24. November 2022
Impulse

Rittergut Lucklum: Regionale Verantwortung und Vielfalt leben

Die Land- und Forstwirtschaft ist nicht nur ein Standbein, sondern war früher Lebensgrundlage für das Rittergut Lucklum und ist heute die Geschäftsgrundlage der Güterverwaltung Reinau.

Helmut Gockel, Geschäftsführer der Güterverwaltung Reinau, zu der das Rittergut Lucklum gehört. Foto: Gesa Lormis

Am Anfang war das Dorf: Im 13. Jahrhundert gründete hier am Westhang des Elms der Deutsche Ritterorden eine Kommende. Der geistliche Orden residierte bis zu seiner Auflösung im Jahr 1809 in Lucklum. Land- und Forstwirtschaft bildeten schon damals die ökonomische Grundlage. Dies blieb auch eine Konstante des Ritterguts Lucklum, wie die Anlage seit 1831 heißt. Seit 2012 gehört das Ensemble aus Gutshaus und Kirche, Wohngebäuden, Ställen und Scheunen sowie dem Landschaftspark zur Güterverwaltung Reinau. „Als Geschäftsführer bin ich seit sechs Jahren hier tätig, kannte das Gut und die Flächen aber bereits. Trotzdem hat es fast ein halbes Jahr gedauert, bis ich mit allen Betriebszweigen richtig vertraut war“, erzählt Helmut Gockel im Besprechungsraum der Güterverwaltung, die ihren Sitz im Gutshaus hat. Er hält die Fäden zusammen und sorgt mit einem Team aus gut 50 Mitarbeiter:innen für den reibungslosen Betrieb. „Wir haben hier ein buntgemischtes Team, darunter eine Pastorin und eine Kunsthistorikerin. Hier sind aber auch eine Immobilien-Kauffrau, Forst- und Agraringenieure, Land- und Forstwirte, Berufsjäger sowie Reitlehrer:innen und viele Aushilfen tätig. Da wir neben Lucklum auch weitere Flächen in Thüringen und Bayern bewirtschaften, sind nicht alle Mitarbeiter:innen vor Ort.“

Das historische Ensemble des Ritterguts Lucklum – mit Kirche, Guthaus, Wohnungen und Ställen – steht unter Denkmalschutz. Foto: Gesa Lormis

Bio-Landwirtschaft wird immer bedeutender

Als Teil des Rittergutes setzt der landwirtschaftliche Betrieb auf Vielfalt und Nachhaltigkeit: Alles Handeln soll sich positiv auf die Umwelt auswirken – und zugleich betriebswirtschaftlich Sinn ergeben. In einem mehrjährigen Prozess entwickelte sich der Betrieb deshalb von der rein konventionellen Bewirtschaftung hin zu einem Mischbetrieb – in Niedersachsen, also den Flächen rund um Lucklum, ist die Umstellung auf eine ökologische Bewirtschaftung nach Richtlinien des Naturland-Verbands bereits erfolgt. „Dadurch haben wir die Möglichkeit, den Wald, der bisher nach den PEFC-Richtlinien, also Pan-European Forest Certification, bewirtschaftet wird, ebenfalls nach diesen Verbandsrichtlinien zertifizieren zu lassen. Naturland passt zu uns. Auch was die Ansprüche an die Tierhaltung betrifft“, erzählt Gockel.

Irische Rinder und Zweinutzungshühner

Und tierische Gutsbewohner gibt es hier reichlich. In der Mutterkuhherde des Gutes leben rund 30 Dexterrinder ganzjährig auf der Weide. Die kleine irische Rasse ist genügsam, braucht nur frisches Gras und im Winter etwas Heu als Futter. Der Nachwuchs bleibt in der Herde, bis er alt genug für die Schlachtung ist. Das Fleisch wird an zwei Terminen im Jahr im Direktvertrieb vermarktet. Dafür gibt es einen kleinen Kreis an gastronomischen Betrieben, die Fleisch vom Gut beziehen; Privatabnehmer:innen werden per Newsletter informiert. Ähnlich läuft es mit dem Geflügel: Das Rittergut hält Zweinutzungshühner, die sowohl Fleisch als auch Eier liefern. Statt männliche Küken zu töten – was in Deutschland seit diesem Jahr verboten ist – oder noch im Ei auszusortieren, dürfen die sogenannten Weidehähne 16 Wochen lang in kleinen Herden in Mobilställen aufwachsen. „Diese Haltung ist deutlich teurer, als wenn wir eine klassische Mast-Rasse hätten. Die Hennen legen zudem weniger Eier. Aber: Die Tiere werden artgerecht gehalten, haben viel Auslauf, erhalten Bio-Futter. Und sind sehr robust und gesund“, schwärmt der Geschäftsführer. Zwei Naturkostläden verkaufen die frischen Eier aus Lucklum, hinzu kommen Regiomaten für den Direktvertrieb.

Gras, frische Luft und Sonnenschein: Die Hühner der Lucklumer BioGut GmbH leben hauptsächlich auf der Weide.

Zwischen Denkmalschutz und Modernisierung

Pferdehaltung hat auf dem Rittergut Tradition. Früher lebten in den Ställen neben Reitpferden auch die schweren Kaltblüter, die für die Arbeit in der Landwirtschaft gebraucht wurden. Heute befindet sich dort ein Reitstall mit Einstellboxen und Reitschule. „Wir bauen aktuell eine neue Reit- und Bewegungshalle als Ergänzung für unseren Außenreitplatz. Als ein Kulturdenkmal ist das durchaus herausfordernd – jede Veränderung im historischen Ensemble, jede Sanierung oder Ergänzung, muss mit dem Denkmalschutz abgestimmt werden“, erläutert Gockel. Doch der Umbau sei notwendig auf dem Weg zu einer modernen Pferdehaltung.
Etwas einfacher sei dagegen die Umgestaltung der Pferdeweiden südlich des historischen Landschaftsparks gewesen. Im Frühjahr 2022 fanden die ersten Anpflanzungen für einen sogenannten Agroforst statt, bei dem Gehölze mit Ackerkulturen oder Tierhaltung kombiniert werden. Die noch jungen Laubbäume, die sich in mehreren Streifen über die Weiden ziehen, sollen den Pferden in einigen Jahren Schatten und vielleicht auch den einen oder anderen herabfallenden Apfel spenden. Für das kommende Jahr sind weitere Pflanzaktionen auf dem angrenzenden Acker geplant: Dort sollen sich im Abstand von 36 Metern mehrere Baumreihen über die insgesamt 30 Hektar große Fläche ziehen. Bei Arbeiten auf dem Acker müssen sich Trecker und Landmaschinen zwischen diesen und um sie herumbewegen. „Den Reihenabstand haben wir an unsere Maschinen, deren Breite und Wenderadius angepasst. Zusätzlich müssen wir auf diesen Flächen beachten, dass die denkmalgeschützte Blickachse auf das Gut nicht gestört wird“, so Gockel.

Wertvoll für Flora, Fauna und Landwirtschaft

Bäume und Sträucher haben gleich mehrere positive Eigenschaften, die sich in der Agroforstwirtschaft günstig auswirken: Sie bremsen den Wind aus und sorgen für Schatten. Ihre Wurzeln lockern den Boden auf und lassen Regenwasser leichter versickern. Gleichzeitig speichern sie Feuchtigkeit. So verbessern die Baumreihen im Sommer wie im Winter das Mikroklima auf den Flächen sowie den Hochwasserschutz und schaffen kleine Biotope. In diesen finden Bodenlebewesen, Vögel sowie kleine Säugetiere Schutz und Nahrung.
Je nach gewählten Arten können die Bäume und ihre Früchte ebenfalls landwirtschaftlich genutzt werden. Einige Reihen schnellwachsender Pappeln und Weiden sollen beispielsweise als Energieholz dienen: Nach vier bis fünf Jahren werden sie abgeschnitten und versorgen die Hackschnitzelheizung des Gutes mit Brennmaterial. Aus den abgeschnittenen Baumstümpfen treiben in den Folgejahren erneut Bäume aus. Um in den kommerziellen Obstanbau einzusteigen, sind die gewählten Flächen allerdings zu klein. Im Vordergrund steht deshalb der Beitrag zum Naturschutz.
Zu den Aufgaben von Helmut Gockel gehört es, in allen Betrieben und an allen Standorten für den roten Faden zu sorgen. Die gemeinsamen Werte sollen sich in den Entscheidungen und der Arbeitsweise widerspiegeln: „Wir sind Landwirtschaft, wir sind Forstwirtschaft, wir lieben Tiere und wir setzen Nachhaltigkeit auf allen Ebenen um.“

Auch interessant