27. September 2016
Wirtschaftspolitik & -förderung

„Es werden identifizierte Stärken ausgebaut“

Gerold Leppa, Wirtschaftsdezernent der Stadt, spricht unter anderem über Braunschweigs Stärken, die Flüchtlingskrise, die Abgasaffäre bei Volkswagen und die Entwicklung von Gewerbeflächen

Gerold Leppa, Wirtschaftsdezernent der Stadt Braunschweig. (Foto: Florian Kleinschmidt)


Herr Leppa, Sie haben ja Erfahrung aus unterschiedlichen Regionen Deutschlands mitgebracht – gibt es Ihrer Meinung nach eine Braunschweig-spezifische Art, die Dinge anzupacken?

Ich habe den Eindruck, in Braunschweig wird von vielen sehr zielgerichtet daran gearbeitet, einmal identifizierte Stärken auszubauen. Das sind zuerst Forschung und Wissenschaft, die einen wesentlichen Teil der Braunschweiger Standortqualitäten ausmachen und deren Einrichtungen miteinander sehr gut vernetzt sind. Enge Kooperationen gibt es aber auch mit der Wirtschaft. Ein sehr schönes Beispiel ist unser Gründungsnetzwerk, in dem zwanzig Institutionen, Verbände und Unternehmen sehr erfolgreich zusammenarbeiten, um Gründern den Weg in die berufliche Selbatständigkeit zu ebnen.


Inwiefern hat sich die Krise bei Volkswagen auf Braunschweig ausgewirkt? Ist sie jetzt überstanden?

Der Stand der Dinge ist ja in der Tagespresse nachzulesen. Die Auswirkungen auf die Gewerbesteuereinnahmen sind bekannt: die Stadt muss sparen. Dennoch: Der Wirtschaftsmotor dieser Region hat eine solide Halbjahresbilanz vorgelegt: Volkswagen hat das Autobauen nicht verlernt und sich zugleich eine technologische Offensive vorgenommen, die Mobilitätsdienstleistungen, Elektromobilität, Batterietechnik und selbstfahrende Autos umfasst. Der damit verbundene Einsatz digitaler Technologien wird bei uns einen Schub auslösen, der unsere Wirtschaft insgesamt, aber auch uns ganz privat beeinflussen wird. Natürlich ist für Zulieferer und Dienstleister in der Region auch spürbar, dass der Konzern spart.


Wie lautet das Zwischenfazit zur Flüchtlingskrise. Hat sie absehbare Folgen für Braunschweigs Wirtschaft – positive wie negative?

Ich habe den Eindruck, die Wirtschaft zieht mit großer Kraft mit; viele Unternehmen sind offen für Flüchtlinge. Helmut Streiff, der neue Präsident der Industrie- und Handelskammer Braunschweig, hat die Flüchtlingsthematik beispielsweise zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht. Im Kammerbezirk soll 50 Flüchtlingen ein Praktikumsplatz angeboten werden. Außerdem soll ihnen dabei geholfen werden, dass sie bald einen Ausbildungsplatz bekommen. Auch die Vollversammlung der Kammer und die Wirtschaftsjunioren stehen hinter diesem Ziel. Weitere Akteure in diesem Feld sind das Regionale Fachkäftebündnis und die Bundesagentur für Arbeit. Wir haben auch schon konkrete Beispiele gelungener Integration in die Arbeitswelt vorgestellt, etwa im Porschezentrum Braunschweig, das sich sehr früh mit der Integration von Flüchtlingen beschäftigt hat.


Was waren die größten Veränderungen für Braunschweigs Wirtschaft in der jüngsten Vergangenheit?

Wer in Braunschweigs Norden fährt, kann an den vielen Neubauten erkennen, welche rasante Entwicklung der Forschungsflughafen nimmt. Dazu tragen die neu errichteten niedersächsischen Forschungszentren für Luftfahrt und Fahrzeugtechnik bei. Das ist ein Hotspot der Forschung geworden, an dem sich Ingenieurbüros und wissenschaftliche Einrichtungen aus Luft- und Raumfahrt sowie der Mobilität eng miteinander vernetzt haben. Für diese Themen ist Braunschweig ein Kompetenzzentrum von europäischem Rang. Wenn im nächsten Jahr das Lilienthalhaus am Lilienthalplatz eröffnet, können dort Ingenieurbüros, Gründer und wissenschaftliche Institutionen in einer campusartigen Atmosphäre an Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten. Das ist ein neuer Ansatz, der exzellent zur interdisziplinären Forschung an diesem Standort passt. Die Investition in das Lilienthalhaus dokumentiert somit auch die zunehmende Bedeutung des Forschungsflughafens – ebenso wie die steigende Zahl der Arbeitsplätze von mittlerweile über 2.700. Im Jahr 2004 waren es noch 1.600. Aber auch anderswo in Braunschweig werden Rekordbeträge in Schlüsseltechnologien investiert – etwa im Braunschweiger Zentrum für Systembiologie, kurz BRICS, im Zentrum Pharmaverfahrenstechnik oder in der „Battery Lab Factory“ – übrigens alles Zentren in Trägerschaft der Technischen Universität mit interdisziplinärer Forschung.


Was sind die kommenden Herausforderungen? Wo sind die größten „Baustellen“ zu bewältigen?

Braunschweig wächst. Leider wachsen die Stadtgrenzen nicht mit. Gewerbeflächen isoliert auf grünen Wiesen gibt es in Braunschweig kaum noch. Deshalb haben wir ein Gewerbeflächenentwicklungskonzept erarbeitet, das vom Rat verabschiedet wurde. Damit wird es uns gelingen, im Rahmen einer gesunden Stadtentwicklung an „integrierten“ Standorten Ansiedlungs- und Expansionsflächen zu recyceln, zu revitalisieren und weiterzuentwickeln.

 

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