Man kennt ihn als analytischen, kritischen, aber auch begeisterungsfähigen Juror aus der Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“. Aber Frank Thelen ist noch viel mehr: Skater, Schul- und Studiumabbrecher, Programmier, Geek, Firmengründer, Startup-Investor und Ausnahme-Unternehmer. „Ich bin von der Presse bejubelt und von Kunden beschimpft worden. Ich hatte mit Mitte zwanzig Millionenschulden und stand kurz vor der Privatinsolvenz. Ich habe eine neue Firma gegründet, sie für viel Geld nach Japan verkauft und sollte dort mit Walsperma auf den Erfolg anstoßen. Immer wieder habe ich gegründet, hatte Erfolg, bin wieder böse hingefallen und erneut aufgestanden. Unsere Kanzlerin hat mir einen Innovationspreis überreicht, und ich durfte als Mitglied der Bundesversammlung den Bundespräsidenten wählen. Was ich gesehen habe, reicht für mindestens drei Leben… schreibt der 42-Jährige in seiner launigen, lehrreichen und lesenswerten Autobiografie „Startup-DNA.
Hinfallen, aufstehen, die Welt verändern“ (Murmann Publishers), die gerade erschienen ist. Ein Mann mit viel Leidenschaft und Willenskraft, der sein erstes Startup Softer Solutions bereits mit 18 Jahren gründete. Mittlerweile hat Thelen eine Vielzahl von Unternehmen gegründet, darunter den Foto-Service Ip.labs, der im Jahr 2008 an Fujifilm verkauft wurde, und die Dokumenten-App Doo. Als Investor ist Thelen mit seiner Freigeist Capital GmbH unter anderem an verschiedenen Food-Startups wie Little Lunch, Lizza und Ankerkraut beteiligt, begeistert sich aber mit der Firma Lilium auch für einen futuristischen und emissionsfreien VTOL-Jet (vertical take-off and landing). Standort38 sprach mit Thelen.
Herr Thelen, wer ist die Zielgruppe Ihres Buchs und was sind die wichtigsten Botschaften?
Das Buch erzählt ja zum einen die Geschichte meines Lebens, also wie ich zu dem wurde, der ich bin. Damit richtet es sich an alle, die auch etwas in ihrem Leben bewegen wollen, nicht nur unternehmerisch. Sie erfahren dabei viel über die Fehler und Erfahrungen, die ich gemacht habe und ich hoffe, das kann ihnen dabei helfen, solche Fehler zu vermeiden. Und natürlich erfährt man, welche Entscheidungen und Faktoren zu meinem Erfolg geführt haben und führen. Im zweiten großen Teil des Buches werfe ich einen Blick in die nahe Zukunft. Was ändert sich gerade durch Blockchain, Robotik und KI. Welche Technologien werden die Welt von morgen prägen und welche Herausforderungen bringen diese für Gesellschaft und Politik mit sich? Damit ist das Buch auch für jeden interessant, der wissen will, wie die Welt von morgen aussieht.
Sie gehen mit Ihrem damaligen Ich hart zu Gericht. Sie waren früher der „Wunderjunge“ und fühlten sich eine Zeit lang wie „der König der neuen Welt“. Wer und wie sind Sie heute?
Wenn man mit Anfang 20 in der Zeitung tatsächlich als „Wunderjunge“ bezeichnet wird, für sein erstes Startup viel Venture Capital erhält, sich seinen Traumwagen leisten kann, den Gang seiner Firma an die Börse vor Augen hat – dann ist es schwer, nicht abzuheben. Inzwischen habe ich aber durch die Rückschläge, Erfahrungen und Erfolge, die ich in gut 20 Jahren im Business gemacht habe, einen Blick fürs Wesentliche gewonnen. Dadurch und besonders durch die Beziehung zu meiner Frau Nathalie bin ich geerdet und nicht mehr so verbissen – aber vielleicht sollte ich die Frage in 20 Jahren noch einmal beantworten…
Was waren rückblickend die größten Fehler, die Sie gemacht haben?
Der größte Fehler war sicherlich, dass ich ohne Bedenken für die Kredite meines ersten Startups, der twisd AG, gebürgt habe. Nachdem diese Insolvenz anmelden musste, stand ich plötzlich selbst vor einem Millionen-Schuldenberg, was mich völlig gelähmt hat. Meine Zukunft schien mit Mitte 20 vorbei zu sein, bevor sie richtig begonnen hatte. Ich habe mich dann aber aufgerafft und einen Vergleich mit der Bank geschlossen, der mir wieder Luft zum Atmen und weiteren Gründen gab. Dann waren es auch zwei Fehler, die zum Scheitern der twisd AG geführt haben: Wir haben uns nicht zu 100% auf unser aussichtsreichstes skalierbares Produkt konzentriert, sondern uns zusätzlich mit vielen anderen Projekten verzettelt und sahen irgendwann den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Wahrscheinlich deswegen erkannten wir auch nicht rechtzeitig, dass wir eigentlich schon gescheitert waren und haben stattdessen die Kreditlinien immer weiter erhöht.
Was waren die wichtigsten Dinge, die Sie aus Ihren Fehlern gelernt haben?
Die wichtigste Erkenntnis war sicher, dass man immer wieder aufstehen muss, wenn man gefallen ist – übrigens etwas, was ich auch durchs Skateboarden gelernt habe: wer dabei nicht nach jedem Sturz wieder aufsteht und es nochmal probiert, kommt nicht weiter. Ein weiteres wichtiges Learning war, dass man sich ganz auf die Sache konzentrieren muss, die am erfolgversprechendsten und skalierbarsten ist, also Wachstumspotential bietet. Gleichzeitig muss man erkennen können, wenn ein Plan endgültig gescheitert ist und rechtzeitig die Reißleine ziehen – auch wenn man viel Herzblut in diesen gesteckt hat.
Wie stark hat die Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ ihr Leben verändert bzw. wie wäre es durch das Erfolgsformat wohl anders verlaufen?
Die für mich tiefgreifendste Änderung ist, dass ich jetzt bekannt bin. Es war vorher unvorstellbar für mich, auf Veranstaltungen oder am Flughafen von wildfremden Menschen nach einem Selfie gefragt zu werden. Eigentlich bin ich nicht der Typ dafür und anfangs war das ein sehr seltsames Gefühl. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Diese Bekanntheit hat aber auch Vorteile: Dadurch, dass ich jetzt mehr im Fokus stehe, ist es leichter, meine Ideen und Gedanken einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen – ich glaube z.B. nicht, dass ich ohne DHDL das Buch geschrieben hätte.
Durch „Die Höhle der Löwen“ haben Sie Ihr Kapital in zahlreiche Food-Startups investiert, die für 2018 rund 100 Millionen Euro Umsatz erzielen sollen. Warum reizt Sie gerade dieser Bereich?
Das ist auch so etwas, was es ohne die Show wohl so nicht gegeben hätte. Erst durch den Pitch von Little Lunch und mein anschließendes Invest bin ich auf diesen Bereich und seine Potentiale aufmerksam geworden. Die Herausforderungen hier sind ganz andere als im reinen online Bereich. Dementsprechend steil war auch meine Lernkurve: allein schon, wie man Lebensmittel im Handel positioniert. Diese Herausforderung hat mich gereizt und tut es immer noch. Doch es ist mehr als das: ich habe mein Herz für hochwertige Lebensmittel entdeckt.