25. Juni 2019
Fundstücke

Was David verdient …

Neue Wirtschaftsdokus und -bücher im Standort38-Check

Foto: ZDF/Peter Petrides

Das verdient Deutschland

ZDF Mediathek

verfügbar bis 08.03.2020

Wie fair sind Deutschlands Löhne? Wie groß sind die Unterschiede der Bezahlung in verschiedenen Branchen? Verdient mein Kollege eigentlich mehr als ich? Und ab welcher monatlichen Summe auf meinem Konto kann ich mich „gutverdienend“ nennen? Diesen Fragen geht die Dokumentation „Das verdient Deutschland“ nach. Sie geht der Veränderung der Joblandschaft und der Gehälter seit den Wirtschaftswunderjahren auf den Grund. Die Doku gibt Einblicke in verschiedene Verdienstgruppen, die Gender Pay Gap und die unterschiedlichen Gehälter im Westen und Osten. Es ist wenig verwunderlich, dass der Versuch, Transparenz beim Verdienst zu zeigen, nicht nur auf positiv gestimmte Geister trifft. Das macht der Film an einem Beispiel deutlich: Eine Berliner Firma wagt einen Selbstversuch der Gehalts-

Offenlegung. Über Geld redet man nicht? Das scheint in Deutschland zu stimmen. Über Geld kann nämlich nur geredet werden, wenn jeder damit einverstanden ist. So offen wie die Berliner Firma sind lange nicht alle Unternehmen – jedenfalls in Deutschland. Wie unterschiedlich Gehälter sind, ist deswegen für viele gar nicht klar.

Foto: SWR/Steven R.Altig

Der Stahlbaron

Das Erste Mediathek

verfügbar bis 01.04.2020

Die Dokumentation „Der Stahlbaron“ von Nina Koshofer zeigt, wie Wirtschaft und Politik Hand in Hand gehen. Das wird mit einem konkreten Beispiel veranschaulicht – Ingeborg Gußmann ist die Enkelin des Stahlunternehmers Hermann Röchling, der durch Zwangsarbeit zum wirtschaftlichen Erfolg kam, und erzählt über seine Geschichte. Die Doku nimmt den Zuschauer nicht nur mit in die deutsche Vergangenheit, in die wirtschaftliche Macht der NS-Anhänger in der Zwischenkriegszeit, sondern zeigt, wie Menschen für wirtschaftlichen Profit ausgenutzt werden. Röchling wurde von den damaligen Politikern zum „Reichsbeauftragten für Eisen und Stahl in den besetzen Gebieten“ ernannt und konnte sein Unternehmen auf dieser Grundlage ausbauen. Mit historischem Material zeigt die Doku „den Stahlbaron“ Hermann Röchling als einen, der von Rüstungsimporten und Zwangsarbeit profitierte.

Foto: NDR/PIER 53 Filmproduktion

Milliardengeschäft Inkasso

Das Erste Mediathek

verfügbar bis 01.04.2020

Wenn es klingelte, habe ich den Kindern gesagt, sie sollen bloß nicht aufmachen.“ Anke R. hat, wie viele andere Deutschen auch, Angst vor den Inkassounternehmen. Wer seine Schulden nicht abbezahlen kann, der findet im Briefkasten schon bald Inkassobriefe, jedes Klingeln an der Haustür versetzt in Angst und Schrecken. Die Dokumentation des Grimme-Preisträgers Michael Richter beleuchtet die andere Seite, nämlich die, die an der Tür der Verschuldeten klingelt. Erschreckend ist nicht nur, dass jeder zehnte Erwachsene in Deutschland verschuldet ist, sondern es sind auch die Einnahmen der Inkassounternehmen – rund fünf Milliarden Euro jährlich. Und das nicht immer auf legalem Wege. Mehrfach gestellte Forderungen, zu hohe Summen oder Zinssätze – das treibt viele Menschen in den Ruin. Wie sehr die Verschuldeten darunter leiden, zeigt Richter in seiner Doku, indem er mit Betroffenen spricht.

Putins Russland

Angela Stent

Rowohlt Buchverlag

Putin als Matrjoschka. Eine aus Linden- oder Birkenholz gefertigte, bunt bemalte, ineinander schachtelbare russische Puppe mit Talisman-Charakter. Fruchtbarkeit und Mütterlichkeit symbolisieren die weiblichen, Kriegstüchtigkeit und Stärke die männlichen Varianten. Ein passendes Buchcovermotiv des mächtigen Minister- und Staatspräsidenten, der seit 20 Jahren Russland mit eiserner Hand regiert. Sein autokratisches System wird inzwischen als bedrohliches Gegenmodell zur westlichen Demokratie wahrgenommen. Die Beschneidung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die Unterdrückung der Medien, die Behinderung von Nichtregierungsorganisationen, die unzumutbaren Zustände in den Gefängnissen, die Verfolgung von Homosexuellen – all das und noch viel mehr hat Putin zu verantworten. Angela Stent, Professorin an der Georgetown University in Washington, beschreibt in ihrem 576-seitigen Buch wie der ehemalige KGB-Offizier sein Land geprägt, gelenkt und verändert hat. Und wie er den Westen schwächen will. Eine aktuelle und aufschlussreiche Auseinandersetzung mit „Putins Russland“, die jedoch mehr Analyse und auch Prognosen vertragen hätte.

David gegen Goliath

Günter Faltin

Murmann Haufe

Schon der Klappentext „Eine andere und bessere Wirtschaft ist möglich. Jetzt!“ fasst Faltins Anliegen sehr gut zusammen: In seinem Buch „David gegen Goliath“ kritisiert er das kapitalistische Wirtschaftssystem scharf. Auf materiellen Wachstum getrimmt, bedrohe dies unsere Lebensgrundlage und führe zu einer Fehllokation von Ressourcen. Er fordert, dass Unternehmen mit vorhandenen Ressourcen effizienter wirtschaften. Ebenso appelliert Faltin an die Politik, ökonomische und ökologische Veränderungen umzusetzen. Und da man sich laut Faltin weder auf internationale Unternehmen, Ökonomen sowie die Politik verlassen kann, ist Entrepreneurship umso wichtiger. Denn gegen die „Goliaths“ können sich die kleinen „Davids“ wehren – mit anderen Werten, anderen Zielsetzungen und anderen Wirtschaftsakteuren. So können die Monopolstellungen gebrochen und das Wirtschaftssystem verändert werden – ohne das kapitalistische System, abzuschaffen: „Unser Wirtschaftssystem ist das Ergebnis von Kämpfen um wirtschaftliche Teilhabe. Es beinhaltet Errungenschaften, die wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen sollten.“

 

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