Frau Prof. Krewer, Sie sagen, Ihr Institut für Energie- und Systemverfahrenstechnik ist deutschlandweit einzigartig. Was macht es zu einem Unikum?
Wir stehen als Vermittler zwischen den Natur- und den Ingenieurswissenschaften im Bereich der elektrochemischen Energietechnik; wir quantifizieren Prozesse, analysieren und modellieren sie. Dabei sind wir als Mitglied der Battery LabFactory Braunschweig ein Haupttreiber für die Modellgestützte Analyse und Optimierung von Batterien. Die meisten, die optimale Batterien am Computer entwerfen, können sie in Ermangelung einer Batterieproduktion nicht bauen; wir hier an der TU Braunschweig schon. Gerade haben wir ein neues Verfahren entwickelt, womit wir über eine dynamische Analyse die Alterung und den Ladezustand von Batterien ermitteln können.
Hat Deutschland in Sachen Batterieabhängigkeit aufgeholt?
Wir haben im Bereich Forschung viel geleistet und auch die Industrie ist sehr aufgeweckt. Aber dennoch kaufen wir noch immer unsere Lithium-Ionen-Batterien in Ostasien. Das liegt aber nicht mehr am Wissensstand, sondern daran, dass man wirtschaftlich produzieren will. Deutschland ist in Sachen Lithium-Ionen-Batterieproduktion ein Start-up. Es muss mit über Jahrzehnte optimierten großen Produktionslinien in ostasiatischen Ländern mithalten.
Was halten Sie von Volkswagens Plänen zum Bau einer Batteriefabrik?
Volkswagen arbeitet sich damit in der E-Mobilität vom Batteriesystem über die Module zur Zelle und eventuell den Materialien – das ist nur folgerichtig, da es sich bei der Batteriezelle um das Herz des zukünftigen Antriebs handelt. Bei der Zellfertigung hinkt Deutschland noch hinterher, aber ich bin hoffnungsvoll. Eine wichtige Rolle werden wir wahrscheinlich erst bei der nächsten Batterie-Generation spielen. Die Produktion muss wissensbasiert sein, zum Beispiel durch Vorhersage optimaler Batteriedesigns mittels Modellen – und wir müssen schnell sein. Dann erst sind wir hier in Deutschland kompetitiv. In Asien dominiert eine empirische Herangehensweise in der Produktion. Dort basiert die Optimierung noch auf der Betrachtung des Outputs und statistischen Messungen.
Elektromobilität wird als unausweichlicher Heilsbringer kommuniziert. Dennoch vermisst man noch immer mehr Reichweite und Ladestationen. Hat da die Politik geschlafen?
Die Politik hätte gerade in Bezug auf die Infrastruktur früher und flächendeckender handeln müssen. Wo sollen denn die ganzen Ladesäulen herkommen? Wenn sich weder Politik, noch Batterieproduzenten, Energieversorger oder die Automobilindustrie in der Verantwortung sehen, stagniert die Elektromobilität. Unsere Region hängt wirtschaftlich vom Volkswagen Konzern ab und hat da bisher geschlafen.
Wie bewerten Sie das Vorpreschen des innovativen US-amerikanischen Automobilherstellers Tesla?
Tesla ist das Ganze visionär von Kundensicht aus angegangen. Das Auto sollte eine hohe Reichweite haben, daher braucht es eine bestimmte Anzahl von Batterien und dazu gab es dann noch ein schnittiges Auto. Über die Qualität des Autos streitet man. Etablierte Marken sind da sicherlich ausgereifter, aber weniger sexy und verfügen meist über eine geringere Reichweite.
Was könnten sich deutsche Automobilhersteller abgucken?
Sie könnten ein wenig visionärer und aggressiver vorgehen und auch die Infrastruktur mit pushen. Europaweit kommt derzeit nur ein geringer Anteil der verkauften Batterieelektrischen Autos aus Deutschland. Renault, Tesla und ostasiatische Firmen führen hier. Deutsche Unternehmen sollten sich ein günstigeres E-Auto zum Ziel machen. Dazu kann auch die Politik Anreize schaffen, die den Kunden einen direkten Mehrwert zum klassischen Verbrenner geben. Zum Beispiel freie Fahrspuren und Parkplätze wie in Norwegen etablieren. Subventionen den Kauf betreffend nützen wenig, wenn das Auto dann noch immer teurer ist als ein Verbrennungsmotor.
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„Deutschland ist in Sachen Lithium-Ionen-Batterieproduktion ein Start-up“ (2/2)