Wieviel Urlaub steht mir zu?
Das Bundesurlaubsgesetz regelt den gesetzlichen Mindesturlaub. Weniger als dort angegeben ist, darf man nicht gewähren. Bei einer Sechs-Tage-Woche besteht ein Anspruch auf 24 Werktage pro Kalenderjahr. Bei einer Fünf-Tage-Woche sind es 20 Tage. Arbeiten Sie an weniger Tagen, haben Sie einen anteiligen Anspruch. Tarifverträge und viele Arbeitgeber gewähren aber mehr, und zwar in der Regel 30 Tage Urlaub im Jahr. Arbeiten Sie dabei an drei Tagen, haben Sie Anspruch auf 18 Tage Urlaub und bei zwei Arbeitstagen in der Woche haben Sie Anspruch auf zwölf Urlaubstage.
Was ist in den ersten sechs Monaten?
In den ersten sechs Monaten spricht das Gesetz von einer Wartezeit. In dieser Zeit erwerben Sie monatlich ein Zwölftel Ihres Urlaubsanspruchs, haben aber noch keinen Anspruch darauf, dass er Ihnen auch gewährt wird. Wir bezeichnen so etwas als Anwartschaften. Wenn Sie während dieser Zeit schon Urlaub nehmen möchten, sind Sie auf den Goodwill Ihres Arbeitgebers angewiesen. In Zeiten des Fachkräftemangels wird man Ihnen da aber bestimmt entgegenkommen.
Was ist, wenn ich im Urlaub erkranke?
Kommt es im Urlaub zu einer Arbeitsunfähigkeit, so werden die durch ärztliches Zeugnis (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) nachgewiesenen Tage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet, § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG).
Wie ist der Urlaub einzureichen?
Das BUrlG sieht keine Regelungen zum Verfahren vor. Das heißt, die Firmen legen selbst fest, in welcher Form Urlaub beantragt und genehmigt wird.
Was ist, wenn mein Arbeitgeber auf meinen Urlaubsantrag gar nicht reagiert oder ihn ablehnt?
Grundsätzlich besteht kein Recht zur Selbstbeurlaubung. Notfalls muss gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen werden. Dabei kann durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung innerhalb von wenigen Tagen eine Entscheidung herbeigeführt werden.
Ich möchte einen ganzen Monat Urlaub machen. Habe ich darauf einen Anspruch?
Das Bundesurlaubsgesetz regelt, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind; es sei denn, dass dem dringende betriebliche Belange oder die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, § 7 Absatz 1 BUrlG. Kann der Urlaub nicht zusammenhängend gewährt werden, so muss einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage (Werktage sind Montag bis Samstag) betragen, § 7 Absatz 2 BUrlG.
Kann mein Urlaub widerrufen werden?
Ist der Urlaub einmal festgelegt, können weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer dies einseitig rückgängig machen.
Darf ich im Urlaub arbeiten?
Der Urlaub dient der Erholung. Man soll seine Arbeitskraft auffrischen, Abstand vom Betrieb und den Kollegen gewinnen und – kleine Anmerkung von mir – die Kollegen sollen sich auch von einem erholen können. § 8 BUrlG bestimmt, dass während des Urlaubs keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit geleistet werden darf. Das heißt, dass arbeiten im Urlaub nicht in allen Fällen verboten ist. Das LAG Köln (Urteil vom 21.09.2009 – 2 Sa 674/09) befand die Tätigkeit einer Bürokauffrau am Weihnachtsmarktstand ihres Ehemannes für unschädlich.
Muss ich im Urlaub erreichbar sein?
Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer im Urlaub nicht erreichbar sein müssen. Wird der Arbeitnehmer auf Aufforderung des Arbeitgebers trotzdem tätig, können auch kurze Inanspruchnahmen dazu führen, dass der Erholungszweck des Urlaubs erheblich beeinträchtigt ist und der Urlaubstag nachzugewähren ist. Es ist eine Würdigung des Einzelfalls, ob eine kurze Unterbrechung eine relevante Beeinträchtigung des Urlaubszwecks ist. Dies kann der Fall sein, wenn wegen einer kurzfristig zu bearbeitenden Mail der geplante Familienausflug verschoben werden muss. Auch mehrmalige tägliche Unterbrechungen von kurzer Dauer können den Urlaubszweck beeinträchtigen.
Bei der freiwilligen Aufnahme der Tätigkeit ist andererseits zu berücksichtigen, dass es auch nicht allein im Belieben des Arbeitnehmers stehen kann z. B. durch (regelmäßige) Beantwortung von Mails, einen neuen Urlaubsanspruch zu begründen (bei gleichzeitigem Verbleib am Urlaubsort).
Kann ich mir den Urlaub auszahlen lassen?
Im laufenden Arbeitsverhältnis muss der Urlaub in Natur gewährt werden. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Auszahlung des Urlaubs. § 7 Absatz 4 BUrlG bestimmt, dass dann, wenn der Urlaub wegen Beendigung nicht mehr gewährt werden kann, er abzugelten ist.
Habe ich auch dann Anspruch auf Urlaub, wenn ich das ganze Jahr krank war?
Ja, Urlaub setzt kein Erholungsbedürfnis voraus. Allerdings können Arbeitnehmer im Krankenstand nicht den Urlaub erteilt bekommen, da die Urlaubsgewährung die Arbeitsfähigkeit voraussetzt.
Wird Urlaub automatisch auf das Folgejahr übertragen?
Grundsätzlich ist der Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu nehmen, außer der Arbeitsvertrag oder der Tarifvertrag sehen abweichende Regelungen vor. Wird der begehrte Urlaub aus betrieblichen Gründen abgelehnt, weil zum Beispiel personelle Engpässe bestehen oder die fristgerechte Fertigstellung eines Auftrags notwendig ist, so muss der Arbeitgeber den Urlaub zu einem anderen Zeitpunkt gewähren. Ist das im laufenden Jahr nicht mehr möglich, wird er kraft Gesetzes bis zum 31. März des Folgejahres übertragen, § 7 Abs. 3 BUrlG. Das Gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen wie Krankheit, den Urlaub nicht antreten konnte. Von dem dreimonatigen Übertragungszeitraum gibt es aber eine Ausnahme bei Langzeiterkrankten. Kann der Arbeitnehmer aufgrund einer dauerhaften Erkrankung bis zum 31. März des Folgejahres seinen Urlaub nicht antreten, verfällt der Resturlaubsanspruch am 31. März des darauffolgenden Jahres – mithin 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er entstanden ist.
Wie viel Urlaub steht mir bei Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte zu?
Wer länger als sechs Monate dem Betrieb angehört und in der zweiten Jahreshälfte, also nach dem 30. Juni ausscheidet, hat Anspruch auf den kompletten gesetzlichen Jahresurlaub. Das ist sowohl bei Arbeitgebern als auch bei Arbeitnehmern nicht so bekannt. Häufig denkt man, dass wer etwa zum 31. Juli ausscheidet, Anspruch auf 7/12 hat. Das ist aber nicht richtig. Der Anspruch beträgt 12/12.
Muss mich mein Arbeitgeber auf die noch bestehenden Urlaubsansprüche hinweisen?
Der Europäische Gerichtshof hat am 6. November 2018 (Rs. 619/16 und C-684/16) entschieden, dass ein Arbeitnehmer die ihm zustehenden Urlaubstage und den Abgeltungsanspruch nicht automatisch deshalb verliert, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Der Arbeitnehmer muss vielmehr vom Arbeitgeber durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt werden, Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Es besteht mithin eine Hinweispflicht.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Vorgaben mit Urteil vom 19. Februar 2019 umgesetzt. Dass in vielen Lohnabrechnungen die offenen Resturlaubstage ausgewiesen sind, ist nicht ausreichend. Arbeitgeber müssen jeden Arbeitnehmer einzeln unter Mitteilung des Resturlaubsanspruchs auffordern, den Urlaub zu nehmen und auf den drohenden Verfall hinweisen. Es empfiehlt sich, dies aus Beweissicherungsgründen schriftlich zu machen.
Das BAG hat sich in der Vergangenheit immer wieder mit dem Verfall von Urlaubsansprüchen bei erkrankten Arbeitnehmern beschäftigt. Mit Urteil vom 31. Januar 2023 – 9 AZR 107/20 – hat das BAG bekräftigt, dass die Hinweispflicht des Arbeitgebers auf den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche am 1. Januar entsteht und auch unverzüglich erfüllt werden müsse. Arbeitgeber sollen daher im Kalenderjahr so früh wie möglich ihren Hinweispflichten nachkommen, jedenfalls bis zum Ende der ersten Arbeitswoche.