30. Januar 2018
Management & Trends

Das trauernde Unternehmen

New Work eine Kolumne von Nadine Nobile & Sven Franke

Nadine Nobile & Sven Franke. Foto: Nils Hasenau

Hat es Ihnen in Ihrer beruflichen Laufbahn schon mal den Boden unter den Füßen weggezogen? Haben Sie Situationen erlebt, die Sie auch Jahre später noch verfolgen? Wie sind Sie mit diesen Erlebnissen umgegangen? Augen zu und durch? Nicht drüber nachdenken – Haken dran? Nun, das ist eine übliche Bewältigungsstrategie. Doch diese Strategie hat oft einen hohen Preis!

Wir stoßen in unterschiedlichsten Unternehmen immer wieder auf das gleiche Phänomen. Einzelne Mitarbeitende oder Mitarbeitergruppen sind geradezu blockiert und erstarrt. Und das auf eine aggressive Art und Weise. Innovationen werden ausgebremst oder torpediert. Und Beiträge bestimmter Personen oder Führungskreise kategorisch ausgesessen oder angefeindet.

Aber wie entsteht eine solche Haltung? Im Grunde laufen immer wieder die gleichen Prozesse ab. Mitarbeitende durcherleben ein Ereignis mit einer traumatischen Wirkung. Das kann eine Firmenübernahme sein, die Auflösung einer Abteilung oder der Verlust von Kompetenzen. Statt froh zu sein über den Erhalt des Arbeitsplatzes, wird alles vom Verlust der Bezugsgruppe oder der ehemaligen Stellung überschattet. In einem traditionsreichen Unternehmen, das innerhalb weniger Jahre mehrere Male übernommen und reorganisiert wurde, hörten wir bei der Vorbereitung einer Veranstaltung den Satz: „Der Kollege X spricht in kein blaues Mikrofon, denn Blau ist die Logo-Farbe der „neuen“ Firma“. Was von außen betrachtet wie ein absurdes Verhaltenerscheint, steckt uns jedoch in den Genen. Denn in der menschlichen Entwicklungsgeschichte stand in Krisen das Überleben des eigenen Stammes im Mittelpunkt. Denn dieser sicherte die eigene Existenz und war gleichzeitig identitätsstiftend. Und so scheint manches Verhalten befremdlich, psychologisch betrachtet ist es eine nachvollziehbare Abwehrreaktion.

Aber wie geht man mit diesen Blockaden um? Wir sind überzeugt, da hilft nur der Gang durch alle Phasen der Trauer. Denn im Grunde geht es doch genau darum: den Abschied von etwas, das Teil des eigenen Lebens war und unwiederbringlich verloren scheint. Es beginnt mit der Phase des „Nicht-Wahrhaben-Wollens“. Darauf folgen die Emotionen und damit Trauer, Wut, Zorn, Angst. Nach dem Tal der Tränen geht es langsam wieder aufwärts. Die Betroffenen schauen nach vorne, suchen Orientierung und beginnen Pläne zu schmieden, um sich später wieder neu verorten zu können. Entscheidend für diesen Prozess ist, dass jede Phase durchlebt wird. Doch in unserer heutigen Lebens- und Arbeitswelt ist für Emotionen oft kein Platz.

Und damit bleiben einige Menschen in der zweiten Phase stecken. Was hilft ist Raum, Zeit und vor allem Anerkennung der Emotionen. Das ist kein einfacher Weg! Aber es sind für die Betroffenen wichtige Schritte vorwärts. Und ja, auch in Unternehmen darf getrauert werden. Und wer sich Begeisterung, Leidenschaft und lebhaftes Engagement von seinen Mitarbeitenden wünscht, sollte auch Raum für belastende Emotionen ermöglichen.

Nadine Nobile ist Gründerin von CO:X. Sie unterstützt Menschen in Unternehmen als Prozessbegleiterin und Coach. „Potentiale erkennen und Entfaltung ermöglichen“, das ist dabei ihr Leitsatz.

Sven Franke ist Organisationsbegleiter und  Speaker. „Experimente wagen und Neuland erkunden“, ist seine Maxime. Er initiierte das Projekt AUGENHÖHE und wurde 2017 von Xing als New Worker des Jahres ausgezeichnet.  

DAS

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