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30. August 2016
uncategorized

„Zehn Prozent tun den meisten nicht weh“ (3/5)

Alexander Brochier, Gründer der gleichnamigen Stiftung über Kinderarmut vor der Haustür, den Spagat zwischen Wohltäter und Unternehmer und die Herausforderung, mit Menschlichkeit Geld zu verdienen

Gut gelaunt beim Interview: Alexander Brochier in seinem Hotelzimmer im Adlon. (Foto: Holger Isermann)


Gelten für die Geldanlage bei Stiftungen andere Regeln und ethische Grundsätze als für einen Otto-Normalverbraucher?

Wir haben mittlerweile drei Fonds selbst aufgesetzt, weil unsere kleinen Stifter das gefordert haben. Wir wollten nicht einfach irgendeine Bank mit dem Beschiss, der da hinter den Kulissen läuft, sondern die Kickbacks selbst haben und natürlich keine Provision bezahlen. Wir haben also 60 Vermögensverwalter eingeladen und uns dann sechs ausgesucht. Zwei Vermögensverwalter betreuen jeweils einen unserer Fonds.


Kann man mit Menschlichkeit denn Geld verdienen?

Ja. Unser Stiftungszentrum ist ein echtes Sozialunternehmen. Wir verwalten Stiftungen und versuchen trotz günstigster Konditionen, immer noch Geld zu verdienen oder mindestens die Kosten zu decken. Es gibt Sozialunternehmen, die schaffen das.


Was bedeutet die Nullzinsphase für Stiftungen?

Sie hat zum Ergebnis, dass auch große Stiftungen, die aktuell vielleicht noch Langläufer in ihrem Portfolio haben, ihren Stiftungszweck irgendwann nicht mehr erfüllen können. Denn aus den Zinseinnahmen können sie keine Projekte mehr finanzieren. Viele Stiftungen liegen mittlerweile zwischen 20 und 50 Prozent Aktienanteil. Das ist für eine Stiftung schon ein Riesenschritt. Eigentlich kannst du als Stiftung nur noch von Fundraising leben. Du musst von Ertrag auf Spenden umstellen.


Werden wir in den nächsten Jahren ein Stiftungssterben erleben?

Eine 50.000-Euro-Stiftung kann nicht aus ihren Erträgen Projekte fördern, aber sehr wohl Fundraising-Ideen verwirklichen. Gute Ideen sind dann das Kapital und das kennen die Kleinen gar nicht anders! Schwieriger wird es für die großen Stiftungen, die bisher von den Erträgen leben konnten. Die werden sich umschauen müssen. Sie sind teilweise auch längerfristige Verpflichtungen in Projekten eingegangen. Ich könnte mir vorstellen, dass sehr viele von ihnen in Aufbrauchsstiftungen umgewandelt werden.


Was ist Ihr Lieblingsstiftungsprojekt?

Eins werde ich nie vergessen: Ein Sanitäter hatte im Internet recherchiert, wo die Kindersterblichkeit am höchsten ist und festgestellt, dass sie in einem Slum in Nairobi bei circa 17 Prozent liegt. Also hat er sich dahin aufgemacht und dort jahrelang gearbeitet. Dort gab es keine Kanalisation und wenn es regnete, floss der ganze Dreck durch die Hütten. Die Kinder spielten in diesem Dreck, steckten sich an und starben. Dieser Mann hat dort eine Kanalisation aufgebaut und es innerhalb von zehn Jahren geschafft, die Kindersterblichkeitsrate von 17 auf 4 Prozent zu senken. Solche Menschen, die persönlich auf alles verzichtet haben, um wirklich etwas zu bewegen, kannte ich aus der Geschäftswelt nicht.


Welche Projekte fördern Sie?

Einmal ein Kinderheim in Tschechien, dann haben wir noch die Stadtteilpatenschaft in Nürnberg und da wäre noch das "Haus des Stiftens", das immer noch von uns unterstützt wird. Wir betreuen dort gerade rund 1350 Stiftungen...


...und haben damit bis 2020 noch viel zu tun. 10.000 Stiftungen wollen Sie bis dahin betreuen...

Ach, hören Sie bloß auf. Ich sollte mich mit solchen Aussagen wirklich zurückhalten. Nein, das kann man vergessen. Wir hatten eine Zeitlang zwei neue Stiftungen pro Woche, mittlerweile ist es alle zwei Wochen eine Stiftung. Die Zahl werden wir nicht mehr erreichen.

 

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"Zehn Prozent tun den meisten nicht weh" – Alexander Brochier, Gründer der gleichnamigen Stiftung über Kinderarmut vor der Haustür, den Spagat zwischen Wohltäter und Unternehmer und die Herausforderung, mit Menschlichkeit Geld zu verdienen (4/5)

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