15. März 2018
Management & Trends

Die Mär vom Verhandlungsgeschick der Männer

New Work eine Kolumne von Nadine Nobile & Sven Franke

Nadine Nobile & Sven Franke. Foto: Nils Hasenau

Wenige Diskussionen werden so emotional geführt wie die über die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen. Interessanterweise verläuft der Graben weniger zwischen den Geschlechtern selbst. Wer genauer hinhört, erkennt, dass es dabei um Bewertungsmaßstäbe geht, mit denen die Diskutanten Lohngerechtigkeit definieren oder wer die Verantwortung für die Unterschiede trägt.

Wenige Diskussionen werden so emotional geführt wie die über die ungleiche Entlohnung von Männern und Frauen. Interessanterweise verläuft der Graben weniger zwischen den Geschlechtern selbst. Wer genauer hinhört, erkennt, dass es dabei um Bewertungsmaßstäbe geht, mit denen die Diskutanten Lohngerechtigkeit definieren oder wer die Verantwortung für die Unterschiede trägt. Laut statistischem Bundesamt liegt der Gender-Pay-Gap derzeit bei 21 %. Ursachen dafür gibt es mehrere. An dieser Stelle wollen wir einen Aspekt herausgreifen, der uns in Bezug auf die Kultur einer Organisation entscheidend erscheint. Und das ist der Gehaltsunterschied von männlichen und weiblichen Führungskräften innerhalb der gleichen Organisation.

Welche Ausmaße dieser Unterschied annehmen kann, zeigte sich jüngst medienwirksam bei der BBC. Ein Argument, das immer wieder angeführt wird, um den Gehaltsvorsprung von Männern zu erklären, ist ihr vermeintliches Verhandlungsgeschick. Die Botschaft, die bei vielen mitschwingt, ist sehr klar: „Frauen sind selbst schuld daran, dass sie weniger verdienen. Hätten sie besser verhandelt, würden sie das Gleiche bekommen.“ Scheint logisch! Oder? Doch wer diesen Antwortautomatismus hinterfragt, dem öffnen sich andere Erklärungsmuster.

Wer trägt in einem Entscheidungsprozess die größte Verantwortung? Derjenige, der Informationen zur Verfügung stellt? Oder die Personen, denen die meisten Informationen vorliegen?

 

Im Fall der Gehaltsfindung sind dies die Personen, die den Zuschlag für ein Gehalt erteilen. Sie kennen die Anforderungen an die Stelle, sie kennen die Bewerber, sie kennen deren Gehaltsforderungen und sie kennen das Gesamtgefüge der Gehälter in der Organisation. Auch haben sie die größte Erfahrung, wenn es um Gehaltsfindung geht, denn es ist ihr Aufgabengebiet. Wieso antizipiert ein Unternehmen nicht den vermeintlichen Fakt des „selbstbewussten Verhandlers“? Warum ist es bereit, für einen „guten Verhandler“ mehr auszugeben, wenn es die gleichen Kompetenzen günstiger haben könnte? Entspricht der Wert, den ein angeblich „schlechter Verhandler“ aufruft, am Ende nicht sogar eher seinem realistischen Wertbeitrag? Hat der „forsche Verhandler“ die Interessen des Unternehmens im Blick? Oder geht es ihm darum, nur möglichst viel abzuschöpfen? Welchen Grad an Loyalität kann von einem solchen Mitarbeiter erwartet werden?

Wenn der Stellenmarkt nur nach marktwirtschaftlichen Regeln funktionieren würde, müsste der Markt weiblicher Führungskräfte leergefegt sein. Aber da dem nicht so ist, gilt es die Mechanismen, die Personalauswahl und Gehalt in Organisationen bestimmen, kritisch zu hinterfragen. Daher sagt der Gender-Pay-Gap in einem Unternehmen mehr über die dort vorherrschenden Spielregeln aus als über das Verhandlungsgeschick der besser verdienenden Männer.

Welche kulturellen Aspekte spiegeln sich in dem Gehaltsgefüge Ihrer Organisation wieder?

Nadine Nobile ist Gründerin von CO:X. Sie unterstützt Menschen in Unternehmen als Prozessbegleiterin und Coach. „Potentiale erkennen und Entfaltung ermöglichen“, das ist dabei ihr Leitsatz.

Sven Franke ist Organisationsbegleiter und  Speaker. „Experimente wagen und Neuland erkunden“, ist seine Maxime. Er initiierte das Projekt AUGENHÖHE und wurde 2017 von Xing als New Worker des Jahres ausgezeichnet.

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