1. April 2021
Entscheider

„Wir sind nicht großkotzig“

Rüdiger Becker und Miriam Herzberg, Vorstandsvorsitzender und Kommunikationschefin der Evangelischen Stiftung Neuerkerode, im Interview

Das Team der Unternehmenskommunikation – links sitzt Miriam Herzberg. Foto: esn.

Neue Marke, neues Logo, neues Image – Anfang Februar hat die Evangelische Stiftung Neuerkerode ihr neues Markenkonzept vorgestellt. Entwickelt wurde dies über zwei Jahre in vollständiger Eigenregie. Wir sprachen mit Rüdiger Becker und Miriam Herzberg über die Suche nach der eigenen Identität, eine Marke als Zuhause für alle und das Gefühl von Sicherheit in unsicheren Zeiten.

 

Miriam Herzberg …
Foto: Bernhard Janitschke.

Frau Herzberg, Herr Becker, was hat Sie dazu bewogen, das Markenbild der Evangelischen Stiftung Neuerkerode vollständig zu überarbeiten?
Becker: In den letzten 15 Jahren ist unsere Unternehmensgruppe um eine Vielzahl an Betrieben gewachsen, sodass zuletzt nicht mehr erkennbar war, dass wir alle zusammengehören. Mit der neuen Wort-Bild-Marke wollten wir das und unseren Netzwerkgedanken ausdrücken. Die großen Wachstumsschübe sind nun erstmal vorbei und wir kommen in eine Konsolidierungsphase.

Ist ein gemeinsamer Markenkern vielleicht auch gerade in der unbeständigen Zeit von Corona wichtig?
Becker: Geplant war das natürlich nicht. Aber den Kunden vermittelt es ein Gefühl von Sicherheit und dass man in allen Fällen des Lebens bei uns Hilfe bekommen kann. Und für die Mitarbeiter ist es das Gefühl eines großen Zuhauses, in dem jeder seinen Platz findet. Wir sind nicht so klein, dass wir schnell in den Stürmen des Alltags untergehen. Insofern haben wir mit dem Logo schon auch in diesen Zeiten der Unsicherheit unsere Resilienz gestärkt.

… und Rüdiger Becker.
Foto: Bernhard Janitschke.

Der neue Markenname lautet „esn“ und wird bewusst klein geschrieben. Ist das nicht ein Understatement?
Herzberg: Das ist aus dem täglichen Doing entstanden. Die Abkürzung hatte sich intern bereits etabliert, weil der volle Name dann doch etwas sperrig war.
Becker: Und es macht uns sympathisch. Wir sind nicht großkotzig oder großmäulig, sondern kommen klein daher. Unser Fokus liegt auf unserer Überzeugung, auf dem, was wir tun, nicht auf unserem Auftritt.

Die Entwicklung eines Markenkonzepts ist eigentlich klassische Agenturarbeit. Warum haben Sie sich dazu entschieden, dieses intern zu erarbeiten?
Becker: Wenn Sie sich mit der eigenen Identität beschäftigen, können Sie diese Frage nicht an eine dritte Person geben. Agenturen helfen uns an vielen Stellen, aber wer wir sind, darauf wollten wir selbst eine Antwort geben.
Herzberg: Wir konnten optimal auf alle Bedürfnisse, die die Mitarbeiter in der Kommunikation nach innen und außen haben, aber auch auf die Ansprüche, die von außen an uns herangetragen werden, eingehen.

Wie sah der Entwicklungsprozess konkret aus? Wie sind Sie an die Thematik herangegangen?
Becker: Erstmal musste Frau Herzberg auf mich einreden, wie auf einen störrischen Esel (lacht). Es gibt so viel anderes zu tun und die Markenfrage drängt aktuell nicht, deshalb empfand ich sie als nicht so wichtig. Aber ich wurde überzeugt, weil wir so unübersichtlich waren in unserem Erscheinungsbild, dass niemand mehr nachvollziehen konnten, wer zu unserem großen Netzwerk gehört.

Wie ging es dann weiter?
Herzberg: Das war kein Prozess, der über zwei Wochen lief. Wir haben uns etwa vor zwei Jahren auf den Weg gemacht. Uns war klar, dass das bei 70 Standorten und 3.000 Mitarbeiter ein unglaublicher Aufwand wird. Wir haben uns Zeit gelassen, Konzepte auch immer wieder weggelegt, neu angeschaut und angepasst, bis wir an dem Punkt waren, dass wir wussten, das ist es jetzt.

Was würden Sie rückblickend sagen, lief in dem Prozess richtig gut und wo lagen Herausforderungen?
Herzberg: Dass alle Unternehmen, die oft eine lange Historie haben, unter ein Dach schlüpfen, ohne ihre eigene Identität zu verlieren, das fand ich herausfordernd. Ich war sehr überrascht, dass am Ende sehr wenig Fragen aufkamen – jeder weiß, wo sein Platz ist in dem neuen Konzept. Das hat erstaunlich gut funktioniert.

Welches Image wollen Sie als Unternehmensgruppe nach außen repräsentieren und würden Sie sagen, es ist Ihnen vollständig gelungen, dieses mit der neuen Wort-Bild-Marke abzubilden?
Herzberg: Wir bekommen zurückgespiegelt, dass Externe die Herleitung gut nachvollziehen können, sie verstehen, was wir damit erreichen wollen und sie sagen, dass es eine sehr positive und moderne Optik hat – nicht unbedingt das, was man vielleicht im ersten Schritt mit dem Absender Evangelische Stiftung verbinden würde.
Becker: Die Vielfalt unseres Netzwerkes wird nun deutlich. Wichtig ist in dem Zusammenhang das Kronenkreuz in Stempeloptik. Bei uns findet man kein Mainstream Christentum, sondern handgemachte Überzeugung. Wir stehen zu unseren Werten, die uns zu einem zivilgesellschaftlichen Akteur machen.
Wir setzen uns für Rechtschaffenheit und Demokratie ein und lassen nicht zu, dass rechte Kräfte in unserem Land Hass und Zwietracht säen.

Auch interessant