wolfsburg oder Braunschweig abzielen. Dort ist es sicherlich die Volksbank BraWo, aber in Wolfenbüttel gibt es wieder eine andere Volksbank und das traditionsreiche Bankhaus Seeliger. Insofern ist die Wettbewerbssituation in unserem Geschäftsgebiet wirklich sehr unterschiedlich und von jeweils anderen Akteuren gekennzeichnet.
Aber zwischen den Volksbanken und Sparkassen als regional organisierte Häuser scheint es schon eine besondere Rivalität zu geben, oder? Ist das vergleichbar mit einem Derby beim Fußball?
D: Es gibt auch Standorte, an denen Volksbanken und Sparkassen gemeinsam SB Center unterhalten …
… im Harz zum Beispiel …
D: Genau. Insofern hängt diese Frage immer von der gemeinsamen Geschichte und den handelnden Personen ab.
S: Absolut. Wir sind in dieser Frage grundsätzlich professionell eingestellt. Beide Bankengruppen haben aus meiner Sicht ihre Berechtigung und die Kund:innen können entscheiden.
Es gab in den vergangenen Jahren einige Fusionen. Wenn Sie sich ohnehin so nahestehen – wäre dann nicht eine Regionssparkasse eine spannende Vision?
S: Das ist natürlich eine hoch politische Frage, ich kann hier nur für unser Haus sprechen. Wir sind gerade 2019 mit Celle fusioniert und gehören jetzt zu den fünf größten Sparkassen in Niedersachsen. Damit sind wir gut aufgestellt und können auch Synergien sinnvoll heben. Deswegen ist das für uns aktuell kein Thema.
D: Bei uns ebenfalls nicht. Zudem müssten sich in unserem Fall die Eigentümer mit dieser Frage beschäftigen. Aber: Wir und die Kolleg:innen aus der Region Celle-Gifhorn-Wolfsburg pflegen eine gute Nachbarschaft und das ist das Entscheidende.

Sprechen wir über Ihre Kund:innen. Immer mehr junge Menschen nehmen ihre Geldanlage selbst in die Hand, investieren in Kryptowährung oder ETFs, informieren sich bei YouTube und haben vielleicht gar nicht mehr das Bedürfnis nach einem persönlichen Berater vor Ort …
S: Natürlich, es gibt diese Personen, aber ich nehme nicht wahr, dass das die Mehrheit ist. Die meisten jungen Menschen aus meinem Umfeld sind froh, wenn sich jemand anderes um die Finanzen kümmert. Gute Beratung, Regionalität und Verlässlichkeit sind immer noch Themen, welche die Jugend bewegen. Natürlich – wir müssen mittlerweile auch neue digitale Zugänge schaffen, aber unser Kernprodukt ist weiterhin gefragt. Denn je komplexer die Welt wird, desto besser muss man sie erklären.
D: Und das sehen wir als unsere Aufgabe an. Wer ehrlich und gut beraten wird – wem nicht nur Chancen, sondern auch Risiken erläutert werden – der fühlt sich gut aufgehoben. Hier genießen wir als Sparkassen auch einen Vertrauensvorschuss.
Früher haben junge Menschen, wenn sie mit ihrem Partner ihre erste eigene Wohnung bezogen haben, ein Zeitungsabo abgeschlossen und wahrscheinlich auch einen Bausparvertrag. Diese gesellschaftlichen Automatismen gibt es in der Form nicht mehr, oder?
D: Der Erstkontakt mit uns findet schon relativ früh statt – wir haben den Knax-Club, Jugendkonten und ähnliches. Schwieriger ist es dann schon, die Kundenbindung zu halten. Wenn junge Erwachsene zum Studium umziehen, sind wir mit unserer Multikanal-Strategie mittlerweile zwar gut dabei, aber dann sind Brüche wahrscheinlicher.
Apropos Knax-Club, wann lohnt sich der Weltspartag eigentlich auch wieder für die jüngsten Kund:innen?
D: Es ist gut, das Sparen zu erlernen. Das ist auch eine Einstellungsfrage. Oder steht dahinter die Frage, wann es wieder Zinsen auf das Ersparte gibt?
Beides. Erleben wir langsam, aber sicher eine Renaissance der klassischen Sparmodelle, wie Sparbücher und Bausparverträge?
D: Ich würde nicht von Renaissance sprechen. Es existiert mittlerweile beides parallel und heutzutage gehört es dazu, dass man beispielsweise in Aktien investiert.
S: Der Bausparvertrag beispielsweise ist auch längst nicht mehr altbacken. Vor dem Hintergrund der aktuellen Zinsentwicklungen sind diejenigen, die vor zehn Jahren einen solchen abgeschlossen haben, überglücklich. Vielleicht ist es deshalb nicht verkehrt, grundsätzlich über eine ganzheitliche Beratung nachzudenken. So verstehen wir zumindest unseren Auftrag.
Welchen Einfluss hat die derzeitige Zinsentwicklung auf Ihre Geschäftskund:innen?
S: Insbesondere im Bereich der geschäftlichen Immobilieninvestor:innen natürlich einen großen. Wurde früher mit einer Rendite von drei bis vier Prozent gerechnet, sind heute bereits die Zinsen so hoch. Deshalb werden Investitionen gerade häufig noch einmal überdacht und neu bewertet. Lohnt eine Investition, wie wichtig ist diese im Augenblick, sollten und können wir sie um eine gewisse Zeitspanne verschieben?
Bereitet Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
S: Die Gegenwart ist für viele Geschäftskund:innen eine Belastungsprobe, aber Sorgen machen wir uns noch nicht.
Hohe Inflation, Niedrigzinsen – diese Kombination liefert gesellschaftlichen Sprengstoff. Wie geht es den Menschen?
S: Steigende Tankpreise und Energiekosten sind heute schon konkret spürbar. Es kommt natürlich auf das Einkommen an, wie sehr die Situation die Menschen belastet. Für viele unserer Kund:innen sind 200 Euro Mehrkosten im Monat einfach schwer zu stemmen.
Sind Sie eher Team politische Umsorgung oder Eigenverantwortung?
D: Der Mittelweg oder ein relativer Mittelweg ist meiner Ansicht nach die Lösung. Denn natürlich können Unterstützungen, wie das Neun-Euro-Ticket, nur eine gewisse Zeit finanziert werden. Wir müssen aufpassen, dass wir den Staat nicht überfordern.
S: Ohne Eigenverantwortung geht es letztendlich nicht, aber das tut es nie. Irgendjemand muss die Rechnung am Ende bezahlen. Und auch wenn es unserem Land noch sehr gut geht, können wir nicht unendlich weiter Schulden machen. Und gleichsam müssen wir uns um die kümmern, die es aus eigener Kraft nicht schaffen können.

Wie leicht fällt Ihnen in dieser Frage der Spagat zwischen Firmen- und Privatkund:innen und deren unterschiedlicher Perspektive auf das Thema Steuern?
S: Mein Anspruch als Vorstand ist es, mit jedem Menschen auf Augenhöhe kommunizieren zu können. Für mich kommt es aber darauf an, dass ich authentisch bleibe.
D: Ich würde das ganze umdrehen. Für mich kommt es auf den Menschen an, der vor mir steht und seine ganz eigenen Bedürfnisse.
Was braucht es Ihrer Meinung nach, um der Mitte der Gesellschaft zu helfen?
S: Die Antwort muss die Politik geben. Aber wir können mit unseren Instrumenten versuchen, den Menschen zu helfen. Beispielsweise indem wir auf Förderprogramme hinweisen oder versuchen, bei der Kreditvergabe für den Hausbau auf neue Energiestandards zu achten.
Vielleicht sprechen wir noch einmal über das Provisionsprinzip, das zunehmend kritisiert wird, weil es einen gewissen Abschlussdruck erzeugt. Sparkassenpräsident Helmut Schleweis hat dagegen letztes Jahr gesagt, die Honorarberatung sei unsolidarisch, weil sich diese nicht jeder leisten könne. Wo dazwischen liegt die Wahrheit?
D: Damit hat Herr Schleweis sicher nicht ganz unrecht. Und genau für das Gegenteil steht ja die Sparkasse – nämlich für alle da zu sein, allen eine gewisse Teilhabe zu ermöglichen …
… aber eben für den Preis einer Produktgebundenheit …
D: In jeder Bankenwelt gibt es Kooperationen. Wir haben gute Verbundpartner, mit denen wir zusammenarbeiten und deren Produkte wir natürlich unseren Kund:innen vorstellen. Parallel hat sich aber auch da eine Öffnung ergeben. Nichtsdestotrotz ist für Menschen, die es sich leisten können, auch eine Honorarberatung eine Option.
S: Schauen wir doch einmal auf die Kund:innen, die pro Monat nur 25 oder 50 Euro übrighaben. Auch für diese Menschen ist es wichtig, ein Vermögen aufzubauen. Und das Solidarprinzip ermöglicht es uns, sie zu beraten, obwohl wir das mit den kleinen Anlagebeträgen eigentlich nicht kostendeckend leisten können. Wir ermöglichen der breiten Bevölkerung mit Mini-Beträgen weltweit in Aktien zu investieren.
Auf welchen Anteil Ihrer Kund:innen trifft diese Beschreibung zu?
S: Das Gros. Wir haben ungefähr 250.000 Kund:innen und clustern diese in unterschiedliche Segmente. Menschen, die wenn überhaupt nur wenig sparen können, machen mehr als die Hälfte unserer Kund:innen aus. Für diese Zielgruppe macht Honorarberatung meines Erachtens keinen Sinn.
Nehmen wir mal an, ich würde Ihnen 10.000 Euro geben und ich möchte das Geld langfristig anlegen. Was würden Sie mir konkret raten?
S: Es hängt von Ihren Präferenzen ab. Welches Risiko wollen Sie eingehen und vor allem, wie langfristig planen Sie?
20 Jahre …
S: Je nach Risiko ist bei der Laufzeit auf jeden Fall ein Aktienanteil sinnvoll. Dann ist die Frage, ob Sie aus der Summe Liquidität vorhalten wollen und noch ein weiterer Baustein ist sinnvoll – und das sind Renten oder Immobilien. Wenn Sie 10.000 Euro anlegen wollen und das Ihr komplettes Vermögen ist, dann sollten wir auch darüber sprechen, in welche festverzinslichen oder risikoarme Anlageklasse Sie investieren können. Das alles geht aus einer Hand theoretisch auch über einen Fonds. Soweit die Schnellvariante …
D: Ich würde Sie tatsächlich ähnlich beraten, aber dennoch versuchen, Sie zu überzeugen, sich eine oder zwei Stunden Zeit zu nehmen – einfach um zu schauen, was Sie bewegt und Sie ganzheitlich und vollumfänglich beraten zu können. Und wenn es dann in den Fonds-Bereich geht, dann nehmen Sie doch etwas Regionales und schauen Sie sich unsere Löwenfonds an …
Jenseits Ihrer Beratungsideen – man könnte Sie noch auf Kund:innen loslassen, oder?
D: Ganz sicher. (Beide lachen.)

Über die sich auflösenden Automatismen und Bindungskräfte in unserer Gesellschaft haben wir bereits gesprochen. Gibt es die Hausbank eigentlich noch – also den Berater, mit dem Menschen einfach alles rund ums Thema Geld besprechen?
S: Ich nehme das noch bewusst so wahr – würde aber die einzelnen Kundensegmente unterscheiden. Im Firmenkundengeschäft ist es extrem ausgeprägt. Hier ist es nicht selten, dass Familienunternehmer:innen seit Generationen Kund:innen sind. Aber das Phänomen gibt es auch im Privatkundengeschäft. Die Eltern waren schon Kund:innen und dann setzt sich das fort. Was sich insgesamt ändert, ist die Kontakthäufigkeit …
… weil Kund:innen immer mehr Dienstleistungen von Zuhause aus selbst erledigen?
S: Genau. Es kommt kaum noch jemand in die Filiale, um einen Überweisungsträger ausfüllen zu lassen. Deshalb können wir Filialen in SB-Standorte umwandeln und uns auf weniger sogenannte Kompetenzcenter konzentrieren, in denen wir auf hochklassige Beratung setzen.
D: Die steht im Mittelpunkt – und natürlich sind es am Ende auch Menschen, die sich begegnen und wir sehen einfach, dass hier ganz langfristige Beziehungen wachsen.
Vertreter von öffentlich-rechtlichen Instituten betonen gern, dass sie von den Menschen nicht als klassische Wirtschaftsunternehmen wahrgenommen werden – sondern eher als regionaler Akteur, der sich vor Ort engagiert und dadurch einen gewissen Vertrauensvorschuss genießt …
D: Das ist definitiv so. Unser Engagement wird wahrgenommen. Und es gibt eben Kund:innen, denen es beispielsweise bei der Baufinanzierung nicht auf die dritte Nachkommastelle ankommt, sondern eher darauf, dass man die Sparkasse vor Ort erleben kann. Die Mitarbeiter:innen sind vielleicht sogar Nachbarn, greif- und ansprechbar. Das zählt etwas.
S: Ja. Auch wenn wir beim Giro-Konto beispielsweise einen Tick teurer sind als eine Direktbank, dann sage ich: ‚Wir dürfen diesen Mehrpreis auch verlangen, weil wir einfach mehr wert sind, weil wir Mehrwerte bieten.‘
Können Sie diesen Vertrauensvorschuss auch einlösen? Man könnte ja denken, dass die regionale Sparkasse oder Volksbank einen säumigen Schuldner nicht gleich aus der eigenen Immobilie klagt, wenn es mal finanziell eng wird …
S: Wir beginnen mit der Beratung. Unser Ansatz ist, mit den Kund:innen, stabil die nächsten 20 bis 30 Jahre in einer guten Partnerschaft Geschäfte zu machen. Unser Anspruch ist, dass wir mit dem Kunden im Vorfeld darüber sprechen, was er sich belastbar leisten kann. Und deswegen passiert es in aller Regel nicht, dass die Immobilie versteigert werden muss.
Vergeben andere Banken zu schnell und zu hohe Kredite?
S: Mein Eindruck ist, dass es unterschiedlich in der Branche gelebt wird.
D: Stimmt. Wir bekommen durchaus Rückmeldungen von Kund:innen, die ein zweites Angebot eingeholt haben, dass über Fördermittel oder Zinsabsicherung dort nicht gesprochen wurde. Wir wollen es aber rund machen und nehmen uns dafür die nötige Zeit. Anders geht es auch gar nicht. Stellen Sie sich mal vor, dass in einem Wohngebiet mehrere über uns finanzierte Immobilien in Schwierigkeiten geraten würden – das können wir uns nicht leisten.
S: … weil unsere Mitarbeitenden ja ebenfalls dort wohnen. Wir sind Teil der Gesellschaft, deshalb liegt es auch in unserer Verantwortung, die Nachbarn richtig zu beraten. Das wirkt. Wir haben einen Marktanteil von rund 40 Prozent im Baufinanzierungsgeschäft in der Region.

Herr Schmid, Sie haben in Italien und Lichtenstein studiert, in Australien promoviert. Warum dann ausgerechnet Memmingen und jetzt Gifhorn?
S: Es gab für jede der Stationen gute Gründe. Das Allgäu ist meine Heimatregion – dort habe ich damals auch ein Duales Studium bei der Sparkasse begonnen. Zum Master bin ich nach Lichtenstein gegangen, weil es dort viel Erfahrung im Private Banking und Anlagemanagement gibt und auch, weil es nur eine gute Stunde vom Bodensee
entfernt ist.
Und die Promotion in Australien?
S: Dort finden Sie tolle Angebote im Bereich Fernstudien und es gab die Möglichkeit über einen längeren Zeitraum berufsbegleitend auf internationalem Niveau zu promovieren.
Wirklich viel findet man im Netz nicht über Sie. Verraten Sie uns etwas Persönliches, das man nicht von einem Bankvorstand erwartet?
D: Wir sind auch nur Menschen. (Beide lachen.)
S: Bei uns in der Heimat war man entweder im Musik- oder im Fußballverein. Ich habe beides gemacht und die Musik ist mir heute noch sehr wichtig. Deshalb gehe ich in meiner Funktion als Vorstand gern zu Konzerten und freue mich, wenn wir Orchester in der Region unterstützen.
Welches Instrument?
S: Trompete.
D: Musikalisch kann ich nur mit der Blockflöte in der Grundschule dienen (lacht). Ich komme aus dem Harzvorland und musste als Kind sonntags immer mit meiner Familie wandern gehen. Ich erinnere mich, wie ich damals ständig gefragt habe, wann wir endlich da sind. Heute wandere ich selbst sehr gern.
Frau Dresselmann, Sie sind die erste Frau im Vorstand der BLSK. Hat das für Sie eine Bedeutung?
D: Viele Menschen kommen beim ersten Treffen darauf zu sprechen – insofern ist es offensichtlich von Bedeutung. Mir ist wichtig, dass ich wegen meiner Kompetenz Vorständin bin. In dieser Funktion bin ich automatisch Vorbild. Das merke ich sehr deutlich. Denn viele junge Frauen in der Bank suchen nach Rollenbildern und je höher man in der Hierarchie in Banken schaut, desto weniger Frauen findet man dort. Aber am Ende muss jede selbst schauen, welcher Weg für sie persönlich richtig ist – es muss nicht immer ganz nach oben gehen.
Bei welchem Hobby könnten Sie gemeinsam einen Ausgleich zum Job suchen?
D: Das ist ganz einfach, wir gehen gemeinsam Wandern und Herr Schmid spielt dazu Trompete (lacht).
S: In der Südheide oder im Allgäu?
D: Natürlich im Harz.
S: Nur wenn Sie die Blockflöte mitbringen …
Falls es zum Konzert auf dem Brocken kommt, freuen wir uns über eine Einladung …
