Nach Corona, Krieg und Energiekrise ist es doch irgendwann auch mal gut, oder? Doch weder im In- noch im Ausland überschlagen sich Wirtschaftsinstitute, Regierungsstellen oder internationale Organisation vor Optimismus.
Branchen- und Wirtschaftsvertreter:innen aus der Region über die größten Herausforderungen 2023 und Strategien, sie zu überstehen:

Kerstin Borchardt
Finanzvorständin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen e.V. Landesverband Niedersachsen
Aufgrund unserer Mitgliederinnen-Struktur vertrete ich nicht eine spezielle Branche, aber aus meiner Sicht sind weitere Infrastrukturinvestitionen in Digitalisierung und Mobilität unerlässlich. Neben dem Ausbau des Straßen- und Schienennetzes ist eine verlässliche Mobilfunk- und Breitbandabdeckung für die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft unverzichtbar. Nicht zuletzt Bedarf es dringend, zur Förderung unternehmerischer Tätigkeit, eines spürbaren Abbaus von Überregulierung und unnötigen bürokratischen Belastungen.

Dieter Schwarze
Vizepräsident des Baugewerbeverbands Niedersachsen
Hohe Material- und Energiepreise, strapazierte Haushalte der Kommunen und gestiegene Zinsen lassen unsere Branchen wenig optimistisch in das neue Jahr blicken. Der Trend von Baugenehmigungszahlen und Auftragseingängen, besonders im Wohnungsbau, war im vergangenen Jahr stark rückläufig. Insgesamt erwartet unsere Branche im Jahr 2023 eine Delle in der Baukonjunktur. Die Betriebe haben aber in vergangenen Jahren ihr Eigenkapital gestärkt und mit dem Saison-Kurzarbeitergeld kommen sie gut über den Winter. Es braucht jetzt kluge Investitionsanreize sowie öffentliche Investitionen, damit die Delle nicht zu einem Krater wird und die Fachkräfte in der Branche gehalten werden können.

Max Richter
Vorstandsvorsitzender des Großhandels- und Dienstleistungsverbands Braunschweig
Der Mix aus Corona-Ausläufern, Ukraine-Krieg, Auswirkungen auf Rohstoffmärkte, Lieferfähigkeiten und Preisvolatilität macht den Großhandel in 2023 extrem anspruchsvoll. Für den regionalen Großhandel stecken darin aber Chancen! Welche Produktalternativen gibt es? Wie sieht gutes Timing im Einkauf aus? Solche Kundenfragen können wir besser klären als anonyme Handelsriesen. Mit kluger Digitalisierung und stärkerem Fokus auf ESG-Kriterien im Sortiment wird 2023 für die Branche kein Jahr besonderer Ertragsstärke, aber wichtiger Weichenstellungen.

Florian Bernschneider
Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Region Braunschweig e.V.
2023 wird eine Entkopplung von Arbeitsmarkt und Wirtschaftsentwicklung unterstreichen; heißt: Wir erleben Arbeiterlosigkeit trotz möglicher Rezession. Das Gute daran: Wer mit Digitalisierung wirklich Prozesse automatisiert, neue Chancen der Zuwanderung nutzt und auch als Mittelständler seine Arbeitgebermarke positioniert, kann sich in 2023 einen entscheidenden Vorteil für die Folgejahre erarbeiten. Mit relevanten Informationen, dem AGV-Talentpool und der Auszeichnung als Zukunftgeber unterstützen wir dabei.

Marco Brunotte
Geschäftsführer der AWO Niedersachsen LAG
Hitzesommer, Starkregen, Stürme, Dürre. Der Klimawandel macht sich bemerkbar. Er fordert unsere Bewohner:innen, Klient:innen und uns als sozialwirtschaftliches Unternehmen. Wir übernehmen Verantwortung: Die AWO hat sich weitreichende Ziele für Klimaschutz und Nachhaltigkeit gegeben. Energieeffizienz, Transformation der Fuhrparks, erneuerbare Energien, Umgang mit Wasser und Sanierung von Gebäuden stehen an. Die Förderkulisse muss zwingend mehr auf gemeinnützige Verbände ausgerichtet werden.

Mark Alexander Krack
Geschäftsführer des DEHOGA-Bezirksverbands Land Braunschweig-Harz
Nach wie vor gibt es eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren, die das Konsumverhalten der Menschen beeinflussen. Da sind die inflationsbedingt gestiegenen Preise, die auch das Gastgewerbe spürt, und die konsumtive Zurückhaltung der Menschen. Dabei versuchen Gastronomie-, ebenso wie Beherbergungsbetriebe, für ihre Gäste ein Ort zu sein, wo man sich wohlfühlt und in gastfreundlicher Atmosphäre einmal ein Stück weit die tagtäglichen Sorgen und Unsicherheiten in den Hintergrund treten lassen kann.

Hans-Joachim Lenke
Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen
Als Sozialwirtschaft stehen wir vor der Herausforderung des Fachkräftemangels. Nicht erst seit diesem Jahr haben wir in pflegerischen und pädagogischen Berufen einen eklatanten Mangel. Der Druck, eine Lösung zu finden, wird jedoch zunehmen. Für uns ist klar, dass wir dem Problem nur mit einer ethisch verantwortlichen Fachkräftegewinnung im Ausland begegnen können. Dafür setzen wir uns bei der Politik ein. Zudem stellen Inflation und gestiegene Lebensmittelpreise viele Bürger:innen vor Herausforderungen. Auch hier müssen wir zusammen mit der Politik Hilfen entwickeln.

Oliver Schatta
Kreishandwerksmeister der Kreishandwerkerschaft Region Braunschweig-Gifhorn und Peine
Zu den größten Herausforderungen für das Jahr 2023 gehören die Energiekrise, die schwierige Materialverfügbarkeit und der Fachkräfte- und Auszubildendenmangel. Das Handwerk, da bin ich mir sicher, wird diesen Herausforderungen mit der nötigen unternehmerischen Zuversicht begegnen. Wir alle müssen uns aber darauf einstellen, dass das kein einfaches Geschäftsjahr werden wird. Kreative unternehmerische Lösungen sind jetzt gefragt. Ich kann mir vorstellen, dass vorhandene Gerätschaften wieder intensiver repariert, und weniger ausgetauscht werden.

Werner Bösemann
Landesvorstandsmitglied Die Familienunternehmen
Die Familienunternehmer blicken pessimistischer auf das neue Jahr. Mit einem Wachstum ihres operativen Geschäfts rechnen für 2023 nur noch 40 Prozent. Unter den größten Sorgen rangieren mittlerweile „Bürokratie durch Berichtspflichten“ sowie die weitere Verkrustung des Arbeitsrechts noch vor Inflation und Energiekosten. Die Politik verspricht Bürokratieabbau, aber die Anforderungen steigen. Entsprechend reduzieren Unternehmen Investitionen oder investieren in Regionen mit besseren Standortbedingungen.

Olaf Jaeschke
Vizepräsident Handelsverband Niedersachsen-Bremen e.V.
In den zurückliegenden Jahren hat es der Handel durch Kreativität und Beweglichkeit geschafft, mit Unterstützung staatlicher Programme zur Digitalisierung, eine Krise zu meistern. Doch der physische Handel hat die großen Vorteile mit Vor-Ort-Beratung und den Sinnen zu agieren. Es gibt nichts Schöneres, als Stoffe, Materialien, Design und Düfte zu erleben. Diesen Vorteil gilt es herauszustellen und in Kooperation mit der Gastronomie Stadtbesuche mit einem guten Stimmungsbild ausklingen zu lassen. Eine Hemmschwelle für den Einkauf vor Ort ist die Zufahrt. Angesichts der ÖPNV-Verbindungen muss die Mobilität mit dem Auto im Fokus bleiben.

Helge Leinemann
Vorstandsvorsitzender VPLT – Der Verband für Medien- und Veranstaltungstechnik e.V.
Die neuen Marktpreise, beispielsweise in den Bereichen Personal und Energie, müssen sich in diesem Jahr erst etablieren. Darüber hinaus beobachten wir aktuell eine Zurückhaltung in der Beauftragung. Auch der branchenübergreifende Fachkräftemangel gehört zu unseren Hauptthemen. Die Professionalisierung unseres Wirtschaftszweigs steht weiter im Mittelpunkt, 2023 wird vor allem das Jahr der Aus- und Weiterbildung. Hierbei unterstützt uns unsere verbandseigene Weiterbildungseinrichtung, die DEAplus.