Die Chemieindustrie verzeichnet weltweit ein stetes Wachstum. Gilt das auch für die Lebensmittelchemie?
... ja, auch die Lebensmittelchemie steht gut da, weil ihr Teilbereich Ernährung eine wichtige Rolle im täglichen Leben spielt. Ich denke auch, mittlerweile wurden genug Lebensmittelskandale publiziert, als dass die Relevanz von Lebensmittelchemikern deutlich wird.
Woran forscht das Institut für Lebensmittelchemie an der TU aktuell?
Uns interessiert aktuell vor allem die Herkunft von Lebensmitteln. Zurzeit sind Spargel und Erdbeeren im Fokus. Denn ein Pfund deutsche Erdbeeren kosten etwa fünf Euro und die aus Spanien nur 1,50 Euro. Es geht immer noch um Sicherheit und insofern um Qualität. Wenn auf einer Milchpackung 3,5 Prozent Fettgehalt draufsteht, muss diese Angabe auch eingelöst werden. Immer wieder kommen Untersuchungsämter ins Staunen. Es gibt viel kriminelles Potenzial im Lebensmittelbereich.
Wie viele Betrügereien bleiben unerkannt?
Irgendwann kommen schon alle Betrugsfälle raus; das Problem ist nur, dass die Fälscher uns immer einen Schritt voraus sind. Vor Kurzem hatten wir einen Fall in der Fleischindustrie: Fleisch wird ja gepökelt, wegen des Geschmacks und, damit es eine intensiv rote Farbe erhält. Viele Hersteller verwenden dafür Nitrit und das ist nicht ganz unbedenklich. Daher wird versucht, den Nitritgehalt des Pökelsalzes zu reduzieren – doch darunter leidet die Farbintensität. Deshalb helfen die Hersteller mit Farbstoff nach. Diese Farbstoffe sind jedoch nicht ganz stabil und lassen mit der Zeit nach. In Gewürzextrakten für Fleischwaren wurden nun tatsächlich Textilfarbstoffe entdeckt. Da sind wir an eine Grenze gestoßen, denn die Analytik gab es noch nicht. Hier waren wir an der Entwicklung einer Methode beteiligt, um diese Farbstoffe nachzuweisen. Es gab auch Warnungen innerhalb der EU und die Fleischwaren wurden zurückgezogen. Das sind so Dinge, da hätte nie jemand dran gedacht.
Wird bei den Kontrollen viel geschummelt?
Es gibt Routineprüfungen, auf die sich die Hersteller einstellen, aber auch spontane Kontrollen oder sogar Polizeiaktionen morgens um sechs Uhr. Die großen Skandale gibt es selten. Das häufigste sind Schummeleien bei der Etikettierung und der Herkunftsangabe. Die EU investiert viel Geld, um die Herkunft der Lebensmittel zu überprüfen. Olivenöl ist übrigens auf Platz Eins der meist verfälschten Lebensmittel. Aktuell finden sich auch viele Betrügereien bei Nüssen – vor allem wegen der schlechten Haselnussernte. Auch bei Wein gibt es regelmäßig Skandale, da wird zum Beispiel mit Wasser gestreckt. Man kann bei allem versuchen, zu fälschen, aber auch jede Fälschung nachweisen.
Wie sah der letzte große Lebensmittelskandal aus?
Der letzte richtig große Lebensmittelskandal war in China: Da hatte man versucht, den Proteingehalt von Milchpulver zu verbessern, indem man die chemische Substanz Melanin beigemischt hat. In der Folge sind viele Babys gestorben. Die Strafen waren dann auch drakonisch und die Verantwortlichen wurden hingerichtet.
Welche Obst- und Gemüsesorten sind am meisten pestizidbelastet?
Über solche Dinge muss sich der Verbraucher gar keine Gedanken machen, weil diese Lebensmittel routinemäßig häufig kontrolliert werden. Bei einer Gurke ist es am besten, sie einfach zu schälen, wenngleich es für die Pestizide auf der Schale klare Höchstgrenzen vom Gesetzgeber gibt. Problematischer sieht es beim Kopfsalat aus; da sollte man besser die äußeren Blätter wegnehmen.
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„Es gibt viel kriminelles Potenzial im Lebensmittelbereich“ (2/2)