Seit zehn Jahren ist Jörg Burmeister Abteilungsleiter der Wirtschaftsförderung in der Gifhorner Kreisverwaltung. Gemeinsam mit seinem Team kümmert er sich um die Ansiedlungspolitik, der Bestandspflege und Existenzgründungsförderung. Auch der Breitbandausbau, der möglichst nachhaltig verlaufen soll, ist immer wieder ihr Thema.

Die Wirtschaftsförderung des Landkreises Gifhorn sieht sich als Partner und Anlaufstelle für angesiedelte Unternehmen und solche, die auf der Suche nach einer passenden Niederlassung im Landkreis sind. Etwa, weil sie von der Nähe zu Wolfsburg, Hannover, Celle oder Lüneburg profitieren wollen. „Kurz gesagt ist unser Ziel, den Wirtschaftsstandort Landkreis Gifhorn nachhaltig zu stärken und zu dessen positiver Entwicklung beizutragen“, erklärt Jörg Burmeister. Seit zehn Jahren leitet der Familienvater die Wirtschaftsförderung und ist dabei immer wieder Vermittler zwischen Verwaltung, Unternehmen und Politik.
Vor zwei Jahren glänzte der Landkreis mit seinem Abschneiden im Landkreis-Ranking des Magazins Focus: Im Bereich des Wirtschaftswachstums landete der Landkreis auf Platz 6 von 401 bewerteten Landkreisen und kreisfreien Städten. Mit Volkswagen, IAV, Butting GmbH & Co. KG, Egger Kunststoffe GmbH & Co. KG und The Lorenz Bahlsen Snack-World GmbH & Co KG Germany sind Firmen mit nationaler und internationaler Bedeutung in der Region ansässig.
In der jüngsten Erhebung der Zeitschrift wurde Gifhorn nicht berücksichtigt. Für Burmeister sind die Erfolge der Wirtschaftsförderung ohnehin nicht in Kennzahlen zu messen. „Die Anforderungen an die Wirtschaftsförderung und die Themenvielfalt sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Vor allem die Rollen der Wirtschaftsförderer als Projekt- und Prozessmanager und als Moderatoren zwischen den Akteuren der Verwaltung und der Unternehmerschaft haben an Bedeutung gewonnen“, erläutert er. Das wird derzeit besonders deutlich, da viele Betriebe von den im März und April getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Lungenkrankheit CoVid-19 betroffen sind, Kurzarbeit anmelden oder Mitarbeitende entlassen mussten.
Einer der wirtschaftlichen Schwerpunkte der Unternehmen im Landkreis, besonders im Süden, liegt auf der Automobilindustrie. Viele Zulieferer Betriebe der Volkswagen AG sind mit von deren Produktionsstopp getroffen worden. Im Landkreis selbst ist VW in Ehra-Lessin und Isenbüttel ansässig. Aber auch die Metallverarbeitung, die Kunststoff- sowie Druckindustrie erleben Einschnitte. Ebenso wie der Dienstleistungssektor. Welche Veränderungen sich darauf für den Landkreis ergeben werden, ist noch nicht abzusehen.
Bis in den März hinein lag die Arbeitslosenquote im Landkreis bei knapp vier Prozent und in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze laut Burmeister um gut 35 Prozent gestiegen. „Bei der Ingenieursdichte gehört der Landkreis Gifhorn bundesweit zur Top 10 und auch die Patentintensität (Patente je 100.000 Einwohner) ist überdurchschnittlich. Den jetzt erreichten Stand in der aktuellen wirtschaftlichen Situation in der Region mittelfristig auf dem aktuellen Niveau zu halten, zählen wir zu unseren wichtigsten Aufgaben in der Zukunft.“

Den ländlichen Raum fördern
Auch durch neue Entwicklungen im Bereich der E-Mobilität, die voranschreitende Digitalisierung und der wachsende Bedarf an Fachkräften gehören zu den Faktoren, die den Landkreis in den kommenden Jahren aus Sicht der Wirtschaftsförderung verändern könnten. Besonders in der Landwirtschaft und bei den Betrieben, die land- und forstwirtschaftliche Produkte verarbeiten, nimmt die Bedeutung von nachwachsenden Rohstoffen und regenerativen Energien zu. „Eine große Herausforderung wird uns bleiben: Der ländliche Raum muss sich weiterentwickeln, damit wir zwischen Stadt und Land gleiche Voraussetzungen schaffen können“, so Burmeister, dem das wirtschaftliche Nord-Süd-Gefälle im Kreis bewusst ist. „Landesweite Wettbewerbe und Entwicklungskonzepte zeigten Handlungsbedarf auf, der sukzessive abgebaut werden soll.“ Allerdings zeichne sich der Kreis auch durch seine Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen aus. Die Nähe zu Braunschweig mit seiner Technischen Universität, den Fachhochschulen und wissenschaftlichen Instituten hat ebenso positive Effekte für die Kommunen in der direkten Nähe, da viele Einwohner in der Forschungsregion arbeiten.
Der Ausbau der Autobahn 39 zwischen Wolfsburg und Lüneburg wird sowohl von vielen Pendlern, als auch bei den Unternehmen im Landkreis Wolfenbüttel und dem benachbarten Sachsen-Anhalt erwartet. Prognosen gehen davon aus, dass mehr als 60.000 Fahrzeuge das Teilstück der Autobahn täglich nutzen werden. Für Gifhorn könnte die Erweiterung einen wirtschaftlichen Aufschwung bedeuten. Die Wirtschaftsförderung des Landkreises Gifhorn rechnet damit, dass der Bau der A 39 den ländlichen Raum im Landkreis Gifhorn stärkt und sich die Preise stabilisieren. Konkrete Zahlen, zum Beispiel, wie sich der Bodenpreis durch den Ausbau entwickeln könnte, gibt es aber noch nicht. Das bleibe abzuwarten. Der Baustart war Anfang des Jahres für 2024 geplant, mittlerweile musste ein mehrtägiger Erörterungstermin Aufgrund von Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus abgesagt werden. Im langwierigen Planfeststellungsverfahren, das seit 2012 läuft, eine empfindliche Störung. „Ich hoffe, dass sich keine weiteren Verzögerungen für den Ausbau der A 39 ergeben. Denn mit einer Verzögerung des Baubeginns verzögert sich auch die wirtschaftliche Entwicklung“, gibt Burmeister zu Bedenken. Unternehmen, die geplant hätten, sich im Landkreis anzusiedeln, könnten sich anders zwischenzeitlich für andere Standorte entscheiden oder sich erst zu einem späteren Zeitpunkt in Gifhorn ansiedeln.
Zukünftige Entwicklungen im Blick
Gemeinsam mit weiteren Kommunen im Gebiet des Regionalverbands Braunschweig hat Gifhorn das Projekt „Konzept regionalbedeutsamer Gewerbestandorte“ (KOREG) entwickelt und umgesetzt. Ende Februar hat der Verband die Ergebnisse des Projektes veröffentlicht. An 45 Standorten in allen Teilregionen des Großraums Braunschweig wurden Potentialflächen ermittelt, die für zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten freigehalten werden sollen. Auch im Landkreis Gifhorn befinden sich Flächen für zukünftige Gewerbeansiedlungen – insgesamt über 200 Hektar.
Aber auch die Revitalisierung von Altflächen, Konversionsflächen oder Industriebrachen werde zukünftig eine große Rolle spielen, berichtet Burmeister. Denn um eine tatsächlich nachhaltige Entwicklung des Landkreises voranzutreiben, sei es erforderlich, den Flächenverbrauch auf das nötige Maß zu reduzieren. Dabei hat der Wirtschaftsförderer, der selbst mit seiner Familie im Landkreis lebt, auch die Akzeptanz der Bevölkerung für den Flächenbedarf im Blick.
Mit der Covid-19-Pandemie ist auch ein Thema in den Fokus der Unternehmen geraten, an dem Jörg Burmeister und seine Kollegen und Kolleginnen schon länger arbeiten: Die Digitalisierung. „Die Unternehmen sollten sich jetzt damit auseinandersetzen, um wettbewerbsfähig bleiben“, so Burmeister, der davon ausgeht, dass sich das Thema noch ausweiten wird. Ein wichtiger Schlüsselfaktor dabei seien die Mitarbeiter, die in die Prozesse integriert werden, um alle möglichen Potentiale der Digitalisierung auszuschöpfen. „Auch intern hilft die Digitalisierung vielen Unternehmen, um beispielsweise den Wissenstransfer zwischen Generationen und Mitarbeitern, die das Unternehmen verlassen, dauerhaft zu sichern.“ Während größere Unternehmen und Konzerne auf Themen wie Homeoffice eingestellt sind, haben kleinere manchmal noch Nachholbedarf. Auch die Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung sind ein wichtiges Thema. In Kooperation mit der IHK Lüneburg-Wolfsburg und dem Transferzentrum Elbe-Weser (TZEW) aus Stade hat der Landkreis Gifhorn daher in den vergangenen zwei Jahren Beratungen organisiert. Unternehmen aus dem Kreisgebiet konnten sich über Industrie 4.0, Digitale Transformation und Digitalisierung informieren lassen. „Die Unternehmen, die das Angebot genutzt haben, waren von den digitalen Möglichkeiten begeistert“, ist er über die positive Resonanz erfreut. Rund 60 Millionen Euro fließen in den Ausbau des Glasfasernetzwerkes im Landkreis, der Ausbau gilt als größtes Infrastrukturprojekt der Region.