Bekommen Sie Anrufe von Vorständen, die von der Liste runter wollen?
Ja, das kommt vor (lacht). Wir schicken diese Listen ja in einem schwarzen Umschlag persönlich an die jeweiligen Vorstandsvorsitzenden und bieten ganz aktiv den Dialog an. Das wird durchaus angenommen.
Was charakterisiert Unternehmen, die es auf die doppelschwarze Liste schaffen?
Ich rate Frauen mit Ambitionen davon ab, sich bei diesen Unternehmen zu bewerben. Denn die Abwesenheit von Frauen in der obersten Führungsriege ist ein zuverlässiger Indikator für eine wenig durchlässige Unternehmenskultur. Ansonsten sind diese Unternehmen sehr unterschiedlich, auch ganz junge wie Rocket Internet von den Samwer-Brüdern ist dabei. Die Startup-Szene ist ohnehin unglaublich männlich.
In unserer Region haben wir zwar den größten Autobauer der Welt, aber auch einen ausgeprägten Mittelstand. Wie sieht es Ihrer Meinung nach jenseits der Konzerne mit der Gleichstellung aus?
Grundsätzlich sind die KMUs langsamer bei dem Prozess. Das heißt aber nicht, dass nicht einzelne Unternehmen vorbildlich geführt werden und besonders zukunftsfähig aufgestellt sind.
Wir haben vor einiger Zeit die Frauenquoten in der obersten Führungsebene unserer Region untersucht. 194 Männer standen 15 Frauen gegenüber. Das ergab eine Quote von 7,2 Prozent …
Sie stehen damit nicht schlechter da als die börsennotierten Unternehmen, aber es bleibt weit entfernt von einer Ausgeglichenheit. Die wäre bei einem Verhältnis von 40 zu 60 erreicht, ein tatsächlicher Kulturwandel beginnt bereits bei 30 zu 70.
Immerhin: Wir haben vier Hochschulen in der Region, seit diesem Jahr werden drei von Präsidentinnen geleitet. Müsste man das nicht lautstark feiern?
Natürlich! Unternehmen machen genau das. Sie verkaufen sich als Best-Practice-Beispiele und ziehen so noch mehr Menschen mit modernem Mindset an. Das ist ein starkes Argument im War for Talents.
Einige Frauen in Führungspositionen, mit denen wir sprachen, waren keine Fans der Quote. Es klang ein wenig durch, dass sie ihr Lebenswerk durch den Stempel der Quotenfrau gefährdet sehen. Können Sie das nachvollziehen?
Intellektuell ja (lacht). Aber wir sollten eines mal deutlich klarstellen: Niemand, der nicht qualifiziert ist, wird in einen Vorstand oder Aufsichtsrat berufen. Die Angst vor dem Stempel ist also wirklich unbegründet.
Wie viel sozial konstruiertes Geschlecht ist für Sie persönlich eigentlich ertragbar?
Ideal wäre natürlich, wenn das Geschlecht keine Rolle mehr spielen würde. Es gibt immer wieder die Behauptung, dass Frauen die besseren Führungskräfte seien. Das halte ich für völligen Unsinn. Richtig ist aber, dass beide Geschlechter in Deutschland unterschiedlich aufwachsen und andere Rollen lernen …
… immer noch?
Ich fürchte, es ist wieder mehr geworden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich in den 70er Jahren progressiver groß geworden bin als viele Mädchen heute.
Glauben junge Frauen, dass der Kampf bereits von ihren Müttern geführt wurde?
Zumindest beschäftigen sie sich sehr wenig und wenn erst relativ spät mit dem Thema. Der Aha-Effekt kommt meist erst mit Mitte 30, zum Beispiel wenn Kinder kommen und der Mann auf der Karrierebahn weiter rast, während die Frau auf die Buckelpiste abbiegt, wie Frau von der Leyen es mal treffend ausgedrückt hat.
Hilft es, dass immer mehr Männer keine Lust auf die Ernährerrolle haben?
Ganz sicher. Viele jüngere Männer denken mittlerweile, dass es in der warmen Höhle vielleicht schon die ganze Zeit nicht so schlecht war, wie sie es sich viele Jahre lang auf der Jagd eingeredet haben (lacht). Wenn Paare die Herausforderungen stärker als Team lösen, hilft das beiden.
Es gibt viele Klischees aus der männerdominierten Arbeitswelt: Dass am Urinal wesentliche Entscheidungen getroffen werden, dass Männer lieber unter sich über Frauen als mit ihnen reden. Wie schaffen wir es, die Diskrepanz zwischen der öffentlich zur Schau getragenen Korrektheit und solchen Beobachtungen zu überwinden?
In dem man diese ganz homogenen Gruppen sprengt. Ich verstehe ja den Wunsch nach Reibungslosigkeit, dass man sich gern mit Seinesgleichen umgibt und in einer Clique aus Mittfünfzigern mit ähnlichem Mindset fast ohne Worte auskommt. Diversität ist viel anstrengender zu managen, aber sie führt in der Regel auch zu besseren Ergebnissen und mehr Innovation.
Auch in unserem eigenen Magazin dominieren Männer mit Anzügen. Was können wir tun?
Finden Sie weibliche Talente und zeigen Sie Frauen, wo Sie nur können. Wir sind unheimlich stark von den Medien geprägt und solange wir Frauen vor allem mit Kindern vor der KITA sehen, trauen wir Ihnen eben nur Kinder und KITA zu und keine Jobs an der Spitze von Unternehmen.