und
7. März 2023
Impulse

Welche Rolle das Geschlecht bei der Karriere spielt

Zahlen, Daten, Fakten zur wirtschaftlichen Chancengleichheit in Deutschland

Gleiche Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Davon ist Deutschland noch in vielerlei Hinsicht entfernt. Foto: nito/stock.adobe.com

Chancengleichheit ist ein hehres Ziel und schon aus Gründen der Fairness geboten, zudem wirtschaftlich erstrebenswert, weil gerade in Zeiten von viel Arbeit und immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter schlichtweg jeder zählt.

Deutschland ist davon allerdings weiter entfernt als viele andere vergleichbare, zum Beispiel europäische Länder: Der Bildungsabschluss von Kindern hängt hierzulande maßgeblich von dem ihrer Eltern ab. Menschen mit Migrationshintergrund haben es auf dem Arbeitsmarkt schwerer, Frauen schaffen es deutlich seltener in Spitzenpositionen als Männer und verdienen durchschnittlich weniger Geld. Anlässlich des Equal Pay Days am 7. März beleuchtet die Standort38-Redaktion deshalb exklusiv, welche Rolle das Geschlecht für Karrieren in der Region spielt, wo Stolpersteine und Ungerechtigkeiten lauern und wie Wirtschaft und Gesellschaft von Diversität nachhaltig profitieren können.

Dazu kommen Entscheiderinnen wie Expertinnen von außerhalb zu Wort, zum Beispiel Julia Claussen aus dem Bundesvorstand des Business and Professional Women (BPW) Germany e.V. Im Mittelpunkt steht aber zum dritten Mal eine aufwändige Analyse, die untersucht, wie sich die Chefetagen der größten regionalen Unternehmen und Institutionen hinsichtlich des Geschlechts zusammensetzen. Außerdem hat die Redaktion politische Spitzenämter, Verbände und Kammern unter die Lupe genommen.

Zahlen, Daten, Fakten zur wirtschaftlichen Chancengleichheit in Deutschland

Equal Pay Day
Als Equal Pay Day wird der Tag bezeichnet, bis zu dem Frauen relativ betrachtet ohne Bezahlung arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar bei voller Bezahlung arbeiten. In diesem Jahr fällt der Tag auf den 7. März. Umgerechnet arbeiten Frauen damit 66 Tage umsonst.

77 Prozent
Die Anzahl der erwerbstätigen Frauen ist laut der Studie „Game-Changers for Gender Equality in Germany’s Labour Market?“ in den vergangenen Jahren gestiegen. Im Jahr 2005 befanden sich insgesamt 63,1 Prozent der Frauen im erwerbstätigen Alter in einer Anstellung. Im Jahr 2021 lag die Zahl bei 77 Prozent.

Rund 17 Prozent…
…der Vorstandsposten in deutschen börsennotierten Unternehmen sind mit Frauen besetzt (99 von 599 Vorstandsmitgliedern).

Gender Pay Gap
Der Gender Pay Gap beschreibt den Verdienstabstand pro Stunde zwischen Frauen und Männern. Die Ursachen hierfür können nach Angaben des Statistischen Bundesamts unterschiedlich aussehen: Frauen arbeiten beispielsweise in schlechter bezahlten Berufen oder erreichen seltener Führungspositionen als Männer.

18 Prozent weniger…
…pro Stunde als Männer verdienten Frauen in Deutschland im Jahr 2022 (unbereinigt). Der bereinigte Gender Pay Gap berechnet den Gehaltsunterschied zwischen Mann und Frau im selben Job bei gleicher Arbeitszeit. Laut Statistischem Bundesamt lag dieser im Jahr 2022 bei 7 Prozent.

Gender Employment Gap
Auch bei der Erwerbstätigkeitsquote gibt es noch große Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die sogenannte Gender Employment Gap lag 2022 bei 39 Prozent. Sie nimmt auch Arbeitsstunden und Arbeitslosigkeit mit in die Berechnung. Frauen arbeiten zudem verstärkt in sozialen Berufen, die schlechter bezahlt werden als technische Berufe.

Illustration: Fozia/stock.adobe.com

Zu viel?
Überrepräsentation von Frauen in Berufsfeldern: Insbesondere im Gesundheits- und Sozialwesen sind mehr als drei Viertel der Mitarbeitenden Frauen. Ähnlich sieht es in Erziehungs- und Lehrberufen aus. Dort liegt der Frauenanteil bei 71 Prozent. Mit 64 Prozent sind Frauen auch in der Öffentlichen Verwaltung in der Mehrheit (Stand: Juni 2021).

Zu wenig?
Unterrepräsentation von Frauen in Berufsfeldern: In den sogenannten „Männerberufen“ sind Frauen weiterhin unterrepräsentiert. Im Handwerk sind gerade einmal 13 Prozent der Angestellten Frauen. In den Bereichen Bergbau, Energie und der Wasser- sowie Müllwirtschaft liegt der Anteil bei 22 Prozent, in der produzierenden Industrie immerhin bei etwas mehr als einem Viertel (Stand: Juni 2021).

Mehr MINTys
Folgt man den Zahlen der Arbeitsvermittlungsagentur academics GmbH ist in diesem Bereich jedoch Bewegung. Seit 2011 hat sich die Zahl der Studienanfängerinnen im MINT-Bereich von 60.000 auf etwa 119.000 im Jahr 2019 verdoppelt.

Gründerinnen gesucht
Dem Female Founders Monitor von Stepstone und dem Startup Verband zufolge waren im Jahr 2022 gerade einmal 20 Prozent aller Start-up-Gründer:innen weiblich. Männer erhielten zudem durchschnittlich fast neun Mal so viel Kapital wie Frauen-Teams von Investor:innen erhalten.

Angeglichen
In Dänemark müssen seit dem Jahr 2005 Arbeitgeber mit mehr als 35 Angestellten die Löhne offenlegen. Seitdem steigt der Lohn männlicher Mitarbeiter um 2 Prozent langsamer als der ihrer Kolleginnen. Die Gehälter gleichen sich in der Folge an. Forscher:innen der Universität Cambridge vermuten, dass die erhöhte Transparenz den Frauen eine bessere Verhandlungsposition für ihr Gehalt verschafft. Damit geht einher, dass Männer, die über das Entgelt entscheiden, sich sorgen, vor den Kolleg:innen als frauenfeindlich dazustehen. Zudem seien Männer seit der Einführung des Gesetzes eher dazu geneigt, ihre Stunden zu reduzieren. Frauen dagegen tun dies tendenziell weniger.

Frauen helfen Frauen?
Sehen Frauen sich als soziale Gruppe, ist es wahrscheinlicher, dass sie gezielte Maßnahmen ergreifen, um andere Frauen zu fördern. Identifizieren sie sich eher mit dem Unternehmen oder dem Management als mit ihrem Geschlecht, wird das laut einer Studie der Berliner Forscherin Anja Kirsch unwahrscheinlicher.

Eine Frage der Werte
In Schweden etwa unterschieden sich Werte von Frauen in Führungspositionen teils drastisch von denen der breiten weiblichen Bevölkerung. Sie legten mehr Wert auf das eigene Ansehen innerhalb des Managements als auf die Unterstützung des eigenen Geschlechts außerhalb der ökonomischen Gruppe. Daraus entstehe ein Konflikt zwischen sozialer Gruppe und der Führungslogik des Arbeitgebers.

Einsatz zeigen
60 Prozent der Frauen mit Führungspositionen in DAX-Konzernen geben an, sich in ihrer Position dezidiert für die Gleichstellung von Frauen einzusetzen.

Frauenanteil in niedersächsischen Aufsichtsräten
In den Aufsichtsräten sind Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. Laut dem Women-on-Board-Index Niedersachsen 2022 des Vereins Frauen in die Aufsichtsräte und des Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung sind 27 Prozent der Aufsichtsratsposten in den 103 größten Niedersächsischen Unternehmen von Frauen besetzt. Dabei unterscheiden sich Landes-, kommunale und private Einrichtungen kaum: Sie alle kommen auf eine Quote zwischen 26 und 27 Prozent.

Elternzeitquote
Laut Statistischem Bundesamt nahmen im Jahr 2021 2,6 Prozent aller Väter von Kindern unter drei Jahren Elternzeit in Anspruch. Bei Kindern unter sechs Jahren waren es 1,6 Prozent. Unter den Frauen waren es dagegen 46,1 bzw. 25,3 Prozent.

Quellen: academics GmbH, AllBright Stiftung, A. Kirsch (2021): Revolution from above?, Bundesagentur für Arbeit, Female Founders Monitor 2022, M. Bennedsen, E. Simintzi, M. Tsoutsoura & D. Wolfenzon (2019): Do firms resprond to gender pay gap transparency, P. Ahrens & A. Scheels (2021): Game-Changers for Gender Equality in Germany’s Labour Market?, Statistisches Bundesamt

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