3. September 2020
Impulse

Lessing-Loge Peine

Logen-Serie Teil VIII

Erhard Wittkop, Alwin Bäskow und Sigurd Gumlich ist es wichtig, dass das Druidenheim kein Ort der Geheimnisse ist – die Peiner Lessing-Loge lädt gerne zu Vorträgen und Diskussionen in ihr Haus ein. Foto: Gesa Lormis/ Regio Press.

Stahl, A2, Mittellandkanal, Logistik … In den üblichen Erzählungen über Peine taucht die Lessing-Loge nicht auf. Aber manchen Besuchern der Fuhsestadt fällt das Logenhaus an der Ecke Silberkamp/Hindenburgstraße auf. Neben Kleingärten und Mehrfamilienhäusern sticht das denkmalgeschützte, zweigeschossige Gebäude aus dem Ensemble der Kernstadt hervor. Vor fast 100 Jahren erbauten die Mitglieder der Lessing- und Gunzelin-Loge ein Logenhaus. Es ist in seiner Art einzigartig und etwas Besonderes. Das Druidenheim – das Logenhaus der Lessing-Loge.
Geheimnisvoll wollen sie gar nicht sein, erklären Alwin Bäskow, Erhard Wittkop und Sigurd Gumlich gleich zur Begrüßung. Es gab Zeiten, in denen es notwendig war, um sich selbst, die Brüder und ihre Familien zu schützen „und dieses Verhalten aus dem Dritten Reich wird uns bis heute nachgesagt, dabei steht unser Haus allen offen“, betont der stellvertretende Vorsitzende Gumlich. Der Vorsitzende Wittkop deutet auf die in drei Abschnitte geteilte Decke und die Lampen im Gesellschaftsraum: „Die Zahlen drei und sieben finden sich bei der Gestaltung des Hauses immer wieder. Sie stehen für unser Leitmotiv: Einigkeit, Frieden und Eintracht sowie unsere weiteren vier Ideale Brüderlichkeit, Toleranz, Nächstenliebe und Menschenrechte.“
1906 gründete der Präsident des Deutschen Druiden-Ordens, Heinrich Fricke, die Lessing-Loge Peine in den Räumen eines Hotels. Einen Teil ihrer Geschichte haben die Peiner Brüder auf ihrer Webseite veröffentlicht, auf der Webseite des Deutschen Druiden-Ordens sind Scans der Logenchronik veröffentlicht.

Ein Unikat

Das Druidenheim beherbergt auch ein kleines Museum des Deutschen Druiden-Ordens. Foto: Gesa Lormis/ Regio-Press.

„Das Haus ist ein Unikat. Es ist im klassizistischen Stil von einem Hannoveraner Architekten entworfen wurden, der ebenfalls ein Bruder war. Unsere Symbolik ist überall mit eingeflossen. Ein zweites Haus dieser Art gibt es nicht“, erzählt Wittkop. Einige Jahre nach der Gründung war der Logenraum im Hotel zu klein geworden, ein erster Hauskauf scheiterte und eine zweite Loge, die Gunzelin-Loge, wurde zur Entlastung gegründet. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation zum Beginn des 20. Jahrhunderts verfolgten die Brüder die Pläne, ein eigenes Logenhaus zu bauen. Im Oktober 1925 erfolgt der erste Spatenstich, im Spätherbst 1926 bezogen sie ihr neues Domizil.
Obwohl sich die beiden Logen in der Folge einander wieder annäherten, schwand die Mitgliederzahl. Der Einfluss der Nationalsozialisten begann spürbar zu werden: Wer sich öffentlich zu einem Orden bekannte, fand keine Anstellung. „Wir sind unpolitisch und parteipolitische Diskussionen sind bei uns nicht gerne gesehen, auch wenn wir uns natürlich über aktuelle Entwicklungen austauschen und auch mal streiten. Über allem stehen aber die Humanität und unsere Ideale: Toleranz, Menschenrechte, Nächstenliebe, Brüderlichkeit, Eintracht, Einigkeit und Frieden“, zählt Gumlich auf. 1935 ordnete die Groß-Loge an, Ritualgegenstände und Literatur an die Staatspolizei zu übergeben. In der Befürchtung, die Bleiglasfenster mit ihren Symbolen könnten zerstört werden, bauten einige Logenmitglieder sie heimlich aus und versteckten sie. In den folgenden Jahren war das Haus mal Jugendlager, dann Flakdepot und später ein Altenheim. „Soweit wir wissen, wurde das Haus aber recht schonend behandelt und als sich die Lessing-Loge 1948 neu gründete, erhielt sie Unterstützung von den Engländern, das Haus zurückzuerhalten. 1951 waren sie wieder Eigentümer“, fasst Wittkop die Jahre zusammen.

In einer Auktion entdeckte ein Freimaurer aus Berlin 2018 einen Hammer, den die Lessing-Loge 1921 der Lothar-Loge Königslutter schenkte, und brachte ihn zurück nach Peine. Foto: Gesa Lormis/ regio-Press.

Restaurierung und soziales Engagement
Auch wenn sich die Brüder um das Gebäude kümmerten, machte sich das Alter bemerkbar. In Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Erfurt und Professor Dr. Peter van Treek entstand 2002 ein Konservierungs- und Restaurierungskonzept für die Buntfenster, das vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege und der Bezirksregierung Braunschweig mitgetragen wurde. Rund drei Jahre dauerten die Arbeiten, die 44.000 Euro kosteten. Gut ein Viertel der Gelder steuerten der Deutsche Druiden-Orden und die Peiner Brüder selbst bei, weitere Gelder erhielten sie von der Bezirksregierung sowie Stiftungen. Danach gingen die Arbeiten am Gebäude weiter: Die ursprüngliche Erscheinung des Gebäudes sollte weitestgehend wiederhergestellt werden. Zwischen 2005 und 2006 unterstütze die HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst aus Hildesheim unter der Leitung von Dr. Ivo Hammer die Bestimmung und Dokumentation der Oberflächen in den

An der Betonfassade des denkmalgeschützten Druidenheims sind nicht nur Symbole des Druiden-Ordens angebracht. Auch Peines Wappentier, die Eule, lässt sich dort finden. Foto: Gesa Lormis/ Regio-Press.

Räumen sowie der Außenfassade.
„Viele unserer Ausgaben für die Restaurierung und unser soziales Engagement finanzieren wir durch die monatlichen Mitgliedsbeiträge der Brüder. Einige steuern für bestimmte Zwecke auch noch extra etwas bei. Dazu kommen Einnahmen aus verschiedenen Quellen“, berichtet der Alt-Vorsitzende Bäskow. Beispielsweise hat ein Gastronom die zum Haus gehörende Küche gepachtet und bietet Privatpersonen die Möglichkeit, in den Gesellschaftsräumen Feiern oder Veranstaltungen auszurichten. Dazu kommen eine vermietete Einliegerwohnung, Parkplätze neben dem Gebäude und ein Druiden-Museum. Bevor er die Tür im zweiten Stockwerk aufschließt, hinter welcher der Deutsche Druiden-Orden alte Bücher und Sakral-Gegenstände zusammengetragen hat und ausstellt, deutet Wittkop auf eine Vitrine im Vorraum zum Sitzungssaal, in der einige Erinnerungsstücke an befreundete Logen liegen. Darunter auch ein Hammer, der 1921 ein Geschenk an die Lothar-Loge in Königslutter war, aber vermutlich in den Wirren des Zweiten Weltkrieges verschwand. Vor einigen Jahren tauchte er in einer Auktion auf und wurde zurück nach Peine gebracht.

Zwei Symbole, die im Druidenheim präsent sind, werden mittlerweile nicht mehr vom Deutschen Druiden-Orden verwendet: Schwert und Schild. „Sie standen für Werte wie Gerechtigkeit und Sicherheit. Heute wecken sie eher kriegerische Assoziationen, daher verwenden wir sie nicht mehr. Stattdessen sind Symbole wie die Weltkugel oder der Mond, der für eine milde Führung durch den Vorsitzenden steht, dazu gekommen“, erklärt Bäskow.

Auf dem altarähnlichen Tisch in der Mitte des Versammlungsraumes liegt ein Kranz aus Mistelzweigen. Die Mistel, bei den Druiden der Kelten eine heilige Pflanze, symbolisiert die sich stets erneuernde Kraft der Natur. Foto: Gesa Lormis. Regio-Press.

Lebenslange Humanität
Während des Höhepunktes der Corona-Pandemie im Frühjahr mussten auch die Brüder auf ihre wöchentlichen Logensitzungen verzichten. „Wir sind schon vorsichtig, die meisten von uns zählen allein schon aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe“, berichtet Gumlich. Der jüngste Bruder der Lessing-Loge ist 37, der älteste 95 Jahre alt. „Da wir eine lebenslange Mitgliedschaft bevorzugen, sind wir vorsichtig bei jüngeren Interessenten. Wer Druide werden möchte, sollte fest im Leben stehen und bereit sein, an den wöchentlichen Sitzungen teilzunehmen – ohne viele Ausnahmen“, ergänzt Wittkop. Daher sind fast alle der 18 Mitglieder auch aktiv und regelmäßig bei den Treffen dabei.
Als Teil ihres Wirkens nach Außen übergeben sie in diesem Herbst den Preis für einen Schülerwettbewerb. „Wir unterstützen seit Jahren einige Schulen in Peine, oft durch Spenden. Vor einigen Jahren ist uns allerdings aufgefallen, dass es eine gewisse Verrohung in der Gesellschaft und besonders der Alltagssprache gibt. Gemeinsam mit dem Superintendenten und Vertretern von Amnesty International entstand dann die Idee für einen Wettbewerb. Wir wollten Schüler dazu bringen, sich mit dem Thema Humanität, also im weiteren Sinne auch mit unseren Werten, auseinanderzusetzen“, berichtet Wittkop. Wie die Schüler und Schülerinnen das Thema bearbeiten, schrieben sie nicht vor. So erreichten sie unter anderem Bilder, Aufsätze und Videos. Auch die Ansatzpunkte der Teilnehmenden variierten: So befassten sich einige mit ihrem direkten Alltag, andere richteten den Blick auf Krisen, Kriege und den Umgang damit. „Bei unseren Treffen setzten wir uns in Vorträgen und Diskussionen regelmäßig damit auseinander. Trotzdem war es auch für uns eine Überraschung, wie vielfältig und vielschichtig die Einsendungen sind“, ist Gumlich erfreut.

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