In den Unternehmen schreitet die Digitalisierung voran. Da kommt auch der ein oder andere Betrieb auf die Idee, die Entgeltabrechnung zu digitalisieren. Doch geht das einfach so? Kann man Arbeitnehmern sagen: Wir versenden keine Lohn- und Gehaltsabrechnungen mehr; druckt Euch das doch selber aus?
Mit dieser spannenden Frage hat sich das Landesarbeitsgericht Hamm im September 2021 befasst und kommt zu dem Ergebnis: So einfach ist das nicht.
Das LAG Hamm: „Unter Erteilen einer Lohnabrechnung in Textform im Sinne des § 108 Gewerbeordnung ist nicht bereits die bloße Bereitstellung in ein elektronisches Postfach zum Abruf durch den Arbeitnehmer, sondern auch deren Zugang beim Arbeitnehmer zu verstehen. … Die bloße Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form zum Abruf durch den Arbeitnehmer ist keine Erfüllung der Pflicht zur Erteilung einer Lohnabrechnung.“
Der heutige Beitrag befasst sich daher mit dieser aktuellen Entscheidung.
Herzlichst, Ihre Elke Fasterding
RAin beim AGV Braunschweig
Das bestimmt das Gesetz
§ 108 Absatz 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO) bestimmt: „Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen.“ Das LAG Hamm hat mit Urteil vom 23.09.2021 – 2 Sa 179/21 – entschieden, dass die Möglichkeit des Abrufs einer digitalen Lohnabrechnung diesen Anforderungen nicht genügt.
Darum ging’s
Geklagt hatte ein Mitarbeiter eines Fuhrparks mit einem Bruttoentgelt von 2.900 Euro. Die Arbeitgeberin hatte mitgeteilt, dass sie die Entgeltabrechnungen künftig nicht mehr ausgedruckt zur Verfügung stellt, sondern verschlüsselt in einem Online-Portal. Jeder Mitarbeiter sollte sich seine Abrechnung entweder selbst zu Hause ausdrucken oder an eigens auf dem Betriebsgelände aufgestellten Terminals.
Der Kläger hatte dem widersprochen und seine Abrechnungen nicht aufgerufen und ausgedruckt. Er führte aus, dass der Arbeitgeber seiner gesetzlichen Pflicht nicht nachkomme, indem er Abrechnungen in elektronischer oder digitalisierter Form zur Verfügung stelle.
Die Arbeitgeberseite führte aus, dass dem Versand der Abrechnung oder der Aushändigung der Abrechnung die Erteilung als Pdf gleichstehe. Auch dies erfülle das Textformerfordernis.
So sahen es zwei Instanzen
Das LAG Hamm bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Dortmund und gab dem Kläger auch in der Berufungsinstanz Recht. Die Erteilung einer elektronischen Abrechnung erfülle zwar den Begriff der Textform, da es sich um eine lesbare Erklärung handele, aber es werde bei § 108 GewO nicht nur die Erstellung, sondern auch der Zugang der Abrechnung geschuldet.
Die Erfüllung des Anspruchs auf Erteilung der Lohnabrechnung in Textform setzt demnach voraus, dass die Lohnabrechnung den Machtbereich des Empfängers erreicht hat. Besitze der Arbeitnehmer keine dienstliche E-Mailadresse, so könne ein Zugang einer elektronischen Erklärung, die dem Textformerfordernis genügt, nach nahezu einhelliger Ansicht im Schrifttum nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer sich mit dem Empfang elektronischer Erklärungen ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklärt habe.
Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Von daher bleibt der Arbeitgeber verpflichtet, die Abrechnung für diesen Mitarbeiter ausgedruckt zur Verfügung zu stellen. Das Verhalten des Klägers sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Er habe den Zugang nicht vereitelt.
Fazit
Da es immer Mitarbeiter geben wird, deren Begeisterung für Technik sich in Grenzen hält oder die in prekären Arbeitsverhältnissen beschäftigt sind, muss man bei der Umstellung auf Entgeltabrechnungen zum Abruf / Download auch diese Entscheidung im Hinterkopf behalten.