12. November 2021
Impulse

Gute statt gut gemeinte CSR – Expertin gibt Tipps

Die Berliner Phineo gAG berät Unternehmen, Stiftungen und Philanthrop:innen zum Thema Gemeinwohl. Dabei zählt vor allem eins: aufzeigbare Wirkung! Zu oft bekommen noch die Lautesten das meiste Geld. Was aber kennzeichnet wirkungsvolle Gemeinwohl-Ansätze? Darüber haben wir mit Beraterin Annelie Beller gesprochen.

Der Hauptsitz der Phineo gAG liegt in Berlin-Mitte. Foto: Phineo

Frau Beller, können Sie Phineo kurz vorstellen?

Phineo ist ein Think- und Do-Tank aus Berlin. Das heißt, wir forschen, denken und beraten mit unseren 70 Mitarbeiter:innen zu unserem Thema der sozialen Wirkung.

Das müssen Sie genauer erklären!

Es geht zum Beispiel um die Frage, welche gemeinnützigen Projekte besondere Wirkung hervorrufen. Die zeichnen wir dann mit dem Phineo-Wirkt-Siegel aus. Außerdem beraten wir all jene, die sozial investieren und spenden möchten. Ein neues Thema ist das Impact-Investing: Also, wie können wir wirkungsorientiert investieren?

Was ist Ihre Aufgabe als Beraterin?

Zu uns kommen zum Beispiel Unternehmen und wollen ihr Engagement wirkungsvoller gestalten oder ihre Mitarbeiter stärker einbinden. Das gehen wir dann gemeinsam an. Es gibt aber auch Hochvermögende, die sich mehr Veränderungen wünschen und erst noch nach Themen suchen, bei denen sie sich engagieren können. Wir arbeiten auch mit Stiftungen an ihren jeweiligen Strategien, damit sie möglichst wirkungsvoll ihren Stiftungszweck erfüllen können.

Wie sieht so ein Beratungsprozess denn konkret am Beispiel eines Unternehmens aus?

Ich habe jetzt ein mittelständisches Unternehmen vor Augen …

… sehr gut …

… eine junge Frau hat das Unternehmen von ihrem Vater übernommen, der sich sehr für die Region eingesetzt hat und die neue Inhaberin fragt sich, wie sie das Engagement ihres Vaters sinnvoll fortsetzen kann. Dann schauen wir auf die bereits bestehenden Projekte aber auch, was eigentlich zum Unternehmen passt. Was ist nah am Kerngeschäft? Was sind Themen, die der Familie wichtig sind?

„Gibt in diesem Land unglaublich viele gute Projekte, die keine große Öffentlichkeit haben“

Was ist denn ein typischer Fehler, den Unternehmen oder Philanthrop:innen machen?

Denen das Geld zu geben, die am lautesten schreien. Es gibt in diesem Land unglaublich viele richtig gute Projekte, die keine große Öffentlichkeit haben, aber eine unglaubliche Wirkung erzielen. Es lohnt sich wirklich, ernsthaft nachzudenken, bevor gespendet wird. Das ist auch angemessen bei den Summen, die zur Verfügung gestellt werden.

Annelie Beller ist Beraterin bei der Berliner Phineo gAG. Foto: Phineo

Wie professionell arbeitet der Non-Profit-Sektor denn zurzeit?

Der Nonprofit-Sektor in Deutschland ist sehr groß und es wird sehr professionelle Arbeit geleistet. Gleichzeitig haben wir nach wie vor in diesem Sektor ein Transparenzproblem. Es gibt sehr wenige Daten. Das war auch einer der Anlässe Phineo zu gründen und mit dem Siegel mehr Transparenz zu schaffen.

Siegel haben aufgrund der Schwemme und der Tatsache, dass viele von ihnen in erster Linie ein Geschäftsmodell sind, mittlerweile einen zweifel­haften Ruf. Was steckt hinter dem Phineo Wirkt-Siegel?

Es soll zu den Projekten weisen, die besonders wirkungsvoll sind. Wir vergeben das Siegel immer in bestimmten Themenbereichen. Das heißt, wir nehmen uns ein Themenfeld vor, zum Beispiel Demenz oder gesellschaftlicher Zusammenhalt. Es kann aber auch Sport sein. Die Problemlagen innerhalb dieser Themenfelder sind sehr unterschiedlich und entsprechend individuell müssen sinnvolle Ansätze sein. Deshalb schauen wir uns immer erst ein Themenfeld an und versuchen zu verstehen, wie dort Wirkung erreicht werden kann. Dann laden wir Organisationen für die Analyse ein.

Ursache und Wirkung – besteht nicht die Gefahr, dass bei einer zu starken Orientierung an messbaren Werten die kleinen menschlichen Projekte auf der Strecke bleiben?

Auf jeden Fall. Für uns ist Angemessenheit das zentrale Stichwort. Wir glauben jeder muss sich mit Wirkung beschäftigen, aber die Art und Weise, wie man diese beschreibt ist sehr unterschiedlich. Manche Dinge kann ich sehr gut messen. Aber wenn ich mich zum Beispiel für gesunde Ernährung bei Kindern einsetze, wird es schon schwierig sinnvolle quantitative Werte zu finden. Dann macht es oft Sinn, qualitative Aspekte einzubeziehen.

Was sollte das Ziel von Corporate Responsibility sein?

Ich glaube, man muss hier unterscheiden zwischen dem, was innerhalb des Kerngeschäfts und dem, was außerhalb des Kerngeschäfts passiert. Im Kern gehören zur Corporate Responsibility Lieferketten-Fragen oder alle Nachhaltigkeits- und Umweltthemen mit Bezug zur eigenen Produktion. Außerhalb des Kerngeschäfts sind es Themen wie Engagement, Philanthropie, Corporate-Giving oder Corporate-Volunteering. Diese Themen gehen über das Kerngeschäft hinaus und sollten aber damit verknüpft werden.

Sie sehen Ihre Arbeit auch in einem Gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. Auf Ihrer Webseite schreiben Sie zum Beispiel, dass es eine „starke Zivilgesellschaft“ braucht. Warum eigentlich? Und inwiefern tragen Sie dazu bei?

Wir glauben, dass die Zivilgesellschaft eine unglaublich wichtige Rolle in diesem Land hat und dass sie dafür auch die entsprechenden Kompetenzen, das Knowhow und die Mittel braucht, um ihre Arbeit besonders gut und wirkungsvoll zu machen. An all diesen Stellschrauben versuchen wir zu drehen.

Wie blickt jemand, der sich tagtäglich mit Gemeinwohl beschäftigt auf die Bereitschaft der Unternehmer:innen in unserem Land, sich zu engagieren?

Das ist eine schwierige Frage. Gerade habe ich das Gefühl, dass wir als Gesellschaft aber auch als Welt einfach vor unglaublichen Herausforderungen stehen. Gleichzeitig erfahren wir, dass wir sehr schnell in Kontakt mit Menschen kommen, die etwas verändern wollen. Das macht mich dann auch wieder hoffnungsvoll.

Warum?

Ich glaube, es braucht dieses Engagement jetzt. Wann, wenn nicht jetzt wollen wir anfangen und uns wirklich auch überlegen, wofür wir einstehen in dieser Welt. Wo wir einen Unterschied machen wollen, der über unser eigentliches Unternehmertun gern auch hinausgehen kann.

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